Unterricht in Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren/Förderschulen
Die Filmreihe „Der Krieg und ich“ ist auch ohne historisches Vorwissen verständlich und setzt durchgängig auf eine einfache erklärende Sprache. Daher bietet sie sich besonders für Lehrkräfte an, die an Schulen mit Förderschwerpunkt Lernen das Thema Nationalsozialismus behandeln.
Empfehlenswert für diese Zielgruppe sind vor allem die Episoden 1: Anton, 7: Justus und 8: Eva.
Mit diesen drei Episoden lassen sich die folgenden Themen behandeln:
• Entwicklung des Nationalsozialismus seit dem Ende des Ersten Weltkriegs
• Nationalsozialistische Idee und Führerkult
• NS-Erziehung, NS-Jugendorganisationen
• Judenverfolgung und Holocaust
• Zweiter Weltkrieg
• Kriegsende
• Erinnerungskultur
Durch die fiktive Handlung der Episoden können sich die Schülerinnen und Schüler gut in die historische Situation hineinversetzen. Im Anschluss fällt es ihnen leichter, sich mit echten historischen Dokumenten wie historischen Fotos und Zitaten auseinanderzusetzen.
Der Protagonist in Episode 7, Justus, ist 15 Jahre alt, die Protagonistin Eva in Episode 8 ist 14, ihre Freundin Renata 16. Damit bieten diese beiden Filme Identifikationsfiguren im Alter der Zielgruppe des Unterrichts. Lediglich Anton, der Protagonist in Episode 1, ist erst zehn Jahre alt. Daher empfiehlt es sich, bei der Ankündigung der Unterrichtsreihe bereits auf alle drei Protagonisten und ihr jeweiliges Alter hinzuweisen. Dadurch fällt es den Schülerinnen und Schülern in Klasse 8 bis 9 vermutlich leichter, sich auf die erste Episode zu Anton inhaltlich einzulassen.
Für alle drei Filme gibt es auch Unterrichtsvorschläge für eine jüngere Zielgruppe (Klasse 4–8). Dabei wird zu jedem Film ein Steckbrief der Protagonistin/des Protagonisten erstellt. Außerdem gibt es ein Glossar, das die historischen Begriffe noch einmal erklärt. Beides kann jeweils für den Einstieg in die Filme auch für den Förderunterricht älterer Jahrgangsstufen genutzt werden. Auch die Anregungen zu Reflexion und Transfer auf die Situation heute können zum Abschluss der jeweiligen Episode von dem Unterrichtsansatz für allgemeinbildende Schulen in Klasse 5/6 übernommen werden.
Die Arbeitsblätter bauen nicht aufeinander auf und können den Bedürfnissen der Lerngruppe entsprechend flexibel eingesetzt werden.
Einsatz filmischer Mittel
Fächer
• Bildende Kunst
• Medienerziehung
Klassenstufen
• ab Klasse 8, alle Schularten
Bildsprache - filmische Elemente
Die Filmreihe „Der Krieg und ich“ hat eine besondere Bildsprache. In drei Schritten können Schülerinnen und Schüler sich mit den filmischen Elementen der Reihe auseinandersetzen und so ein Gespür für ihre Wirkung entwickeln. Dabei schließt sich die Unterrichtseinheit am besten an die inhaltliche Auseinandersetzung mit mindestens einem Film an.
In den Filmen werden insgesamt fünf filmische Elemente eingesetzt:
● Spielszenen – fiktive Handlungen gedreht mit Schauspielerinnen und
Schauspielern,
● Modellwelt – nachgestellt mit Figuren,
● historisches Bildmaterial (Archivfilm und -fotos),
● Landkarten,
● „Chorus“: Collagen aus historischen Brief-Zitaten, Fotos und Bewegtbild.
Diese fünf Elemente sind mit Bedacht miteinander verwoben: Im Mittelpunkt jeder Folge steht die jeweilige fiktive Handlung, gedreht mit Schauspielerinnen und Schauspielern. Die Protagonistinnen und Protagonisten sind zwischen zehn und 15 Jahre alt, die jungen Zuschauerinnen und Zuschauer fühlen mit ihnen und ihren Geschichten. Es sind Erlebnisse im Krieg, und naturgemäß erzählen sie auch von Angst, Leiden und harten Schicksalsschlägen.
Damit die junge Zielgruppe davon emotional nicht überfordert wird, wählen die Filmemacher einen Kunstgriff: Immer wieder werden Teile der Geschichte eines Protagonisten beziehungsweise einer Protagonistin über eine Modellwelt dargestellt. Damit erzielen die Macher gleich einen doppelten Effekt: Zum einen schafft dies kurzzeitig eine innere Distanz und emotionale Entlastung beim Publikum; zum anderen verleihen die Modellfiguren der individuellen fiktiven Geschichte ein Gefühl von Allgemeingültigkeit. Sie bilden dadurch eine Art Brücke zwischen der Fiktion und den realen historischen Bildern, die von „echter“ Geschichte erzählen.
