Wir alle kennen es: das Warten. In der Schlange an der Kasse, beim Reisen, auf den Fluren der Behörden. Und obwohl das Warten ein Alltagsphänomen ist, ist es komplexer als man auf Anhieb denken würde. Denn in Wartesituationen geht es um die Fähigkeit, einen radikalen Unterschied zwischen tatsächlicher Gegenwart und imaginierter Zukunft zu ertragen.
Was macht jahrelanges Warten mit einem Mensch?
Besonders gilt das für Situationen, in denen wir von äußeren Faktoren abhängig sind. Studien unter sozial benachteiligten Menschen haben gezeigt, dass sie in jahrelangen Wartephasen auf Behördenbescheide zunehmend das Gefühl verlieren, mündige Bürger mit Rechten zu sein. Schon Pierre Bourdieu sah im Warten-lassen ein Grundprinzip von Herrschaft und Macht.
Warten erinnert an Abhängigkeit
Wer gerne wartet hat keine Schwierigkeiten, sich dem eigenen Gedankenfluss auszusetzen, mutmaßen Psychologen. Dass das Warten für einige Menschen hingegen schier unerträglich ist, mag mit Erfahrungen aus der Kindheit zusammenhängen. Denn im Warten werden wir an die Abhängigkeit erinnert, die wir alle als Säugling erleben mussten. Jedes Kind muss warten lernen – wenn wir als Gesellschaft funktionieren wollen. Denn letztlich gilt: In der Schlange an der Kasse ist jede Hierarchie aufgehoben.