NS-Täter vor Gericht · Die Rastatter Prozesse | Unterricht

Stand
Autor/in
Eva Kell


Themen
• Nationalsozialismus
• Zweiter Weltkrieg
• Konzentrationslager
• Kriegsverbrecher
• Verbrechen gegen die Menschlichkeit
• Gestapo
• Alliierte
• Kontrollratsgesetz

Fächer
• Geschichte
• Projektunterricht
• Stationenlernen

Klassenstufen
• ab Klasse 9, alle Schularten

Spielszene: Chefankläger Joseph Granier (Hendrik Heutmann) vor der Richterbank.
Spielszene: der Chefankläger bei den Rastatter NS-Prozessen, Joseph Granier, dargestellt von Hendrik Heutmann

Didaktische Hinweise zur Dokumentation und zum Arbeitsmaterial

Die Dokumentation eignet sich sowohl für den Einsatz in der Klassenstufe 9 als auch in der gymnasialen Oberstufe. Die NS-Verbrechen, ebenso wie die Entnazifizierung, sind jeweils Bestandteile der Lehrpläne. Exemplarisch geht es in dem Film um die Prozesse gegen die Täter in den NS-Lagern Neue Bremm, Natzweiler-Struthof und Schirmeck, die jeweils unterschiedliche Aspekte des NS-Terrors ausmachten (Arbeitsblatt 1).
Hervorgehoben werden dabei einzelne Täter und deren Biografien sowie im Prozess Verantwortliche in ihrer Funktion als Ankläger (Staatsanwalt Joseph Granier) oder als Pflichtverteidigerin (Helga Kloninger). Der exemplarische Ansatz kann im Unterricht schwerpunktmäßig verfolgt werden.

Möglich ist auch ein multiperspektivisches Vorgehen. Arbeitsteilig kann die Sichtweise jeder Personengruppe untersucht und beurteilt werden (Arbeitsblatt 2). Hinzu kommt die eigene Perspektive, die Auseinandersetzung mit der Dokumentation und ihren filmischen Mitteln. Dies geschieht sowohl analytisch – dekonstruierend – als auch auf der emotionalen Ebene (Arbeitsblatt 3). Gerade die Hinrichtungsszene kann spontane emotionale Reaktionen auslösen.

Spielszene: Verteidigerin Helga Kloninger spricht vor Gericht.
Helga Kloninger (Stefanie Bruckner) ist Pflichtverteidigerin bei den Rastatter Kriegsverbrecher-Prozessen

Ein weiterer Unterrichtsschwerpunkt wäre es, die Rastatter Prozesse unter dem Aspekt der Entnazifizierungspolitik der Besatzungsmächte (und zwar speziell Frankreichs) zu beleuchten: Ging es um Aufklärung, um die Wiederherstellung der Zivilisation? Nahmen die Besatzer Revanche? (Arbeitsblatt 4).

Recherchen zu weiteren Prozessen gegen NS-Täter (Nürnberger und Dachauer Prozesse) können die Sach- und Beurteilungskompetenz deutlich erweitern. Der Gegenwartsbezug lässt sich mit einer Recherche zu den letzten Prozessen gegen NS-Täter herstellen. Daran schließt sich eine Diskussion über den Umgang mit „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ an, die es auch heute noch gibt. Thematisiert wird auch die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag. (Arbeitsblatt 5).

Spielszene: Nikolaus Drokur beim Prozess.
Spielszene: Nikolaus Drokur war Wachmann im Lager Neue Bremm. Er wird zum Tode verurteilt Bild in Detailansicht öffnen
Zuschauerinnen beim Prozess in Rastatt.
Spielszene: Alle Prozesse gegen das Personal der Lager finden öffentlich statt Bild in Detailansicht öffnen
Joseph Granier in Uniform hält ein Foto hoch.
Spielszene: Chefankläger Joseph Granier präsentiert Fotos als Beweismittel Bild in Detailansicht öffnen

Bezug zu den Bildungsplänen

Baden-Württemberg:

Im gemeinsamen Bildungsplan der Sekundarstufe I [Bildungsplan 2016, Geschichte, S. 35] wird für die Klassenstufe 9 unter dem Themenkomplex „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg – Zerstörung der Demokratie und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ das zentrale Thema der Dokumentation direkt angesprochen. Die Standards für inhaltsbezogene Kompetenzen formulieren als Lernziel, dass Schüler*innen „die sich aus den nationalsozialistischen Verbrechen ergebende Verantwortung begründen (Schuld, Verantwortung)“ sollen.

