Mit mehr als 2.500 Arten sind Nagetiere (Rodentia) die artenreichste Ordnung der Säugetiere. Nagetiere haben dauerwachsende Schneidezähne, die sich beim Nagen permanent selbst nachschärfen. Ihre stark ausgeprägte Kaumuskulatur verleiht ihnen zusätzlich enorme Bisskraft.
Zahlreiche Arten, unterschiedliche Lebensräume
Etwa 40 Prozent aller Säugetiere sind Nagetiere. Mehr als 2.500 bekannte Nagetier-Arten besiedeln unterschiedlichste Lebensräume auf der ganzen Welt, von den tropischen Regenwäldern bis zu den Polarregionen. Wüstenspringmäuse leben in heißen Regionen Afrikas, Murmeltiere in kargeren Alpenregionen. Hierzulande haben sich Eichhörnchen an das Leben in den luftigen Höhen der Baumkronen angepasst. Waldmäuse bevorzugen das dichte Unterholz und Siebenschläfer finden die mittlere Waldetage wohnlich. Hamster fühlen sich in Kornfeldern wohl. Biber leben im und am Wasser. Obwohl nur sehr wenige Nagetiere Kulturfolger sind, prägen diese das Bild der gesamten Art. Mäuse und Ratten kommen überall dort vor, wo Menschen siedeln. Goldhamster und Meerschweinchen sind beliebte Haustiere. Viele Arten sind aber kaum erforscht und haben ein sehr eingeschränktes Verbreitungsgebiet.
Große Unterschiede beim Erscheinungsbild
Nagetiere gibt es in allen Größen - von winzig bis stattlich: Während eine Zwergmaus nur fünf Zentimeter misst, kann das größte lebende Nagetier, das Wasserschwein (Capybara), über einen Meter lang und bis zu sechzig Kilogramm schwer werden. Zwar ist die Mehrzahl der Nagetiere eher klein, hat kurze Beine und bewegt sich auf allen Vieren fort, ansonsten variiert ihr Erscheinungsbild aber stark: Kopf klein bis groß, Augen groß bis verkümmert und fellüberwachsen, Ohren groß bis fehlend, Beine kurz bis lang, Zehenzahl vier bis fünf/drei bis vier, Schwanz fehlend bis überkörperlang. Viele Nagetiere verfügen über einen ausgeprägten Geruchssinn, nur wenige über ein gutes Sehvermögen. Auch die Lebenserwartung ist sehr variabel. Viele Arten, vor allem die Kleinnager, erreichen nur ein Höchstalter von ein bis zwei Jahren. Ein Gegenbeispiel ist das Gewöhnliche Stachelschwein, das 12 bis 18 Jahre alt wird. Wegen der Vielfalt der Lebensräume und der höchst unterschiedlichen Formen im Körperbau lassen sich über Nagetiere nur wenige für alle gültige Aussagen treffen.
Gemeinsames Merkmal - vier Schneidezähne
Das charakteristischste gemeinsame Merkmal der Nager sind die vier vergrößerten Schneidezähne. Wie bei kaum einer anderen Säugetiergruppe ist der Schädel von Nagetieren auf eine Stärkung des Kauapparates ausgelegt. Nagetiere besitzen in Ober- und Unterkiefer jeweils zwei lange, ständig nachwachsende Schneidezähne. Da die Eckzähne fehlen, weist ihr Gebiss zwischen Schneide- und Backenzähnen eine Lücke auf. Die Zahnvorderseite ist von einer sehr harten Zahnschmelzschicht überzogen. Die Zahnhinterseite besteht nur aus dem weicheren Zahnbein (Dentin). Diese weichere Schicht nutzt sich beim Nagen schneller ab als die harte Vorderschicht. Durch die ungleiche Abnutzung entsteht eine sehr scharfe Schnittkante, die beim Nagen automatisch nachgeschärft wird. Da die Zähne ständig nachwachsen, müssen Nagetiere auch ständig nagen, um ihre Zähne auf der richtigen Länge und scharf zu halten. Sie nagen also nicht nur, wenn sie Hunger haben, sondern aus einem angeborenen Nagetrieb, der die Zähne so kurz wie nötig hält. Fehlt die natürliche Abnutzung können gefährliche Missbildungen entstehen. Dabei können die Nagezähne spiralförmig aus der Mundhöhle herauswachsen und unbenutzbar werden.
Tiere mit Biss – vielseitige Ernährung als evolutionärer Vorteil
Ihre starke Kaumuskulatur verleiht Nagetieren eine enorme Bisskraft. So kann das Eichhörnchen auch die härteste Nuss knacken. Der Nacktmull - ein kleines unterirdisch lebendes afrikanisches Nagetier - kann sich mit seinen Schneidezähnen durch dichtes Erdreich graben. Sie liegen äußerlich, damit keine Erdkrümel in sein Maul gelangen. So kann er bei den Grabarbeiten das Maul geschlossen halten. Der Biber - das größte Nagetier Europas - kann einen Baum mit zwölf Zentimetern Durchmesser in einer halben Stunde fällen.
Nicht alle, aber die meisten Nagetiere sind Pflanzenfresser. Sie konsumieren Gräser, Blätter, Früchte, Samen und Nüsse, aber auch Zweige, Rinde, Wurzeln und Knollen. Einer der Hauptgründe für ihren evolutionären Erfolg ist vermutlich der Umstand, dass Nagetiere einerseits Pflanzenfresser, andererseits überwiegend klein sind. Die meisten anderen pflanzenfressenden Säuger sind deutlich größer. Da sich Nagetiere vielseitig ernähren, wird die Nahrung für sie nur selten zum Problem. Bei guter Ernährungslage können deshalb manche der Fortpflanzungsfreudigen Kleinnager zu großen Bestandsdichten gelangen. Vor allem Mäuse und Ratten verursachen in vielen Ländern alljährlich wirtschaftlich bedeutsame Verluste an Getreide.