An der Brust saugendes Baby
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Gleich nach der Geburt können menschliche Säuglinge noch nicht gut sehen. Sie finden den Weg zur mütterlichen Brust allein deshalb, weil sie die Milch riechen und der Geruchsquelle folgen.
Der Geruchssinn bleibt für den Menschen insbesondere bei der Nahrungsauswahl zeitlebens wesentlich. Zahlreiche Entscheidungen trifft der Mensch mit Hilfe seines Riechvermögens, denn das Riechen ist eng mit Gefühlen gekoppelt und der Mensch lässt sich trotz seines hochentwickelten Verstandes häufig von Emotionen leiten.
Im Alltag ist die Geruchswahrnehmung für die Orientierung meistens nicht so wichtig, weil die optischen Eindrücke andere Sinneseindrücke überlagern. Für blinde Menschen spielen Gerüche bei der Orientierung eine außerordentlich wichtige Rolle.
Menschliche Nase
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Geruchsaufnahme
Menschen nehmen Gerüche über die Nase wahr. Beim Einatmen der Luft durch die Nase, werden ständig Duftstoffe eingeschleust.
Um einen Geruch aufzunehmen und an das Gehirn zu melden, existieren in der menschlichen Nase zwei voneinander unabhängige Riechsysteme. Der Vorteil hiervon ist: Wird ein System geschädigt, was durchaus vorkommen kann, gibt es ein zweites, das zumindest die besonders lebensentscheidenden Funktionen übernehmen kann. Man kann es vielleicht mit einem Schiff und einem Rettungsboot vergleichen.
Das olfaktorische System
Der Sitz des eigentlichen Riechsystems, des sogenannten "olfaktorischen Systems", sind zwei etwa 4 cm² Schleimhäute im oberen Nasenbereich, die die "Riechzone" bilden.
Hier liegen Millionen von Duftstoffrezeptoren. Mit diesen werden die Duftstoffe in der Atemluft wahrgenommen, die durch die Nasenlöcher eingesaugt wird, sowie Duftstoffe der Speisen, die beim Zerkauen von Nahrung im Mund entstehen und über eine Verbindung von Mund- und Nasenhöhle zur Nasenschleimhaut aufsteigen.
Die Riechregion des Menschen
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Das trigeminal–nasale System
Das zweite, das trigeminal–nasale System, nimmt nur grobe Geruchsreize, zum Beispiel Rauch, Menthol, Ammoniak oder Säuren, auf. Es wird durch den Drillings- oder Trigeminusnerv gebildet.
Einer seiner drei Nervenäste durchzieht die gesamte Nasenschleimhaut. Echte Duftstoffe erkennt dieses Riechsystem nur in sehr hohen Konzentrationen. Das trigeminale System schützt uns davor, giftige oder ungesunde Dinge aufzunehmen.
Nervenenden des Trigeminusnervs enden in der Nasenschleimhaut
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Ob Hakennase oder niedliches Stupsnäschen: Nasen gibt es viele und jeder hat sein eigenes Exemplar im Gesicht. In Aufbau und in Funktion aber sind sie alle gleich.
Sichtbar sind die Außenwände der Nase, das Entscheidende verbirgt sich aber in ihrem Inneren. Die Nasenlöcher bilden die Eingänge zu den beiden Nasenhöhlen, die voneinander innen durch eine knorpelige Wand, das Nasenseptum, getrennt werden. Da die Nase aus zwei Höhlen besteht, bezeichnet man sie als paariges Riechorgan. Nach unten hin trennt die Gaumenplatte die Nase vom Mundraum.
Am hinteren Ende der Nase gibt es zwei weitere, "innere" Nasenlöcher (Chonanen). Durch sie steht die Nase mit dem Rachen in direkter Verbindung. Diese Öffnung zwischen Mund- und Nasenhöhle ist dafür verantwortlich, dass uns ein Getränk beim Husten aus der Nase läuft, wenn wir uns während des Trinkens heftig verschlucken.
