Einem Mythos der Cherokee zufolge forderten die Tiere einstmals die Vögel zu einem großen Ballspiel heraus. Die Herausforderung wurde angenommen, und man traf die erforderlichen Vereinbarungen. Als es soweit war, versammelten sich die Teilnehmer an der vereinbarten Stelle. Die Tiere befanden sich auf dem Boden, während die Vögel die Baumspitzen einnahmen, um dort das Einwerfen des Balls abzuwarten. Seitens der Tiere nahmen der Bär teil, dessen massiges Gewicht alle Gegner erdrücken konnte; der Hirsch, der alle anderen beim Laufen ausstach, sowie die Sumpfschildkröte, der auch die härtesten Schläge nichts ausmachten. Bei den Vögeln sah man den Adler, den Habicht und den großen Tlániwâ. Alle drei waren berühmt für ihre Schnelligkeit und Flugkunst.
Während die [Vögel] ihre Federn glätteten und jede Bewegung der Gegner unter ihnen beobachteten, bemerkten sie zwei kleine Kreaturen, die kaum größer als Mäuse waren. Sie kletterten den Baum herauf, auf dem der Anführer der Vögel saß. Als sie endlich oben waren, baten sie den Spielführer demütig, am Spiel teilnehmen zu dürfen. Der Anführer ließ seinen Blick eine Weile auf ihnen ruhen. Da er bemerkt hatte, daß sie beide Vierfüßler waren, fragte er sie, warum sie nicht bei den Tieren vorsprachen, wo sie rechtens hingehörten. Daraufhin erklärten die kleinen Wesen, dass sie dort bereits gewesen seien, aber nichts als Gelächter geerntet hätten und ob ihrer geringen Körpergröße zurückgewiesen worden seien.
Nachdem der Spielführer sich ihre Geschichte angehört hatte, fasste er den Entschluss, sich ihrer anzunehmen. Dem stand jedoch eine ernste Schwierigkeit entgegen: Wie konnten sie sich den Vögeln anschließen, da sie doch keine Flügel hatten? Adler, Habicht und die anderen setzten sich nun zusammen. Nachdem sie eine Weile hin- und hergeredet hatten, wurde beschlossen, Flügel für die Kleinen zu machen.
Aber wie sollte man die Sache angehen? Plötzlich hatte einer von ihnen eine gute Idee. Ihm war die Trommel eingefallen, die während des Tanzes geschlagen wurde. Die Bespannung bestand aus Leder vom Waldmurmeltier. Vielleicht konnte man davon eine Ecke abschneiden und für die Flügel verwenden. Kaum war der Vorschlag geäußert, als es auch schon an die Ausführung ging. Zwei Lederstückchen von der Trommelbespannung wurden zugeschnitten und an den Beinen eines der kleinen Tiere befestigt. Und so entstand Tlameha, die Fledermaus. Jetzt warf man einen Ball in die Höhe, den die Fledermaus fangen sollte. Sie verhielt sich beim Ausweichen und Umkreisen ungeheuer geschickt und hielt ihn dauernd in Bewegung, sodass er niemals zu Boden fiel. Bald hatte sie die Vögel davon überzeugt, in ihr einen äußerst wertvollen Verbündeten gewonnen zu haben.
Dann wandten sie ihre Aufmerksamkeit der anderen kleinen Kreatur zu. Jetzt wurde es noch schwieriger! Ihr gesamtes Leder war für die Flügel der Fledermaus aufgebraucht worden, und die Zeit war zu knapp, um weiteres Leder zu besorgen. In dieser schwierigen Situation fiel der Vorschlag, dass man womöglich Flügel erhalten könne, wenn man die eigene Haut des Tierchens etwas dehnte. Schon packten es zwei große Vögel von beiden Seiten mit ihren starken Schnäbeln und zerrten und zogen einige Minuten lang kräftig an seinem Fell. Tatsächlich gelang es ihnen, die Haut zwischen Hinter- und Vorderfüßen etwas zu dehnen. Endlich war es geschafft, und vor ihnen stand Tewa, das fliegende Eichhörnchen. Um es zu testen, warf der Anführer den Ball in die Luft. Mit einem eleganten Satz sprang das fliegende Eichhörnchen ihm nach, fing ihn mit seinen Zähnen und trug ihn durch die Luft zur nächsten Baumspitze in ein paar Meter Entfernung.
Als alles bereit war, nahm das Spiel seinen Anfang. Schon zu Beginn ergriff das fliegende Eichhörnchen den Ball und lief damit einen Baum hinauf. Von dort warf es ihn den Vögeln zu, die ihn eine zeitlang in der Luft hielten, aber schließlich doch zu Boden fallen ließen. Kurz bevor er dort aufschlug, ergriff ihn die Fledermaus. Sie wich so geschickt aus und war so schnell, dass nicht einmal das schnellste Tier sich ihr nähern konnte. Zuletzt warf sie ihn ins Tor und gewann so den Sieg für die Vögel.
Wegen ihrer Hilfe und Unterstützung in diesem Fall bittet jeder Ballspieler weiterhin die Fledermaus und das fliegende Eichhörnchen um Hilfe. Zu diesem Zwecke befestigt er ein kleines Stück Fledermausflügel an seinen Schlägern oder an dem Gestell, an das die Schläger während des Tanzes gehängt werden.
Quelle: Thomas Vennum: Das indianische Lacrosse-Spiel