Landkarten verorten die Geschichte. Hinzu kommt noch, ergänzend, ein fünftes Element, der Chorus: Collagen aus Brief-Zitaten von Kindern und Jugendlichen aus der Zeit, illustriert mit historischen Fotos und mit Spielszenen. Diese Collagen schlagen – ähnlich wie die Modellwelt – eine weitere Brücke zwischen historischer Realität und Fiktion: Die von den Filmemachern als „Chorus“ bezeichneten Szenen sind inhaltlich eng verzahnt mit der fiktiven Handlung, orchestrieren diese. Gleichzeitig geben sie der „echten“ Geschichte ein Gesicht, ermöglichen Empathie mit realen historischen Personen.
Die Schülerinnen und Schüler sollen diese verschiedenen Elemente nicht nur kennenlernen, sondern auch ein Gefühl für ihre Funktion und ihre Wirkungsweise bekommen.
Einsatz im Unterricht
Einstieg: Film und besondere Bildsprache
Bevor eine Episode der Reihe angesehen wird, kann die Lehrkraft den Schülerinnen und Schülern den Auftrag erteilen, besonders auf die Bildsprache zu achten, die im Film verwendet wird. Nach dem Sichten des Films, fragt die Lehrkraft zunächst im Klassengespräch nach den filmischen Elementen, die den Schülerinnen und Schülern in Erinnerung geblieben sind. Vermutlich erinnert sich die Klasse nicht an alle fünf Elemente.
Erarbeitung: Kennenlernen der filmischen Elemente
Mithilfe von fünf Karten (Arbeitsblatt 9a: Filmische Elemente) befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit den fünf filmischen Elementen der Reihe. Die Aufgabe kann sowohl als Einzel- als auch als Partnerarbeit angeboten werden.
Arbeitsblatt 9a: Filmische Elemente
Beschreiben, wann die fünf verschiedenen filmischen Mittel "Drama", "Modellwelt", "Karte", "Archivmaterial" und "Chorus", die in der Filmreihe "Der Krieg und ich" eingesetzt werden und wie sie aussehen.
Transfer: Wirkung der filmischen Elemente
Im nächsten Schritt untersuchen die Schülerinnen und Schüler Funktion und Wirkung der filmischen Elemente. (Arbeitsblatt 9b: Wirkung filmischer Elemente)
Wird damit eine fiktive Geschichte abgebildet? Oder geht es um historische Tatsachen? Fühlen die Kinder bei dem filmischen Element mit oder bleiben sie gefühlsmäßig eher neutral? In Partnerarbeit ordnen die Schülerinnen und Schüler die einzelnen Elemente den beiden Dimensionen zu.
Arbeitsblatt 9b: Wirkung filmischer Elemente
Auseinandersetzung mit der Wirkung filmischer Elemente. Einordnung von Bildern verschiedener Szenen in die Rubriken: "Zuschauer kann gut mitfühlen" und "Zuschauer bleibt eher neutral" sowie die Spalten "ausgedachte Geschichte" und "echte Geschichte".
Abschluss: Urteil
Im abschließenden Klassengespräch sollen die Schülerinnen und Schüler begründen, warum ihnen die Machart der Filmreihe gefällt, beziehungsweise missfällt.
Phase | Inhalt | Sozialform | Material |
---|---|---|---|
Einstieg | Ansehen eines Films der Reihe; Gespräch über besondere Bildsprache | Plenum | PC / Beamer / Lautsprecher |
Erarbeitung | Kennenlernen der filmischen Elemente | Einzel- oder Partnerarbeit | PC / Beamer / Lautsprecher Arbeitsblatt 9a: Filmische Elemente |
Transfer | Wirkung der filmischen Elemente | Partnerarbeit | Arbeitsblatt 9b: Wirkung filmischer Elemente |
Abschluss | Urteil | Plenum |
Historisches Lernen macht Kinder stark für Gegenwart und Zukunft
Die Filmreihe „Der Krieg und ich“
Wann haben Sie mit Kindern oder Schüler*innen zuletzt ein ernstes Gespräch geführt? Nicht darüber, woher die Babys kommen und die verschiedenen Verhütungsmethoden, nicht über die Gefahren des Internets und die Möglichkeiten von Smartphones, nicht über den Missbrauch von Suchtmitteln und die Bedeutung von Verzicht – sondern über Hitler und die Zeit des Nationalsozialismus? Das erscheint für viele ein mindestens genauso heikles wie tabuisiertes Thema zu sein. Dabei gehört diese Zeit untrennbar zum kulturellen Selbstverständnis, zur Geschichte und politischen Verantwortung Deutschlands.
