Der aufrechte Gang ist ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung zum Menschen. Die entscheidende Voraussetzung ist aber die Erfindung von Werkzeugen und die damit einhergehende Vergrößerung des Gehirns. Erst vor etwa 2,5 Millionen Jahren führte diese zum Auftreten der ersten echten Menschen (Homo habilis und Homo rudolfensis) . Und auch hier scheint wieder ein Klimawandel Auslöser gewesen zu sein. Das Klima wurde noch trockener, Bäume noch seltener. Es entstanden zunehmend Busch- und Grassavannen. Diese verringerten das Nahrungsangebot an Früchten. Auch waren nun die Fluchtmöglichkeiten vor schnellen Raubtieren eingeschränkt.
In dieser Situation starben viele Australopithecus-Populationen aus. Es überlebten wenige Gruppen, die sich in der Fortbewegungsweise spezialisierten, neue Nahrungsquellen erschlossen und zu Verteidigungswaffen griffen. Sie entwickelten sich hin zum Homo habilis (geschickter Mensch). Ihr Gehirn war geringfügig größer als das der Australopithecinen. Sie ernährten sich bereits von großen Säugetieren und fertigten Steinsplitter, die sie als Messer einsetzten. Nicht nur die Werkzeugfunde, sondern auch die Veränderungen im Bereich des Gebisses, wo nun kleinere Mahlzähne auftraten, sind Beweise hierfür.
Etwa 1,9 Millionen Jahre alte Fossilfunde belegen das Auftreten von Homo erectus, dem aufrechten Menschen. Seine Arme waren kürzer, die Beine länger, was auf den Verlust der besonderen Kletterfähigkeit zurückgeführt werden kann. Allerdings war nun ausdauerndes Laufen möglich, ein echter Vorteil beim Leben in der Savanne. Charakteristisch ist auch die nun auftretende Nacktheit, die als Anpassung an das Langstreckenlaufen zu sehen ist, denn nun ist die Regulierung der Körpertemperatur leichter möglich.
Als wesentlicher Evolutionssprung dieser Art muss der Verlust der Schnauze und die Verdoppelung des Hirnvolumens angesehen werden. Damit einher gingen höhere sprachliche und kulturelle Fähigkeiten. Er war bereits zur Herstellung gut geformter Feuersteinwerkzeuge befähigt und er erfand das Feuer. Einige Forscher neuerer Zeit gehen davon aus, dass die Erfindung des Feuers und damit des Kochens die Menschen erst richtig schlau gemacht hat. Dafür spricht, dass die Vorgänger, alle Rohkost-Fresser, viel Zeit zum Kauen brauchten, die nun für die Eroberung der Welt offen stand. Außerdem ist gekochte Nahrung leicht verdaulich – sie liefert genügend „Brennstoff“ für das energiebedürftigste Organ, das Gehirn. Auch auf das Sozialverhalten kann sich das Kochen ausgewirkt haben, denn nun sitzt man an der Feuerstelle und nimmt gemeinsam Mahlzeiten ein. (Bethge, Philip: Ich koche, also bin ich. In: Der Spiegel Nr.52/22.12.2007, S. 127-129)
Homo erectus, der „neue Intellektuelle“, war eine äußerst erfolgreiche Art. Ihm gelang es als erster, andere Erdteile zu besiedeln. Aus der Zeit vor weniger als zwei Millionen Jahren existieren Fossilfunde aus Asien, z.B. der Pekingmensch. Der älteste Nachweis in Europa ist mit 650 000 Jahren Homo heidelbergiensis, der vermutlich von frühen afrikanischen Vertretern von Homo erectus abstammt.
Aus Homo erectus hat sich vor etwa 150 000 Jahren Homo sapiens entwickelt. Dazu zählen Homo sapiens neanderthaliensis, der Neandertaler, und Homo sapiens sapiens, der Jetztmensch. Beide lebten noch einige Zeit parallel bis sich endgültig unsere Art durchsetzte. Eindeutige physiognomische Merkmale für Homo sapiens sapiens sind das Fehlen von Überaugenwülsten, eine steile Stirn und ein gewölbtes Schädeldach, so dass das zunehmende Hirnvolumen, das nun auf etwa 1500 cm3 angewachsen ist, Platz findet. Das veränderte Hirnvolumen und der gewölbte Schädel stellen einen Grundvoraussetzung für die kulturelle Evolution des Menschen dar.
Ein Hauptcharakteristikum der kulturellen Evolution ist ihre hohe Geschwindigkeit und diese wiederum hat eine spezifisch menschliche Fähigkeit als Voraussetzung: die sprachliche Kommunikation. Nur sie ermöglicht eine schnelle Informationsweitergabe an alle Mitglieder einer Gruppe und damit auch eine schnelle Entwicklung der menschlichen Kultur.
Heute unterscheidet man weltweit etwa 6000 verschiedene Sprachen, von denen vermutet wird, dass sie alle auf einen Ursprung zurückgehen. Dieser Ursprung wird regional in Afrika festgemacht – bei unseren Vorfahren. Voraussetzung für die Entstehung des differenzierten Sprechvermögens waren anatomische Veränderungen im Bereich des Rachenraumes und des Gehirnes. Erste Anzeichen dieser Entwicklung wiesen Paläoanthropologen vor etwa 500 000 Jahren bei Homo erectus nach. Der Kehlkopf senkte sich. Als Ursache hierfür wird vermutet, dass männliche Hominiden mit tieferer Stimme einen stärkeren Eindruck erweckten und damit bei der sexuellen Selektion Vorteile hatten. Sie konnten ihre Gene also besser weitergeben an die nächsten Generationen, was ein Durchsetzen dieser Gene zur Folge hatte.
