Klotzläufe in Brasilien
In stetem Rhythmus tönen die Schläge eines Beils aus dem Wald, krachend fällt eine Palme zu Boden.
Kurze Zeit später bricht eine Gruppe Indianer aus dem Unterholz hervor, wenig später eine zweite. Beide Gruppen rennen um die Wette durch die Savanne. Sie messen sich in einem Staffellauf der besonderen Art: ihr "Staffelholz" wiegt bis zu 120 kg! Es ist ein gewaltiges Stück des Palmenstamms. Das Ziel ist der zentrale Dorfplatz, bis zu 20 km laufen die Indianer täglich mit den Palmklötzen um die Wette. Auch die Frauen rennen täglich, ihre Klötze sind allerdings "nur" 80 kg schwer.
Der Brauch der Krahô, eine von 200 Indianer-Nationen Brasiliens, muss irgendwann einen praktischen Ursprung gehabt haben: Durch die Rennen werden eher schmächtige Menschen zu kräftigen Jägern und Kriegern. Dies waren einst wichtige Eigenschaften für das Indianervolk, das im Wald am südlichen Rand Amazoniens lebt.
Immer laufen zwei Mannschaften im Wettkampf gegeneinander - Wakmeje, die Partei des Sommers, gegen Katamje, die für den Winter steht und in der Regenzeit im Dorf das Sagen hat. Der Wettlauf symbolisiert das stetige Bemühen um Gleichgewicht: Denn in den Augen der Kraho kann die Welt nur im Gleichgewicht bestehen, zwischen Regen und Dürre, Sommer und Winter, Licht und Dunkel. Der Sport der Krahô ist somit ein Bild ihrer Weltanschauung. Er ist aber auch ein heute noch gelebter Teil ihrer Traditionen.
200 Jahre Kontakt mit den Weißen haben die Krahô an den Rand des Abgrundes gebracht. Sie verloren ihre materielle Eigenständigkeit, verelendeten, vegaßen viele ihrer Bräuche. Aber sie haben sich auf den Weg gemacht: Jagen können sie zwar nicht mehr, aber sie bewirtschaften wieder Felder mit ihren traditionellen Früchten und Getreiden - und sie leben ihre Bräuche. Denn nur im stolzen Selbstbewusstsein um ihre Gemeinschaft als Krahô-Indianer können sie auch überleben. Und so laufen sie weiter um die Wette, täglich, um Winter und Sommer zu versöhnen.
Ein Film von Walter Tauber
© SWR Projektgruppe Multimedia 2010