Hitlers Expansionspolitik – der „Anschluss“ Österreichs
Im Oktober 1936 verständigen sich Adolf Hitler und der italienische Diktator Benito Mussolini über die außenpolitischen Interessen ihrer Staaten. Der Duce gibt seinen Widerstand gegen eine Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich auf. Hitler fördert die von österreichischen Nationalsozialisten geschürten Spannungen im Land. Das Hilfsgesuch eines österreichischen NS-Ministers liefert den Vorwand für den – von jubelnder Bevölkerung begrüßten - Einmarsch deutscher Truppen im März 1938. Hitler verkündet das „Großdeutsche Reich“; schon bald nach dem „Anschluss“ nimmt die Gestapo in Österreich mehr als 20 000 Menschen in „Schutzhaft“.
Auch der jüdische Lebensgefährte der Frauenärztin Edith Wellspacher (*1909), von dem sie ein Kind erwartet, wird ins KZ Dachau deportiert. Wellspacher, die an ihrem Arbeitsplatz, der Wiener Universitätsklinik, täglich mit nationalistisch und antisemitisch eingestellten Kollegen zu tun hat, weiß, was die Stunde geschlagen hat; die Erfolge der Nationalsozialisten und der bevorstehende Krieg, den sie für unausweichlich hält, lassen sie verzweifeln. Ihre Entlassung aus dem Krankenhaus ist das Eine, die Bedrohung für Leib und Leben das Andere. Wellspacher bittet ihren nationalsozialistisch gesonnenen Geliebten, der ihr dringend zur Flucht rät, um eine illegale Abtreibung und verlässt im Sommer 1938 Österreich mit Ziel Tasmanien.
Die Reichsprogromnacht am 9. November 1938
Wenige Monate später zerstören die Nazis in der Pogromnacht vom 9. November 1938 in ganz Deutschland jüdische Geschäfte, stecken Synagogen in Brand und ermorden hunderte Menschen. Edith Wellspacher heiratet einen britischen Kolonialbeamten, wird Mutter und lebt zeitweise in Paris. Nach der Besetzung durch die Deutschen wird sie im Dezember 1940 vorübergehend interniert, ehe sie nach einer langen Odyssee 1944 nach England zieht, wo sie ein zweites Kind bekommt. 1948 lässt sie sich mit ihrem Mann in Australien nieder; sie verdient ihren Lebensunterhalt zunächst als Sprachlehrerin, studiert Psychologie und Architektur und arbeitet als Architektin und Künstlerin; sie stirbt 2004.
Der Weg in den Zweiten Weltkrieg
Nach der Eingliederung Österreichs setzen die Nationalsozialisten ihre „Heim ins Reich“- Politik fort und verlangen die von der sudetendeutschen Minderheit besiedelten Gebiete in der Tschechoslowakei als „letzte territoriale Forderung“. Um einen Krieg zu vermeiden, setzen England und Frankreich auf eine Politik der Beschwichtigung („Appeasement“); deren Höhepunkt ist das Münchner Abkommen vom 29. September 1938, das die Abtretung des Sudetenlands an Deutschland besiegelt. Die tschechoslowakische Bevölkerung und ihr Staatspräsident Beneš, der von den Verhandlungen ausgeschlossen ist, fühlen sich von den Schutzmächten verraten. Der britische Premierminister Neville Chamberlain glaubt, den Krieg in Europa, den Hitler provozieren wollte, verhindert zu haben. Das erweist sich als Irrtum.
Im März 1939 besetzen deutsche Truppen - unter Bruch des Münchner Abkommens - die verbliebenen Teile der Tschechoslowakei. Mit der Gründung des „Protektorats Böhmen und Mähren“ ist der imperialistische Charakter der deutschen Außenpolitik unübersehbar. Chamberlain verkündet das Ende der AppeasementPolitik. Während Großbritannien und Frankreich am 31. März eine Garantieerklärung für Polen abgeben, schließt Deutschland im August 1939 einen Nichtangriffspakt mit der Sowjetunion. In einem geheimen Zusatzprotokoll teilen die beiden Staaten Polen unter sich auf. Mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg; zwei Tage später erklären England und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg.
Der Anschluss Österreichs durch Adolf Hitler
Als Hitler im März 1938 vor der Wiener Hofburg den „Anschluss“ Österreichs verkündet, steht Unity Mitford (*1914) neben ihm. Die Tochter des englischen Barons Redesdale gehört zur High-Society des NS-Regimes und ist stolz auf die Prominenz, die ihr die Nähe zu Hitler verschafft. Ihr Vater sieht sich gegenüber der britischen Presse zeitweise genötigt, eine bevorstehende Verlobung seiner Tochter mit Herrn Hitler zu dementieren.
