Kreatives Lernmaterial zu Johannes Brahms

ARD Woche der Musik: Das Brahms-Experiment

Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 - Natur und Struktur | Hintergrund

Stand
Autor/in
Marco Weisbecker (Hessischer Rundfunk)

Die Sonatenhauptsatzform

Die Sonatenhauptsatzform (auch Sonatenform oder Sonatensatzform) findet sich in Sonaten und Sinfonien. Genauer gesagt im ersten Satz, dem Kopfsatz.

Überblick

Die Sonatenhauptsatzform besteht aus vier Teilen: Exposition, Durchführung, Reprise und Coda. Jeder dieser Teile hat eine ganz bestimmte Funktion.

Die Exposition ist die Eröffnung des Satzes. Sie stellt zwei kontrastierende Themen vor, nämlich das Hauptthema und das Seitenthema. Den Abschluss der Exposition bildet meist eine Schlussgruppe, die auch Epilog genannt wird. In der Regel wird die Exposition wiederholt, wodurch sich das thematische Material stärker einprägen kann. Danach folgt die Durchführung. In ihr verarbeitet der Komponist die beiden Themen und auch der Schlussgruppe. Nach der Durchführung folgt die Reprise. Die kannst du ganz einfach erkennen, denn sie wiederholt die Exposition in leicht veränderter Form. Am Ende steht dann noch eine Coda, die den Satz abschließt. In vielen Sinfonien der Wiener Klassik wird auch der Bereich von Durchführung bis Schluss noch einmal wiederholt.

Grafische Darstellung der Sonatenhauptsatzform mit Exposition, Durchführung, Reprise und Coda.
Die Sonatenhauptsatzform: Der Tonikabereich ist in blau dargestellt, der Dominantbereich (in Dur) bzw. der Tonikaparallelbereich (in Moll) in grau und die harmonische Freiheit und thematisch-motivische Verarbeitung in pink. Ebenso sind Hauptthema (HT), Seitenthema (ST) und Schlussgruppe (SG) verortet.

Die Exposition im Detail erklärt

Die Exposition stellt nacheinander zwei Themen vor: das Hauptthema und das Seitenthema. Beide Themen sind gegensätzlich, denn sie haben unterschiedlichen Charakter, Aufbau und unterschiedliche Harmonik.

Das Hauptthema ist meistens sehr energiegeladen und lebhaft. Im Vergleich dazu ist das Seitenthema eher ruhiger und lyrisch In solchen Fällen spricht man vom Themendualismus. Die Schlussgruppe kann neues thematisches Material enthalten, motivisch an das erste Thema anknüpfen oder eine motivische Synthese aus erstem und zweitem Thema darstellen. In Symphonien der späteren Romantik (z. B. bei Bruckners Sinfonien) entwickelt sich die Schlussgruppe sogar teilweise zu einem eigenständigen, vollwertigen 3. Thema, das in der anschließenden Durchführung mitunter eine beherrschende Rolle spielt.

Das erste Thema steht immer in der Grundtonart. Wenn die Grundtonart eine Dur-Tonart ist, steht das zweite Thema in der Dominanttonart. Die Grundtonart könnte zum Beispiel C-Dur sein. Dann steht das Hauptthema in C-Dur und das Seitenthema, sowie die Schlussgruppe in der Dominanttonart G-Dur.

Wenn die Grundtonart eine Moll-Tonart ist, stehen das Seitenthema und die Schlussgruppe in der parallelen Dur-Tonart. Die Grundtonart könnte zum Beispiel d-Moll sein. Dann steht das erste Thema in d-Moll und das zweite Thema in F-Dur. F-Dur ist nämlich die parallele Dur-Tonart von d-Moll. Zwischen dem Hauptthema und dem Seitenthema findet eine Modulation, also ein schleichender Tonartwechsel statt, sodass das Publikum kaum merkt, dass sich die Tonart ändert.

Traditionell wird die Exposition wiederholt, so dass man ihr Ende auch leicht an den Wiederholungszeichen erkennen kann. Seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts verzichten Komponisten immer häufiger auf eine Wiederholung der Exposition.

Die Durchführung im Detail erklärt

Die Durchführung folgt auf die Exposition. In ihr kann sich der Komponist musikalisch austoben, denn es gibt keinerlei formale Vorgaben. Trotzdem spielt in der Durchführung vor allem die Gegensätzlichkeit der beiden Themen wieder eine Rolle. Der Komponist verarbeitet in der Durchführung die Themen und entwickelt sie weiter. Dabei hat der Komponist die Freiheit entweder beide Themen, nur eines der beiden Themen, oder aber nur einzelne Motive der Themen zu verarbeiten. Deshalb spricht man auch von thematisch-motivischer Arbeit.

Der Komponist darf alles, was in der Exposition vorkam, beliebig verknüpfen. Außerdem können Teile der Themen in verschiedenen Tonhöhen wiederkehren. Sie können aber auch der Ausgangspunkt für neue Ideen sein, die der Komponist hier in der Durchführung dann direkt weiterentwickelt. Dabei hat der Komponist die Freiheit, sich in verschiedenen Tonarten zu bewegen. Er ist hier also nicht so eingeschränkt wie in der Exposition. Tonarten können zum Beispiel kurz angeschnitten, dann aber auch genauso schnell wieder verlassen werden. Am Ende der Durchführung steuert der Komponist in der Regel die Dominant-Tonart an, um mit genügend Spannung überzuleiten.

Die Reprise im Detail erklärt

Die Reprise folgt auf die Durchführung. Du kannst sie ganz einfach erkennen: Es gibt nämlich eine »doppelte Rückkehr«, die Rückkehr zum Beginn des Satzes und die Rückkehr zur Grundtonart. Jetzt steht aber nicht nur das Hauptthema in der Grundtonart, sondern auch das Seitenthema. Deshalb fällt die modulierende Überleitung, die du in der Exposition gesehen hast, in der Reprise weg. Stattdessen deutet der Komponist zumeist kurz in andere Tonarten an, um die Tonika, also die Grundtonart, wieder zu festigen und vollzieht somit die Einrichtung zum Seitenthema in der Tonika. Wenn du die Reprise hörst, weißt du, dass das Ende des Satzes nicht mehr weit entfernt sein kann.

Die Coda im Detail erklärt

Die Coda schließt die Sonatenform ab. Hier stellt der Komponist kein neues Material mehr vor. Oft ist die Coda nur ein kurzes Anhängsel an die Reprise.

Bei Ludwig van Beethoven ist die Coda jedoch meistens mehr als ein bloßes Ausklingen des Satzes. Die Coda hat in Beethovens Sinfonien nämlich oft den Charakter einer zweiten Durchführung. Genauso wie die Reprise das Gegenstück zur Exposition ist, kannst du in manchen Werken die Coda als das Gegenstück zur Durchführung sehen.

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Marco Weisbecker (Hessischer Rundfunk)