Holzwirtschaft
Vor etwas mehr als tausend Jahren war der Schwarzwald ein scheinbar undurchdringlicher Urwald - ein Mischwald: Buchen, Ahorn und Eichen standen gemeinsam mit Tannen, Kiefern und zunehmend Fichten von den Tälern bis zu den höchsten Erhebungen. Um den Schwarzwald als Siedlungsraum zu erschließen, gab es zunächst nur eine Devise: Der Wald muss weg.
Holzwirtschaft
Im Mittelalter wird in den Ebenen der Siedlungsraum knapp. Das Klima hat sich verbessert und, da sich mit dem Einsatz des Pfluges auch die Anbautechniken verbessern, werden auch höher gelegene Flächen für die Ansiedlung von Bauern interessant.
Holz ist zu dieser Zeit der wichtigste Rohstoff. Aus ihm wird Energie gewonnen und er ist Baumaterial. Aus Holz werden Geräte, Geschirr, Vorratsbehälter, Maschinen, Schiffe und vieles mehr hergestellt. Und Holz hat der Schwarzwald reichlich zu bieten. Ein Teil des Holzes wird vor Ort verbraucht: in den Bergwerken und Erzschmelzen, zur Gewinnung von Holzkohle; bei der Glasherstellung, zum Bau der mächtigen Schwarzwaldhöfe. Viel Holz aber geht über Bäche und Flüsse in die näher gelegenen Städte und Dörfer der Ebenen und weiter bis an die Küsten nach Rotterdam und Amsterdam. Es gibt kaum eine bessere Methode für den Holztransport als die Nutzung der im Schwarzwald reichlich vorhandenen Wasserwege. Bäche und Flüsse werden gestaut, Brenn- und Bauholz in die entstandenen Seen geworfen und dort entweder zu Flößen gebunden oder – so geschieht es vor allem mit Brennholz – einfach bachabwärts geschwemmt.
Die riesigen Holländertannen aus dem Schwarzwald werden zu Flößen zusammengebunden und gelangen über den Rhein bis nach Holland. Dort sind sie als Baumaterial für Schiffe und auch für den Städtebau sehr begehrt: Amsterdam steht auf Tausenden von Schwarzwaldtannen im sumpfigen Grund. Für die Flößer auf dem Rhein haben die Tannen noch einen weiteren Nutzen: Tannenholz ist leichter als Eichenholz und schwimmt besser. Kombinierte Flöße sind besser zu steuern.
Nahezu waldlos – der Schwarzwald Anfang des 19. Jahrhunderts
Schon im ausgehenden 17. Jahrhundert beklagen manche Orte, dass für die Glasbläser oder die Holzwirtschaft der Rohstoff knapp wird. Altensteig protestiert 1748 bei der Stuttgarter Regierung, der Holzhandel habe die Waldungen »zu bloßen Einödien gemacht, aus denen unsere Kinder und Kindeskinder kein Scheit Holz mehr ziehen können.« Ende des 18. Jahrhunderts hat die extensive Nutzung des Waldes die Waldflächen im Schwarzwald stellenweise bis auf 10 % zurückgehen lassen. Das Ende der Leibeigenschaft begünstigt diese Entwicklung: Viele Bauern machen den Wald, der nun ihnen gehört, zu Geld und wandern in günstiger gelegene Gegenden aus. Die Folgen sind verheerend: An den kahlen Hängen wird der Humus weg geschwemmt und in den Tälern steigt die Hochwassergefahr.
Um diese Zeit entdeckt die Romantik den deutschen Wald. Die ersten Touristen brechen in die idyllisch gepriesenen Landschaften auf. In Preußen prägt ein Forstrat den Begriff der „Nachhaltigkeit“. Er erklärt, „wild wachsende Bäume und Sträucher seien ebenso zu pflegen wie Blumen und Nutzpflanzen in den Gärten“. Die Wiederaufforstung wird schnell zur Staatsangelegenheit. Nicht nur das Fehlen des wichtigen Rohstoffs gibt dabei den Ausschlag – den adligen Grundbesitzern fehlen auch die Wälder, um einer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, dem Jagen.
Die Regierung greift mit drastischen Aufforstungsprogrammen ein: Brach liegende Flächen werden aufgeforstet, Bauern, die sich weigern, Flächen für die Aufforstung zur Verfügung zu stellen, werden enteignet. Die mühsam erworbenen Rechte der Bauern, ihr Vieh in den Wäldern zu weiden, um die satten Wiesen für das Winterfutter zu schonen, Brennholz zu sammeln oder die Streu für die Ställe aus dem Wald zu holen, werden eingeschränkt; das zwingt viele arme Bauern zum Aufgeben. Höfe, die keine Erben haben, werden abgerissen und an ihrer Stelle wird Wald gepflanzt. Ein neuer Berufszweig entsteht: der staatlich angestellte Förster. Er ist bei den Bauern selten beliebt, denn er verhängt drakonische Strafen gegen Zuwiderhandlungen gegen die Forstauflagen.
Der Schwarzwald früher und heute
Im Lauf der Jahrhunderte verändert der Schwarzwald sein Gesicht und wird zu dem Wald, den wir heute kennen. Denn statt des ursprünglichen Mischwaldes werden schnell wachsende Fichten gesetzt, die schon als junge Bäume wirtschaftlich genutzt werden können. Heute ist der Schwarzwald bis zu 70 % bewaldet, im Nordschwarzwald teilweise bis zu 90 %. Und es hat wieder ein Umdenken stattgefunden: Das Waldsterben und zuletzt die verheerenden Schäden durch den Orkan Lothar 1999 haben gezeigt, dass die Fichtenmonokultur Probleme bringt. Und auch die Verwaldung, die dort passiert, wo Landwirte die Bewirtschaftung ihrer Flächen aufgeben, hat manche Gemeinde in Schwierigkeiten gebracht: Gerade für den Tourismus sind offene Landschaften förderlich, in denen man von den Hügeln einen Blick in die Umgebung werfen kann.
Die charakteristische Kulturlandschaft mit ihrem Wechsel von Wald und offenen Flächen ist heute ebenso bedroht wie der Lebensraum von Arnika und Auerhuhn. Mit millionenschweren Projekten und ehrenamtlichen Arbeitseinsätzen versucht man, die historischen Hochweiden vor dem nachwachsenden Wald zu schützen. Heute grasen Rinder, Schafe und sogar Ziegen als »Landschaftspfleger« an den Hängen. Die Weideprojekte haben weitreichende positive Auswirkungen: Sie bewahren »Hinterwälder« und »Vorderwälder«, die alten, genügsamen Rinderrassen aus den Hochlagen des Schwarzwalds vor dem Aussterben, die mit der Hochleistungs-Milchkuh nicht mithalten konnten. Wirte und Köche unterstützen diese Projekte, weil sie erkannt haben, dass die typische Schwarzwaldlandschaft ihren Menüs erst die richtige Würze gibt; und mancher Rinderhalter, der am Milchpreis verzweifelt, findet damit neue Absatz- und Überlebenschancen.