SWR - Screenshot aus der Sendung
Im Jahr 2008 verdoppelten und verdreifachten sich die Preise für Grundnahrungsmittel auf dem Weltmarkt. In vielen Ländern, wie in Ägypten, Kamerun, Äthiopien und Mexiko, verschlechterte sich die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln drastisch. Aber auch in reichen Golfstaaten, wie in Saudi Arabien, kam es zu Engpässen. Regierungen und international tätige Unternehmen investieren seitdem verstärkt in die Landwirtschaft. und benötigen dafür zusätzliche Anbauflächen. Für den Erwerb von landwirtschaftlichen Flächen durch international tätige Konzerne hat sich der englische Begriff Land Grabbing etabliert.
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Private Unternehmen kaufen oder pachten große Ländereien, die sie meist für die Produktion von Biotreibstoffen, Futtermittel für die Fleischproduktion oder für Agrarrohstoffe nutzen, die sie anschließend exportieren. Land Grabbing ist besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern verbreitet, in denen das Land ohnehin ungerecht verteilt ist und sich einflussreiche Personen große Agrarflächen aneignen. Häufig findet Land Grabbing in entlegenen Gegenden statt, ohne dass die Bewohner befragt oder ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Diese Form der Landnahme hat seit der Lebensmittelkrise 2008 stark zugenommen.
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Waren früher große Agrarflächen von internationalen Konzernen in den Entwicklungsländern eher auf den Anbau von Exportgütern, wie Kaffee, Bananen oder Kakao, spezialisiert, nimmt heute der Anteil von Grundnahrungsmitteln deutlich zu. Diese Agrarrohstoffe sind weltweit gefragt. Investitionen in Mais, Reis, Soja und Weizen werden wegen der hohen Weltmarktpreise als lukratives Geschäftsmodell betrachtet. Zudem verfügen Staaten wie Saudi Arabien, China und Südkorea nicht über ausreichende Landreserven, um ihre Bevölkerung zu ernähren. Diese Länder erwerben gezielt Agrarflächen für den Anbau von Grundnahrungsmitteln in Entwicklungsländern, die sie nach der Ernte in ihre Herkunftsländer exportieren.
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70% des Land Grabbings findet in Afrika statt. Aber auch in Asien und Lateinamerika investieren internationale Großinvestoren in die Landwirtschaft. Häufig werden gerade in Ländern mit einer schlechten Lebensmittelversorgung der einheimischen Bevölkerung große Agrarflächen an Investoren verpachtet oder verkauft. Das sind unter anderem Angola, Äthiopien, Indonesien, Kambodscha, Kenia, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo. Laos. Madagaskar, Mali, Mongolei, Mosambik, Sambia, Sudan, Tansania, Uganda. Ähnliche Tendenzen gibt es auch in lateinamerikanischen Ländern und in der Ukraine. Das genaue Ausmaß des Land Grabbings ist nicht bekannt. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Form der Landnahme in den letzten Jahren rund 230 Millionen Hektar Agrarfläche erfasst. Zum Vergleich: Die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche in der Europäischen Union beträgt rund 180 Millionen Hektar.
Vincent Obongo, NGO Friends of Yella Swap
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Weltbank und Welternährungsorganisation (FAO) sehen im Land Grabbing Entwicklungschancen. Großprojekte in der Landwirtschaft sollen Impulse in die Entwicklungsländer bringen. Die ausländischen Investoren versprechen den Regierungen bei Verkauf oder Verpachtung großer Agrarflächen den Ausbau von Infrastruktur, Arbeitsplätze und neue Technologien in den Anbaumethoden. Verschiedene Studien von internationalen Hilfsorganisationen zeigen jedoch, dass die von ausländischen Unternehmen getätigten Investitionen in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer meist an den Bedürfnissen der einheimischen Entwicklung vorbei gehen oder sie sogar schädigen.
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Die Probleme beginnen häufig bereits mit dem Erwerb der Agrarflächen. Es wird „brachliegendes“ Land ohne Eigentümer an Investoren verkauft. Häufig werden diese Flächen aber bereits von Kleinbauern bewirtschaftet. Da Eigentumstitel in wenig entwickelten Regionen nicht unbedingt schriftlich registriert sind, wird den Kleinbauern das Eigentum für die Nutzung von Großinvestoren ohne Entschädigung einfach aberkannt. Sie verlieren gemeinschaftliche Landrechte, die insbesondere von Frauen in Anspruch genommen werden, um Brennholz und Wildfrüchte zu sammeln oder Wasser zu holen.
Im Zuge des Land Grabbings kann der Ausbau großer Agrarflächen wirtschaftliche Erfolge bringen. Es werden Kleinbauern als Mitarbeiter in landwirtschaftlichen Großbetrieben eingestellt und der Export von Agrarrohstoffen bringt Devisen. Doch die Nachteile sind immens. Der Ausbau großer Agrarflächen geht meist mit der Rodung von Waldflächen, Trockenlegung des Bodens und der Um- oder Ableitung großer Wassermengen einher. Für die Menschen vor Ort, die in einem bestimmten Ökosystem leben, kann das bedeuten, dass sie nicht mehr an ihre üblichen Wasserstellen kommen oder ihre Agrar- bzw. Weideflächen trocken gelegt oder überflutet werden. Die umliegenden Agrarflächen werden unfruchtbar gemacht und zerstört.
Internationale Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die verheerenden Folgen des Land Grabbings. In verschiedenen Studien konnten sie belegen, dass der Erwerb oder die Verpachtung von großen Agrarflächen durch ausländische Konzerne die Ernährungssituation der einheimischen Bevölkerung in den Entwicklungsländern zusätzlich verschlechtert hat. Viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kritisieren mangelnde Einhaltung von Menschenrechten beim Land Grabbing und fordern mehr Transparenz beim Verkauf der Agrarflächen. Die Verträge zwischen Regierungen und internationalen Konzernen werden meist nicht öffentlich gemacht.