Rechte Musik gilt als der Einstiegsgrund für Jugendliche in die Neonazi-Szene schlechthin. Bands wie „Landser“ (jetzt: „Lunikoff-Verschwörung“), „Faustrecht“, „Frontalkraft“, „Enessses“, „Stahlgewitter“, „Spreegeschwader“, „Noie Werte“, „Absurd“ und „Oidoxie“ machen rechten Rock, Metal, Hip-Hop und Rap mit fremdenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Texten. Experten schätzen, dass es rund 400 Bands und Musiker gibt, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Über 1.200 Tonträger existieren hierzulande – dazu über 30 Labels, Tendenz steigend. Einige der oben genannten Bands, wie „Landser“, „Spreegeschwa-der“ oder „Noie Werte“ gibt es bereits nicht mehr. Doch ihre Musik wird in einschlägigen Kreisen immer noch gehört.
Aussteiger Felix berichtet im Film über den Stellenwert des Rechtrocks: „Es ging um saufen, als Clique zusammenhängen und die Musik als Beiläufer hat das dann schon in eine ordentlich rechte Richtung gedrückt.“
Die Musik biete viele Punkte, mit den sich Jugendliche identifizieren könnten; angefangen von der Beschwörung von Feindbildern, über Gewaltaufrufe bis hin zur Glorifizierung der NS-Zeit. Dazu käme der Appell an Emotionen. Felix erinnert sich noch gut an das Mantra der Clique: „Wir sind stolz, wir sind stark, wir sind gegen die anderen, gegen den Staat und die Lehrer und diese Feindbilder werden in den Musik transportiert.“ Außerdem befriedigt die rechte Szene ein Bedürfnis, dass insbesondere gefährdete Jugendliche oft verspüren: Die Lust zu provozieren, Verbotenes zu tun und auf diese Weise den Helden zu markieren.
Das Phänomen des Rechtsrocks gibt es seit Beginn der 80er Jahre. Die rechte Musik schwappte aus Großbritannien nach Deutschland über; Vorreiter war eine Band aus Blackpool mit dem Namen „Skrewdriver“. Schnell breiteten sich auch in Deutschland in der Skinhead-Szene neonazistische Botschaften in Songs im Punk-Rock-Stiel aus. Ein Beispiel ist das Debütalbum der Band „Böhse Onkelz“. Später distanzierte sich die Band von rechtsradikalen Inhalten. Doch erst nach der deutschen Wiedervereinigung, in den frühen 1990er Jahren, radikalisierte und professionalisierte sich der deutsche Rechtsrock. Heute wird einschlägige Musik über szeneeigene Labels, Internet, Magazine und Szeneläden vertrieben.
„Landser“ ist die wohl bekannteste deutsche Neonazi-Kultband. Die 1992 in Berlin gegründete Band hat sich vor allem durch extrem hasserfüllte und rassistische Texte einen Namen gemacht. Über 100.000 Tonträger sollen im Umlauf sein, obwohl keine CD legal im Laden zu erwerben war. Im Gegensatz zu anderen Rechtsrockbands haben sich die "Landser" nie bemüht, eine Indizierung ihrer Platten zu verhindern. Diese wurden direkt im Ausland produ-ziert und nach Deutschland geschmuggelt. Als in den frühen 90er Jahren in Solingen und Mölln die Flüchtlingsheime brannten, lieferte die Band den aggressiven Soundtrack dazu. An dieser Stelle seien nur Songs mit Titeln wie "Polackentango“ und "Das Asylheim brennt" zu nennen. Unverhohlen riefen die Texte zu Gewalt und Mord an Ausländern und bestimmten Menschengruppen auf. Im Jahr 2003 wurde Bandsänger Michael Regener zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, die Band zerstritt sich und löste sich auf. Doch Regener ist weiter aktiv: Er sucht die Verbindung zur NPD und tritt auf Konzerten mit seiner neuen Band, „Lunikoff-Verschwörung“, auf.
Jedem Neonazi ist auch der 1964 in der DDR geborene Frank Rennicke ein Begriff. Die NPD stellte den singenden Parteipropagandisten im Jahr 2009 als ihren Bundespräsidentschaftskandidaten auf. Musikalisch beschreitet er einen anderen Weg als gängige Rechtsrock-Bands. Eher im Stil eines Liedermachers à la Reinhard May bietet er rechte Musik mit schlichten Texten, die mit Heimatkitsch und rechten Parolen gespickt sind.
Rechtsrock, Liedermacher oder Hip Hop: Die Neonazi-Musikszene bietet eine Fülle von Genres. Neben Gruppen, die Nazi-Rock und Metal machen, kamen neue Stilrichtungen wie National Socialist Hardcore (NSHC), National Socialist Black Metal (NSBM), Hip-Hop oder NS-Rap hinzu. Die langjährigen Nazis und Rapper Julian Fritsch alias „Makss Damage“ und Michael Zeise alias „Mic Revolt“ nutzen beispielsweise Hip-Hop und Rap, um Jugendlichen rechte Ideen zu vermitteln. Denn: Jugend- und Subkulturen lassen sich am leichtesten über Musik erreichen – viel besser als über Flyer und Demonstrationen. Das hat auch die rechte Szene erkannt und adaptiert angesagte Musikstile.
Oft sind Rechtsrock-Gruppen auch mit rechten Netzwerken wie der in Deutschland verbotenen Organisation „Blood & Honour“, freie Kameradschaften oder rechten Parteien (NPD, AfD) verbunden. Haben junge Menschen über die Musik einen Einstieg gefunden, stehen Netzwerke und Vereine bereit, um ideologisch aufzurüsten. Um Jugendliche für die rechte Szene zu gewinnen, ließ sich die NPD ein besonderes Projekt einfallen. Parteimitglieder verteilten auf Schulhöfen CDs mit Songs renommierter Gruppen aus der rechten Szene. Diese „Schulhof-CDs“, oft mit einhergehenden Einladungen zu Konzerten, stellen den ersten Kontakt mit der Szene dar.
Wie wichtig Konzerte für die Vernetzung von Neonazis sind, zeigt eine Musikveranstaltung in der thüringischen Kleinstadt Themar unter dem Titel „Rock gegen Überfremdung“. Das Festival mit Neonazi-Bands fand zum ersten Mal 2016 statt und wurde 2017 wiederholt. Über 6.000 Personen aus der rechtsextremen Szene nahmen an dem als politische Versammlung getarnten Konzert teil. Das Grundstück hatte der AfD-Lokalpolitiker Bodo Dressel zur Verfügung gestellt. Es spielten unter anderem „Lunikoff-Verschwörung“ und „Stahlgewitter“.
Wer einmal in die Szene eingetaucht ist, wird im Internet mit einem Überangebot an rechter Musik konfrontiert. Einschlägige Foren bieten Hörproben, Download-Funktionen, Tipps für Neuerscheinungen. Die Neonazimusikszene ist auch dank des Internets ein breiter Ge-schäftsbereich geworden und die Musik damit die „Einstiegsdroge Nr. 1“ in die rechtsradikale Szene.