Unity konkurriert mit ihren Schwestern Jessica, Nancy und Diana, die in der englischen Öffentlichkeit ebenfalls bestens bekannt sind. Die bekennende Kommunistin Jessica reist 1936 nach Spanien, um die Republik im Spanischen Bürgerkrieg zu unterstützen, ehe sie in die USA auswandert, wo sie (lebenslanges) Mitglied der dortigen Kommunistischen Partei wird. Nancy hat als Autorin von Romanen und historischen Biographien großen Erfolg. Diana, die Unity politisch am nächsten steht, heiratet 1936 in zweiter Ehe den britischen Faschistenführer Oswald Mosley. Bei der – bis 1938 geheim gehaltenen - Eheschließung im Berliner Büro von Propagandaminister Joseph Goebbels sind außer den Trauzeugen und dem Standesbeamten nur Hitler und Goebbels anwesend.
Großbritannien und die Nationalsozialisten
In Großbritannien, wo es in den 1930er Jahren quer durch alle gesellschaftlichen Schichten Sympathien für die Nazis und ihren Antikommunismus gibt, wirbt Unity Mitford für Hitlers vermeintliche Friedenspolitik und eine Allianz zwischen England und dem nationalsozialistischen Deutschland. Dass ihr Idol seit Jahr und Tag einen Angriffskrieg plant, will sie nicht wahrhaben. Am Tag der britischen Kriegserklärung an Deutschland, am 3. September 1939, schießt sich Mitford in München eine Kugel in den Kopf.. In ihrem Abschiedsbrief an Hitler, dem sie das goldene Parteiabzeichen beilegt, das er ihr einst geschenkt hatte, schreibt sie, sie könne den Krieg zwischen Deutschland und England nicht ertragen. Der Suizidversuch misslingt. Die Ärzte wagen keine Operation, u. a. weil sie fürchten, die britische Öffentlichkeit könne bei einem Misserfolg an die Ermordung Mitfords glauben. Hitler besucht Mitford im Krankenhaus; als er ihr das Parteiabzeichen zurückgibt, verschluckt sie es vor seinen Augen. Teilweise genesen, wird Unity Mitford im April 1940 von ihrer Mutter nach England gebracht, wo sie 1948 den Spätfolgen des Selbstmordversuchs erliegt.
Pola Negri – von den USA nach Deutschland und zurück
Pola Negri (*1897) hat Deutschland 1922 als Stummfilmstar verlassen, um ihre Karriere in Hollywood fortzusetzen. Nach einigen Anfangserfolgen wird die Erfindung des Tonfilms für sie zum Problem; da das Publikum ihren starken Akzent nicht akzeptiert, wird sie kaum noch besetzt. Als sie in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kehrt sie 1934 nach zwölf Jahren Abwesenheit nach Deutschland zurück. Obwohl Propagandaminister Joseph Goebbels sie wegen ihrer angeblich jüdischen Abstammung zunächst mit einem Drehverbot belegt, erhält sie nach persönlicher Intervention von Adolf Hitler 1935 die Hauptrolle in dem UFA-Film Mazurka. Der Film ist ein großer Kassenerfolg, woraufhin Negri bis Ende 1938 noch fünf weitere Filme in Berlin dreht.
Nationalsozialistische Filmpolitik, Propaganda und Unterhaltung
Zwischen 1933 und 1945 ist die Filmproduktion in Deutschland dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels unterstellt. Es unterwirft nicht nur das gesamte öffentliche Leben der Regie der Partei, sondern setzt auch Filme effizient für seine Zwecke ein. Die Filmindustrie wird zentralisiert; von den über 100 Produktionsgesellschaften, die es zwischen 1930 und 1932 in der Weimarer Republik gab, bleibt 1942 nur ein einziges Unternehmen übrig, der staatseigene Ufi-Konzern (Ufa-Film GmbH). Es gibt eine scharfe Filmzensur. Ein Reichsfilmdramaturg prüft alle Drehbücher, Manuskripte und Filmentwürfe noch vor Produktionsbeginn. Eine unabhängige Filmkritik existiert nicht. Jeder, der beim Film tätig ist, muss Mitglied der Reichsfachschaft Film sein. Unerwünschten Personen wird die Mitgliedschaft verweigert, was einem Berufsverbot gleichkommt.
Obwohl reine Propagandafilme nur einen Anteil von etwa 20 Prozent an der Filmproduktion haben und Unterhaltungsfilme bei weitem überwiegen, fühlt sich Pola Negri von den Nazis zunehmend vereinnahmt. Als sich die Anzeichen eines bevorstehenden Krieges mehren, täuscht sie eine Urlaubsreise nach Frankreich vor und verlässt nach der Pogromnacht im November 1938 - trotz bestehender Verträge - das Land für immer. Als deutsche Patriotin taugt sie nicht; die nationalen Exzesse sind ihr zuwider.
Das Leben von Schauspielerin Pola Negri in den USA
Als Pola Negri 1941 in die USA zurückkehrt, wird sie dort wegen ihrer vermeintlichen Nähe zu Hitler zwischenzeitlich auf Ellis Island interniert, ehe sie 1943 ihre vorerst letzte Filmrolle bekommt. In den 1950er Jahren lebt sie als erfolgreiche Grundstücksmaklerin in Texas. In ihrem letzten Film The Moon-Spinners von 1964 bilanziert sie – ironisch - ihr Leben: „Ich habe zwei Weltkriege überlebt, vier Revolutionen und fünf Männer“. Sie stirbt 1987 in den USA.