Schnitt parallel zum Gesicht. Zu sehen sind Augenhöhlen, Nasenmuscheln, Nebenhöhlen und der Mundraum.
SWR, velyn Bargs-Stahl, Dr. Erika Luck-Haller
Aus den Nasenwänden ragen drei Wülste, die Nasenmuscheln, in die Nasenhöhle hinein, die je nach ihrer Lage obere, mittlere oder untere Nasenmuschel genannt werden. Sie sind mit einer Schleimhaut überzogen, deren Flimmerhärchen und Schleim die Nase sauber halten. Sie sorgen dafür, dass Schmutz und Bakterien herausbefördert werden. Die feinen Härchen in den Nasenlöchern unterstützen sie bei dieser Aufgabe: Sie filtern die Atemluft schon beim Einatmen und lassen groben Dreck erst gar nicht hinein.
Über der oberen Nasenmuschel, schon ganz nah beim Gehirn, liegt die Riechregion, eine Riechschleimhaut mit Millionen von Riechzellen, die für das eigentliche Riechvermögen der menschlichen Nase verantwortlich sind. Diese Schleimhaut hat die Fläche mit der Größe von ein bis zwei Briefmarken. Hier sitzen die fünf bis sechs Millionen Riechzellen, die den Riechvorgang ermöglichen.
Ein Duft ist eine chemische Substanz, besteht also aus Molekülen . Aber wie wird ein Molekül zu einem Nervenreiz? Das ist die Frage, mit der Wissenschaftler sich lange beschäftigt haben. Erst in den letzten zwanzig Jahren sind sie der Antwort näher gekommen.
Für das eigentliche Riechvermögen der menschlichen Nase sind Millionen von Riechzellen (=Riechsinneszellen) verantwortlich, die im oberen Teil der Nasenhöhle liegen.
Die Riechregion des Menschen
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Damit der Vorgang "Riechen" vonstatten gehen kann, müssen die Riechzellen die Duftmoleküle in der Luft erkennen und dafür sorgen, dass deren Duftinformationen ins Gehirn gelangen. Wie funktioniert das? Wissenschaftler drücken es so aus: "Riechen ist eine chemoelektrische Transduktion ". Das bedeutet: Beim Riechen wird ein chemisches Signal umgewandelt in ein elektrisches Signal. Die Riechzellen sind dabei die Dolmetscher , die beide Sprachen sprechen: Sie beherrschen die chemische Sprache der Duftmoleküle in der Atemluft und übersetzen die Geruchsinformation in die elektrische Sprache des Gehirns. Riechzellen sind also Nervenzellen, denn das Wesen von Nervenzellen ist, dass sie Informationen aus der Umgebung aufnehmen und in elektrische Signale umwandeln.
Die menschliche Nase
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Auf der Seite, die mit der Atemluft in Kontakt kommt, trägt eine Riechzelle viele dünne Riechhärchen, die von Schleim umhüllt sind. Diese Härchen nennt man auch Zilien . Auf ihnen liegen die Geruchsrezeptoren, die eine Art "Anlegesteg" für Duftmoleküle darstellen.
Gelangt ein Duftmolekül mit der Atemluft in die Nase, löst es sich im Schleim auf und kann dann an den Geruchsrezeptor andocken. Dieses Andocken löst in der Zelle einen elektrischen Impuls aus. Anders ausgedrückt: Die Duftinformation wird von der "chemischen" in die "elektrische" Sprache übersetzt.
Ein einziges Duftmolekül reicht nicht aus, um einen elektrischen Reiz in den Riechzellen zu erzeugen. Nur dann, wenn genügend Duftmoleküle in der Atemluft sind und auch an den Riechzellen anbinden können, kommt es zu einer Geruchsempfindung. Binden ausreichend Duftmoleküle an, so entsteht eine elektrische Spannung, die die Riechzelle in ihrem Inneren sogar noch 1000-fach verstärkt. Diese elektrische Botschaft wird dann an das Gehirn weitergeleitet und bewirkt dort letztendlich die Empfindung.