Für die Gymnasien wird das Lernziel etwas erweitert: „die sich aus der Singularität der nationalsozialistischen Verbrechen ergebende Verantwortung begründen (Schuld, Mitschuld, „Schlussstrich“, Verantwortung)“ [Bildungsplan des Gymnasiums, 2016, Geschichte, S. 28/29]. In der gymnasialen Oberstufe wird im zweistündigen Kurs im Halbjahr 11/2 das Thema „Diktaturen im 20. Jahrhundert als Gegenentwürfe zur parlamentarischen Demokratie“ unterrichtet. Darunter fällt die Anforderung „Machterwerb und Herrschaftspraxis des Nationalsozialismus [zu] analysieren und [zu] bewerten“, „den Zweiten Weltkrieg [zu] charakterisieren und [zu] bewerten“. Entsprechendes gilt für den vierstündigen Kurs [Bildungsplan des Gymnasiums, 2016, Geschichte, S. 40–43].

Rheinland-Pfalz:

Der Rahmenplan Gesellschaftslehre für die Integrierten Gesamtschulen und die Realschulen plus für Klassenstufe 7-10 sieht im Tableau für Klassenstufe 9 das Thema „Totalitäre Herrschaft am Beispiel des Nationalsozialismus“ [Rahmenlehrplan 2011, S. 40] vor. Unter den zu erwerbenden Kompetenzen wird aufgeführt: „Die Schülerinnen und Schüler erläutern Auswirkungen totalitärer Systeme auf die Lebensbedingungen der Menschen“ unter der Leitfrage „Wie können universelle Menschenrechte verwirklicht werden?“ Inhaltliche Vorschläge dazu sind die Themen Zwangsarbeit, Ausgrenzung, Unterdrückung und Vernichtung, System der Konzentrationslager. Unter den Anregungen für die Unterrichtsgestaltung findet sich der Vorschlag einer Recherche zur Auseinandersetzung mit Täter- und Opferbiographien und der einer Podiumsdiskussion über „Vergangenheit, die nie vergeht“.

Der Lehrplan Gemeinschaftskunde für die Jahrgangsstufen 11-13 der gymnasialen Oberstufe, Schwerpunkt Geschichte, thematisiert im Halbjahr 12/1 „Deutschlands Weg zur Demokratie“ mit dem Teilthema „Deutschland zwischen Demokratie und Diktatur“. Die ausgewiesenen Lernziele dazu sind: „Schülerinnen und Schüler erkennen, dass sich totalitäre Herrschaftsformen stets zu menschenverachtenden Systemen entwickeln, … dass der Nationalsozialismus in Deutschland im Holocaust eine historisch singuläre Ausprägung gefunden hat.“ [Lehrplan Gemeinschaftskunde, Schwerpunkt Geschichte, GOS, 2011, S. 20].

Saarland:

Im Lehrplan Geschichte für die Klassenstufe 9 geht es laut der Vorbemerkung zum Thema Nationalsozialismus darum, „die Frage der Verantwortung auch der nachgeborenen Generationen zu thematisieren“. Unter den ausgewiesenen Kompetenzen zum Thema sollen Schüler*innen „die Verbrechen gegenüber Juden und anderen Minderheiten (z.B. Sinti und Roma) und den Vernichtungskrieg im Osten“ charakterisieren und „die Verbrechen des NS-Systems als Buch aller bisher geltenden zivilisatorischen und moralischen Normen“ beurteilen und sich für Menschenrechte engagieren. Als außerschulischer Lernort wird ein Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager vorgeschlagen, entweder Saarbrücken oder Natzweiler-Struthof [Lehrplan Geschichte, Klassenstufe 9, 2014, S. 51f.].

Der Lehrplan der gymnasialen Oberstufe sieht im zweistündigen Grundkurs Geschichte für das Halbjahr 12/2 als variables Thema „Leben in der NS-Diktatur. Verfolgte, Mitläufer, Anhänger, Widerstand“ vor mit der Kompetenzanforderung „Die Schülerinnen und Schüler arbeiten die sich ständig steigernde Radikalisierung in der Verfolgung von Juden, aber auch von anderen nicht-konformen Bevölkerungsgruppen heraus“. Als Vorschläge und Hinweise finden sich mediengestützte Kurzreferate zu verfolgten Minderheiten, zu Tätergruppen, der Umgang mit Geschichtskultur durch Analyse von Filmen. Als außerschulische Lernorte werden das Gestapo-Lager Neue Bremm und Natzweiler-Struthof genannt [Lehrplan Geschichte, Hauptphase der GOS, Geschichte zweistündig, 2019, S. 16-17].