Die Entwicklung der Kehlkopfverlagerung setzte sich über einen langen Zeitraum fort bis zur Position des Kehlkopfes des heutigen Menschen. So ist langsam der große Raum entstanden, der als Resonanzraum für die Erzeugung differenzierter Töne dient und der Zunge Platz für Lauterzeugung bietet.
Etwa gleichzeitig mit der einsetzenden Veränderung des Stimmapparates nahm auch das Hirnvolumen der Hominiden zu. Paläoanthropologen sehen einen Zusammenhang zur Entwicklung des Sprechapparates, denn Voraussetzungen für das Sprechen müssen nicht nur im Bereich der Rachenanatomie geschaffen werden. Auch neuronale Bedingungen müssen vorhanden sein. Dies wird auch in der Ontogenese der menschlichen Individuen sichtbar, denn man kann beobachten, dass das Gehirnwachstum in der Phase des Spracherwerbs beim Kleinkind besonders ausgeprägt ist. Auch die Untersuchungen der Innenseite von Hominidenschädeln unterstützt die frühe Entwicklung hin zur Sprachfähigkeit. Es konnte schon bei Homo rudolfensis das Vorhandensein des heute für das Sprachverständnis zuständigen Wernicke-Areals und des für die Sprachmotorik und Lautbildung zuständigen Broca-Areales nachgewiesen werden.
Selbst auf genetischer Ebene konnte man Veränderungen nachweisen, die Voraussetzung waren für die menschliche Sprechfähigkeit. 1998 identifizierten britische Forscher das Sprechgen FoxP2. Der Besitz dieses Genes ist Voraussetzung für unsere hochartikulierte Sprache. Die Forscher gehen davon aus, dass sich dieses Gen vor höchstens 200 000 Jahren bei Homo sapiens ausbreitete.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die menschliche Sprechfähigkeit im Laufe der Hominidenentwicklung entstanden ist. Schon frühe Hominiden lebten sozial, der Einsatz von Sprache war also vorteilhaft. Die differenzierte, einzigartige Sprechfähigkeit des heutigen Menschen existiert – so nimmt man an – seit mindestens 40 000 Jahren.
Bevor sich der Stimmapparat und das Gehirn hin zur Sprache entwickelten gab es übrigens auch schon Kommunikation zwischen frühen Hominiden. Diese funktionierte vermutlich so wie diejenige der heutigen Affen. Über eindeutige Gesten und einfache Rufe ging der Austausch nicht hinaus und mit dieser eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit wäre es sicher nie zu der kulturellen Evolution gekommen, die die Menschheit durchläuft und deren Bedeutung seit der späten Altsteinzeit vor 40 000 Jahren stets zunahm. Es war die Entwicklung der Kultur, die die großen Selektionsvorteile für unseren Vorfahren brachte und damit zum ständigen Wechselspiel zwischen kultureller und biologischer Evolution führte.
Dabei meint „biologische Evolution“ die Weitergabe genetischer Information von einer Generation zur nächsten. Kulturelle Evolution funktioniert aber ganz anders. Hier geht es um keine Informationsweitergabe in Genen sondern mit Hilfe von Verhalten und Sprache. Die Verbreitung geschieht schnell und über viele Individuen, nicht nur über die Nachkommen.
Früheste Zeugnisse kultureller Evolution sind Steinwerkzeuge. Sie dienten z.B. der Nahrungsbeschaffung, aber auch der Verteidigung. Eine wichtige Errungenschaft der Menschheit ist die Schrift, deren Wurzeln 3000 v. Chr. in Vorderasien und Ägypten nachgewiesen wurden. Sie ist das eigentliche Medium, das es erlaubt, angesammeltes Wissen über Generationen weiterzugeben.
Die kulturelle Evolution verläuft kontinuierlich, es gab aber immer wieder neue Errungenschaften. Die Entwicklung der Schrift beispielsweise war ein Meilenstein. Die größte Beschleunigung brachte wohl die industrielle Revolution hervor. Seit dieser entwickelten sich neue Technologien in vorher nie da gewesener Geschwindigkeit. Mit Hilfe dieser Technologien versuchen die Menschen die Umwelt nach ihren Bedürfnissen zu modifizieren und nehmen damit – bewusst oder unbewusst - in Kauf, dass viele andere Organismenarten weichen müssen. Allerdings ist der Mensch auch ein intelligentes Wesen und damit in der Lage sein Handeln zu überdenken. Dass er seine Rolle als Mitgeschöpf auf diesem Planeten überdenkt, zeigt die Tatsache, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ in den letzten zwei Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewinnt. Die kulturelle Evolution ist nicht aufzuhalten, vielleicht aber gelingt es uns, rücksichtsvoller gegenüber der Umwelt, den anderen Organismen und den kommenden Generationen weiter zu entwickeln.