Jede Riechzelle trägt zahlreiche Geruchsrezeptoren, die Andockstellen für Duftmoleküle, auf den Zilien. Diese Rezeptoren bestehen aus Proteinen, also aus Eiweißen und können je nach Art bestimmte Moleküle an sich binden.
Darstellung eines Geruchsrezeptors
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Alle Andockstellen einer bestimmten Zelle sind gleich aufgebaut, das heißt, sie passen nur für eine einzige Duft-Molekülart. Beim Menschen gibt es etwa 350 verschiedene Geruchsrezeptoren und damit auch 350 verschiedene Riechzelltypen.
Düfte bestehen aber aus vielen verschiedenen Duftkomponenten. Natürlicher Rosenduft beispielsweise setzt sich aus über 500 verschiedenen Duftbestandteilen zusammen. Damit das Gehirn einen komplexen Duft wahrnehmen kann, müssen demnach viele Riechzellen , die unterschiedliche Duftrezeptoren tragen, zusammenarbeiten.
Die verschiedene Duftrezeptoren sind miteinander verknüpft.
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Vergleicht man das Riechen mit dem "Übersetzen", so entspricht jeder Riechzelltyp einem Buchstaben im Wörterbuch der Gerüche; um eine Duftnote zu verstehen, müssen viele verschiedene Riechzellen zusammenarbeiten und für den Empfänger ein bekanntes Wort oder eine bekannte Nachricht zu bilden.
Da der Mensch weniger verschiedene Riechzelltypen hat, als allein Rosenduft an Bestandteilen aufweist, lässt vermuten, dass der Geruchssinn des Menschen sehr beschränkt ist. Ein Hund beispielsweise hat wesentlich mehr verschiedene Riechzelltypen.
Von der Nase zum Gehirn
Der elektrische Reiz, der in den Riechzellen bei einer Duftstoffanbindung entsteht, wird über einen langen dünnen Zellfortsatz, das Axon , weitergeleitet.
Die Axone von Riechzellen des gleichen Typs (die also den gleichen Stoff wahrnehmen können) bündeln sich zu Riechfasern zusammen, die dann - vergleichbar vielleicht mit einer Stromleitung - ins Gehirn ziehen. Direkt über der Riechregion der Nasenhöhle liegt das Siebbein , eine Knochenplatte, die die Nase vom Gehirn trennt. Ihren Namen verdankt das Siebbein den vielen nadelspitzengroßen Löchern, die ihm das Aussehen eines Siebs verleihen. Durch diese Löcher ziehen die Riechnervenfasern in den Riechkolben , die erste "Geruchs-Station" im Gehirn. Dieser Bulbus olfactorius - so nennen ihn Fachleute - liegt direkt oberhalb der Nasenwurzel.
Mitglieder eines "Duftkongresses"
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Ankunft im Gehirn
Im Riechkolben wird die Information aller Riechzellen in rund 30.000 kleinsten "Rechenzentren", den Riechknötchen (Glomeruli) , gesammelt und weiterverarbeitet. Je nach eingehender Duftinformation werden unterschiedliche Glomeruli aktiv. Dadurch entsteht für jeden Duft schon im Riechkolben ein ganz bestimmtes Geruchsmuster .
Das Gehirn weiß schon zu diesem Zeitpunkt ganz genau, welcher Geruch uns in die Nase gestiegen ist. Damit wir aber mit dieser Information etwas anfangen können, muss sie erst in höheren Gehirnzentren verarbeitet werden. Das übernehmen weiterführende Nervenzellen, die Mitralzellen . Sie leiten die Informationen der Glomeruli weiter und ziehen gebündelt durch die Riechfurche ins Riechhirn. Hier werden die Informationen weiter verrechnet, sortiert und neu gebündelt .