Im fünfstündigen Leistungskurs Geschichte erläutern die Schüler*innen „Zielsetzung, Methoden und Ausmaß des nationalsozialistischen Vernichtungswillens“ am Beispiel der Shoa und einem weiteren, und sie „charakterisieren die Nürnberger Prozesse als erste Kriegsverbrecherprozesse der Geschichte“. Unter Vorschlägen und Hinweisen wird die „Reflexion über den historischen, aktuellen und zukünftigen Umgang mit der Erinnerung an den Nationalsozialismus“ angeregt. Zu den außerschulischen Lernorten wird zusätzlich zu den oben genannten Niederbronn-les-Bains aufgeführt [Lehrplan Geschichte, Hauptphase der GOS fünfstündig, 2019, S. 27ff].

Joseph Granier beim Prozess.
Chefankläger Joseph Granier beim Tribunal im Rastatter Schloss Bild in Detailansicht öffnen
Collage: Fotos der Angeklagten in Rastatt.
Collage aus historischen Fotos: In Rastatt werden 235 Prozesse geführt. In 105 Fällen wird die Todesstrafe verhängt Bild in Detailansicht öffnen

Arbeitsverlauf und methodische Erläuterungen

Die Dokumentation eignet sich sowohl für ein Stationenlernen als auch für Projektunterricht. Die Verortung in der Unterrichtsreihe liegt am besten am Ende der jeweiligen Reihe zum Nationalsozialismus. Für das Stationenlernen finden sich die geschätzten Bearbeitungszeiten, die sich an der Klassenstufe 9 eines Gymnasiums orientieren, jeweils auf den Lösungsblättern zu den Arbeitsblättern. Sollten Aufgaben nur für die gymnasiale Oberstufe geeignet sein, so ist dies ebenfalls dort vermerkt.

Daher entfällt ein tabellarischer Unterrichtsverlauf für die Arbeit mit der Dokumentation, es sollten jedoch mindestens zwei Doppelstunden eingeplant werden. Der Zeitplan richtet sich auch jeweils danach, ob die Dokumentation vorab im Plenum angeschaut wird oder ob die Schüler*innen dies individuell tun.

Im Stationenlernen steht es der Lehrperson frei, inhaltliche Schwerpunkte anhand von einzelnen Arbeitsblättern oder kombinierten Aufgaben festzulegen. Es bietet sich auch an, je nach der Schwerpunktsetzung, Pflicht- und Wahlstationen anzubieten. Durch die Bearbeitung der Arbeitsblätter lassen sich als Ergebnisse der Stationenarbeit kleine Portfolios anlegen, die gegebenenfalls bewertet werden können.

Im Projektunterricht oder im projektförmigen Unterricht verstehen sich die Arbeitsblätter als Pool/Angebot für die Schüler*innen, sich mit verschiedenen Teilaspekten der umfassenden Thematik rund um das Thema der Bewältigung der NS-Herrschaft bis heute auseinanderzusetzen. Lerngruppen wählen selber aus, mit welchen Fragen/Teilthemen sie sich beschäftigen möchten. Hier sollte auch eine zusätzliche problemorientierte Phase mit eingeplant werden, in der die jeweiligen Gruppen zusätzlich eigene Fragen und Hypothesen entwickeln können, die sich aber auf die Dokumentation beziehen sollten.

Da am Ende eines Projektes ein Produkt/eine Präsentation stehen sollte, könnte dies mittels einer Bildreportage gelöst werden, wie sie auf Arbeitsblatt 5 vorgesehen ist. Alternativ erfüllt auch Arbeitsblatt 2 (Beurteilungsdialog), 3 (Filmbesprechung) oder 4 (journalistischer Text) den dokumentarischen Zweck. Sollten von Seiten der Schüler*innen weitere Präsentationsformen vorgeschlagen werden (Plakat, Spielszene Tafelbild/Schaubild, etc….), steht dem nichts im Wege.

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Autor/in
Eva Kell