„Ich möchte eigentlich noch der Mund sein, der sprechen kann für alle Toten, die dort geblieben sind. Dass die Welt auch noch begreift und weiß, was mit uns passiert ist.“
Die das sagt, ist eine Dame. Klug, belesen, charmant. Wenn Lily van Angeren deutsch spricht, dann mit einem niederländischen Akzent. Sie lebt seit Kriegsende in Holland, wollte nicht mehr im Land der Täter sein. Es war nicht mehr ihre Heimat, denn die Nationalsozialisten hatten fast alle ihre Angehörigen ermordet. Weil sie der Minderheit der Sinti und Roma angehörten.
Sinti und Roma im Konzentrationslager Auschwitz
Im Frühjahr 1943 wurde Lily van Angeren mit ihrer Familie in das „Zigeunerlager“, einem abgetrennten Bereich des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau deportiert. Und mit ihnen etwa 20.000 andere deutsche Sinti und Roma. Die meisten hatten zuvor ein ganz normales Leben geführt, wie andere Deutsche auch. 1933 konnte niemand von ihnen ahnen, was kommen würde und manche waren in der Hitlerjugend, dem Bund Deutscher Mädel und ab 1939 kämpften viele der Väter in der Wehrmacht. Und doch begann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten der Prozess der rassischen Ausgrenzung, Verfolgung und schließlich Vernichtung der Sinti und Roma.
Überlebende Sinti und Roma der NS-Zeit berichten
Der Film zeichnet die wichtigsten Stationen einiger Leidenswege nach, fünf Überlebende berichten über ihr Schicksal: Hildegard Franz, deren Mann und drei Kinder in Auschwitz ermordet wurden; Mano und Hugo Höllenreiner, die gerade mal 10 Jahre alt waren, als sie deportiert wurden und die in Auschwitz erfahren mussten, welche Folgen die Experimente des Lagerarztes Josef Mengele hatten; Lily van Angeren, die als Lagerschreiberin die Namen aller Toten registrieren musste. Und Josef „Muscha“ Müller, der in einer Pflegefamilie aufwuchs und nicht ahnte, dass seine leiblichen Eltern Sinti waren. Er hat überlebt, weil seine Pflegeeltern ihn monatelang in einer Gartenlaube versteckt hielten und so dem Zugriff der Behörden entzogen.
Es sind fünf Schicksale, stellvertretend für alle Opfer. Deren genaue Zahl kennt man bis heute nicht, manche nehmen an, dass bis zu 500.000 Sinti und Roma aus ganz Europa der NS-Vernichtungspolitik zum Opfer gefallen sind – Menschen, die in den Lagern ermordet wurden oder dort an Seuchen und Auszehrung starben, die von den SS-Einsatzgruppen erschossen oder erschlagen wurden.
Gedenken an die Ermordeten Sinti und Roma
Heute gedenken Sinti und Roma aus ganz Europa am 2. August aller ihrer ermordeten Angehörigen. Jedes Jahr kommen sie nach Auschwitz-Birkenau zu einer Totenfeier, und für viele der Überlebenden ist es bis heute schwer, an den Ort ihres Leidens zurückzukehren. Im Sommer 1944 wurde das „Zigeunerlager“ aufgelöst, die noch arbeitsfähigen Sinti und Roma in andere Lager weiterverschleppt. Alle verbliebenen Sinti und Roma wurden danach, in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 ermordet. Es waren 2.897 Männer, Frauen und Kinder.