Die Reformation im 16. Jahrhundert war die Grundlage dafür, dass Fürsten sich zu einem anderen Glauben bekennen konnten und der Katholizismus nicht mehr alternativlos war. Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 erhielten Katholiken und Lutheraner das Recht, in Territorien ihres Glaubens auswandern zu dürfen. Dies führte seit Beginn des 16. Jahrhunderts zu einem wachsenden Strom von Exulanten. Als Exulanten werden die meist protestantischen Glaubensflüchtlinge des 16. bis 18. Jahrhunderts bezeichnet, die wegen ihres
religiösen Bekenntnisses aus ihrer Heimat vertrieben wurden.
In Preußen suchten französische Hugenotten eine neue Heimat, aus den Niederlanden kamen Calvinisten und Waldenser auf deutsches Territorium. Nach den großen Pestepidemien stiegen die Bevölkerungszahlen in deutschen Landen insgesamt wieder an: von 12 Millionen um 1500 auf 15 Millionen Menschen um 1600.
Mit dem Augsburger Religionsfrieden waren zwar die lutherischen Territorien anerkannt, jedoch tolerierten viele Herrscher die aus der Reformation hervorgegangen Glaubensrichtungen außerhalb der Reichsgrenzen, wie die der Waldenser oder die der Calvinisten, nicht. Die Habsburger unter Karl V. und König Philipp II. waren Verfechter der etablierten Kirchen und entschiedene Gegner der Reformation. Sie versuchten reformatorische Strömungen durch Repressalien, Folter und Todesstrafe infolge von Ketzerei zurückzudrängen. Diese rigorosen Maßnahmen beflügelten jedoch die Radikalisierung der Opposition und verhalfen reformatorischen Glaubensrichtungen wie beispielsweise dem Calvinismus zu einer raschen Verbreitung in den Niederlanden und in Frankreich.
Umso mehr Zuspruch der Calvinismus erhielt, desto mehr wurden die vermeintlichen Ketzer verfolgt und wirtschaftlich schikaniert. Geschätzte 100.000 Niederländer, insbesondere aus dem Süden der Niederlande, wo die spanischen Landesherren den Katholizismus unterstützen, verließen ihre Heimat und kamen ab Mitte des 16. Jahrhunderts in deutsche Herzogtü-mer.
Viele ließen sich in größeren Städten wie Augsburg und Nürnberg, in Nord- und Mittel-deutschland oder in der Kurpfalz nieder. Die Kurpfalz war prädestiniert für Glaubensflüchtlinge: Grund dafür war, dass sie es dort besonders leicht hatten, eigene Niederlassungen zu gründen. Hier gab es kaum Beschränkungen, kein alteingesessenes Zunftbürgertum, das den Neulingen Vorschriften machte.
In einigen Städten der Kurpfalz stellten die niederländischen Immigranten einen erheblichen Anteil an der Bevölkerung dar. Die meisten waren Calvinisten, jedoch kamen auch Lutheraner und Waldenser. Bedeutende Fremdengemeinden etablierten sich unter anderen in Frankenthal, Schönau im Odenwald, Heidelberg und Neustadt. Zur Zeit der Reformation lebten höchstens 20 Prozent der Bevölkerung auf der Fläche des heutigen Deutschlands in Städten, die meist nicht mehr als 2.000 Einwohner hatten. Die große Mehrheit war auf dem Land, in Dörfern und Einzelgehöften ansässig. Entstanden waren die meisten der 3.000 Städte zwischen 1150 bis 1450; im 16. Jahrhundert entstanden Neugründungen meist nur durch den Bergbau oder durch die Ansiedlung von Glaubensflüchtlingen wie in der Kurpfalz. Die meisten Flüchtlinge stammten eher aus unteren sozialen Schichten – Bauern, Bergleute und Handwerker. Diese kurbelten jedoch die heimische Wirtschaft an und verhalfen der Region zu wirtschaftlichem und kulturellem Aufschwung.
Kurfürst Ottheinrich hatte erst spät, im Jahr 1557, die lutherische Reformation in der Kurpfalz eingeführt, doch seitdem gehörte die Aufnahme reformierter Glaubensflüchtlinge dort zur politischen Tradition. Unter Ottheinrichs Nachfolger, Friedrich III., breitete sich der Calvinismus in der Kurpfalz weiter aus: Die Kirchen wurden sparsamer ausgestattet – Altäre, Bilder, Kruzifixe und andere Dinge verschwanden. Als Friedrichs ältester Sohn Ludwig VI. die Macht übernahm, führte er das Fürstentum wieder zum Luthertum zurück. Doch nur für kurze Zeit: Danach wurde die Kurpfalz erneut recalvinisiert und während des Dreißigjährigen Krieges rekatholisiert.
Nicht nur die Glaubensflüchtlinge trugen ihren Teil dazu bei, das die Wirtschaft prosperierte, sondern auch der seit dem 15. Jahrhundert beginnende Handelskapitalismus. Die deutsche Wirtschaft war in Europa führend und stand im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts in ihrem Zenit. Die Gewerbezentren Augsburg, Ulm und Nürnberg liefen Italien und den Niederlanden - als renommierte Handelsstädte des Frühkapitalismus - den Rang ab. Mächtige Kaufmannsfamilien aus Süddeutschland wie die Fugger und Welser gründeten ihre Macht und ihren Reichtum auf mehreren Säulen: Der Textilproduktion, der Metallerzeugung, dem Bergbau, dem Fernhandel und dem Bankwesen.
Durch ihre Kreditvergabe an die Habsburger unterstützen die Kaufmannsfamilien auch die katholische Kirche und finanzierten die Kriege gegen die Protestantischen Stände, wie beispielsweise im Schmalkaldischen Krieg von 1546/47. Das Zeitalter der Reformation war geprägt von der engen Verzahnung von Politik und Kirche und damit einhergehender Veränderungen in der Bevölkerungszusammensetzung sowie der Veränderung hin zu einer frühkapitalistischen Gesellschaft.