Kinder begegnen dieser Geschichte an Gedenkorten diversen Medien, Gesprächen mit Erwachsenen und Gleichaltrigen. Sie verfügen bereits in der Grundschule über ein Wissen bzw. eigene Vorstellungen und Ideen über den Nationalsozialismus, deren Akteure, Ereignisse, die Verbrechen. Eine Auseinandersetzung damit bedeutet, sich an ein Gestern zu erinnern, über das Leben im Heute nachzudenken und es für ein Morgen zu bewahren. Aus dieser historischen Erfahrung erwächst die Verantwortung für Freiheit und ein Miteinander in Vielfalt und Frieden - und es sich in den nachfolgenden Generationen immer wieder bewusst zu machen, die Freiheit zu bewahren und zu verteidigen gegen die Feinde unserer freiheitlich-liberalen Demokratie. Deswegen gilt es, historisches Wissen früh aufzugreifen, zu vermitteln, zu erweitern und einzuordnen. Es soll Kinder stark machen, damit sie aktiv an demokratischen Prozessen teilhaben und diese mitgestalten können. Zugleich werden Kinder gestärkt, indem ihre demokratische Resilienz gefördert wird. Darunter versteht Edler (2017)* die Fähigkeit, dass jedes Kind seinen eigenen Weg ohne blinde Unterwerfung unter eine Autorität bestimmt.
In der Filmreihe „Der Krieg und ich“ werden Mechanismen und Folgen von Gewaltherrschaft und Krieg aus unterschiedlichen Perspektiven von Kindern und jungen Menschen aus ganz Europa zur Zeit des Nationalsozialismus anschaulich vermittelt. Als roter Faden wird die Handlung aus Sicht einer zentralen kindlichen / jugendlichen Identifikationsfigur erzählt, während verschiedene Ebenen der Darstellung diese Perspektive mit Wissen anreichern und gleichzeitig eine sachliche Distanz ermöglichen in teilweise hoch emotionalen Situationen: Modelllandschaften, Originalaufnahmen, Zeitzeugnisse von Kindern und Jugendlichen. Diese Filme stellen einen ausgezeichneten Ausgangspunkt dar, um differenziertes Wissen zu erwerben und gemeinsam weiter über aktuelle Bezüge und Handlungsmöglichkeiten nachzudenken.
*Edler, Kurt (2017) Demokratische Resilienz. Schwalbach/Ts.: Debus Pädagogik
Sonderheft: Der Krieg und ich - Begleitmaterial für den Unterricht
Heft "Der Krieg und ich" zur Reihe. Übersicht über Filminhalte, Bezug zum Bildungsplan, Übersicht über alle Filme, Unterrichtvorschläge für verschiedene Schularten, Arbeitsblätter zu allen Filmen, Glossar.
Übersicht über die Episoden und Themen
Episode: 1
Protagonist: Anton
Alter: 10
Jahr: 1938/39
Land: Deutschland
Historisches Thema: Hitlers Weg zur Macht / Hitlerjugend
Bezug zu heute: Gruppenzugehörigkeit
Verständlichkeit: mittlere Schwierigkeitsstufe
Emotionale Belastung: mittelstark
Episode: 2
Protagonist: Fritjof
Alter: 11
Jahr: 1940
Land: Norwegen
Historisches Thema: Alltag unter Deutscher Besatzung/ Widerstand gegen Besatzer
Bezug zu heute: Fremdbestimmt leben/Wert von Freiheit
Verständlichkeit: leicht verständlich
Emotionale Belastung: mittelstark
Episode: 3
Protagonist: Sandrine
Alter: 12
Jahr: 1942
Land: Frankreich
Historisches Thema: Résistance und Kollaboration
Bezug zu heute: Einstehen für seine Ideale/
Zivilcourage
Verständlichkeit: mittlere Schwierigkeitsstufe
Emotionale Belastung: mittelstark
Episode: 4
Protagonist: Calum
Alter: 14
Jahr: 1941
Land: Großbritannien (Schottland)
Historisches Thema: Bombenkrieg
Bezug zu heute: Verlust sozialer Werte
Verständlichkeit: komplex
Emotionale Belastung: stark
Episode: 5
Protagonist: Romek
Alter: 10
Jahr: 1942
Land: Polen
Historisches Thema: Leben im Ghetto
Bezug zu heute: religiöse Diskriminierung
Verständlichkeit: komplex
Emotionale Belastung: stark
Episode: 6
Protagonist: Vera
Alter: 10
Jahr: 1942/43
Land: Sowjetunion
Historisches Thema: Belagerung Stalingrads
Kriegswaisen
Bezug zu heute: Flucht und Ankommen in neuer Heimat
Verständlichkeit: leicht verständlich
Emotionale Belastung: stark
Episode: 7
Protagonist: Justus
Alter: 15
Jahr: 1945
Land: Deutschland
Historisches Thema: Kinder werden in der Hitlerjugend zu Soldaten herangebildet, an die Front geschickt
Bezug zu heute: Kindersoldaten
Verständlichkeit: mittlere Schwierigkeitsstufe
Emotionale Belastung: mittelstark
Episode: 8
Protagonist: Eva
Alter: 14
Jahr: 1944
Land: Tschechische Republik
Historisches Thema: Auschwitz / Zwangsarbeit und Befreiung
Bezug zu heute:Repression, Verfolgung
Verständlichkeit: komplex
Emotionale Belastung: sehr stark
Infoblatt: Übersicht über die Episoden und Themen
Tabelle mit Übersicht über alle Folgen der Reihe "Der Krieg und ich", deren Themen, Hauptrollen, Bezügen zu heute, Verständlichkeit, emotionalen Belastungen etc...