Mit Hilfe eines Stipendiums geht Ligeti nach Köln. Hier wirkt Karlheinz Stockhausen – der damalige „Gott“ der Neuen Musik. Die beiden lernen sich kennen, arbeiten zusammen und Stockhausen führt den damals noch völlig unbekannten, aber für alle äußerst spannenden ungarischen Komponisten in die sehr lebendige Musikszene ein. Ligeti kann sein Glück nicht fassen. Auch wenn er längst nicht alles gut findet, was Stockhausen & Co. machen, ist er endlich am richtigen Ort und vor allem: am Puls der Zeit. In Köln arbeitet er u. a. auch im Studio für Elektronische Musik des WDR.
Während Ligeti zum ersten Mal durchatmet, findet er sich selbst und begründet seinen berühmten Ligeti-Sound. Radikal wendet er sich von allem ab, was bisher gültig gewesen ist. In dem er anfängt, einzelne Töne neben- und übereinanderzulegen, löst er alles auf: jede Melodie, jede Harmonie und jeden Rhythmus. Das, was bleibt, sind flächige, fast schwebende Klänge, „die schimmern und irisieren, wie eine Halluzination“, die farbig sind und deshalb „gesehen und gehört“ werden können.
Für Ligeti wird sein eigener Sound zum Befreiungsschlag, auch von seinem bisherigen Leben. Ab jetzt gilt für ihn nur eins: neugierig sein, offen sein, Grenzen überwinden und Neues erschaffen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum Ligeti jede Mode und jeden Trend ablehnt. Er will Ligeti bleiben, ein Individualist.
Ein Blinder im Labyrinth
In den 1960er-Jahren lebt Ligeti hauptsächlich in Wien, reist aber durch viele europäische Länder, und unterrichtet u. a. in Stockholm und Madrid. Erst 1973 wird er das erste Mal richtig sesshaft. Als Professor für Komposition geht er nach Hamburg. Ligeti begegnet seinen Studierenden auf Augenhöhe. Denn wenn er mit ihnen gemeinsam über Musik spricht, empfindet er es als einen Austausch unter Kolleg:innen und schnappt auch für sein eigenes Werk neue Ideen auf.
„Ich würde sagen, das Jahr 1980 ist ein wesentlicher Wendepunkt für die Musik und die Kunst, auch für meine Musik.“ Tatsächlich steckt Ligeti zum ersten Mal in seinem Leben in einer künstlerischen Krise. Er hat das Gefühl, nichts Neues mehr aufs Papier bringen zu können. Doch seine musikalische Welt steht nur für einen kurzen Moment still. „Ich bin wie ein Blinder im Labyrinth, der sich herumtastet, immer neue Eingänge findet und in Zimmer kommt, von denen er gar nicht wusste, dass sie existieren. Und dann tut er etwas. Und er weiß gar nicht, was der nächste Schritt sein wird.“
1989 legt Ligeti sein Amt als Professor nieder. Abwechselnd lebt und arbeitet er nun in Hamburg und Wien, wo er schließlich im Alter von 83 Jahren (2006) stirbt.