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Land & Leute

Beleuchtete Hochhäuser bei Nacht

Malaysia galt als eine führende Wirtschaftskraft in Südostasien. Unter Mahatir wurde das Land zu einem modernen Industriestaat mit anhaltendem Aufschwung durch ausländische Investitionen. Wie in anderen asiatischen Ländern vollzog sich ein Wandel vom Agrarland zur Industrienation, und Rohstoffe wie Zinn, Palmöl, Kautschuk, Kupfer und Holz traten als Exportgüter an die zweite Stelle hinter Autos und Hightech-Erzeugnissen, deren Herstellung Malaysia sogar in der Asienkrise 1998 vor dem völligen Abschwung bewahrte. Dennoch geht es Malaysia nicht besonders gut - es zeigt sich nun, dass der wirtschaftliche Boom ein auf Pump finanzierter war. Die Konjunkturkrise der Weltwirtschaft wirkt sich ebenfalls auf das Land aus, so dass vorerst mit einer Verlangsamung des Wachstums gerechnet werden muss. Die Hightech-Unternehmen müssen derzeit viele Arbeitskräfte entlassen, und Kritik an Mahatirs Regierungsstil mehrt sich: Sein Kurs, der das Land zuerst zu mehr Wohlstand geführt hatte, scheint nun nicht mehr zu greifen und ist außerdem geprägt von Korruption, Vetternwirtschaft und der Gängelung von Justiz und Presse.


Abhilfe soll geschaffen werden durch eine neue Chip-Fabrik in Ostmalaysia, die 3000 Arbeitsplätze bieten und zum Aufschwung der Region beitragen soll, und durch die vermehrte Förderung von Erdgasvorkommen.


Anders als bei gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Aspekten öffnet sich die Regierung Mahatir in der Wirtschaft stark nach außen, hauptsächliche Abnehmer der Exporte sind USA, Japan und Singapur. Die Handelsbeziehungen werden gepflegt, gleichzeitig grenzt sich Malaysia aber deutlich gegenüber westlichen Werten ab.


Geografie:

Ein Fluss im Dschungel

Malaysia liegt in Südostasien im südchinesischen Meer. Ein Teil des Landes, Westmalaysia, umfasst den Südteil der malaiischen Halbinsel und grenzt an Thailand. Etwa in der Mitte seiner Westküste liegt die Hauptstadt Kuala Lumpur: Vor 150 Jahren noch ein Hüttendorf am schlammigen Flussufer, ist es nun eine riesige Metropole mit Wolkenkratzern und glitzernden Boulevards, wo für genügend Geld so ziemlich alles zu kaufen ist.


Der andere Teil des Landes, Ostmalaysia nimmt den nördlichen Teil der Insel Borneo ein und besteht aus den beiden Staaten Sabah und Sarawak, die im Süden jeweils an Indonesien grenzen.


Die Landschaft besteht aus gebirgigen Gegenden, breiten Flusstälern und ausgedehnten Schwemmland-Ebenen. Im Landesinnern wuchern riesige Regenwälder. Das Klima ist überall tropisch: Es herrschen große Luftfeuchtigkeit und Temperaturen um die 27 Grad - gleich, ob Januar oder Juli. Die Niederschlagsmengen sind ebenfalls ständig hoch: Wenn der Südwestmonsun im Oktober abnimmt, wird er vom Nordostmonsun abgelöst, um im April wieder aufzukommen.


Umwelt:

Ein großes Problem stellt die Abholzung und zu intensive Nutzung des Regenwaldes dar, der auch die Heimat vieler seltener Tierarten ist: Sonnenbären, Rüsselaffen und Orang-Utans stehen alle auf der Liste der bedrohten Arten. Doch es sind sogar auch Menschen in ihrer Existenz bedroht durch das rücksichtslose Vorgehen der Holzfirmen: Die Penan, eines der letzen Naturvölker unserer Erde, sind zu Hause im 160 Millionen Jahre alten Regenwald. Das Volk, das aus nomadisierenden Jägern und Sammlern besteht, lebte dort bis Ende der 80er Jahre friedlich und ungestört, bis die Holzfäller immer weiter in den Dschungel vordrangen. Das Wild, das die Lebensgrundlage der Penan darstellt, wurde knapp, die Flüsse sind verschmutzt, Unterernährung und Krankheiten nehmen zu. Sie versuchten sich durch Blockaden der Straßen zu wehren - doch ohne Erfolg. Ein Schweizer Hobby-Ethnologe unterstützte die durch ihren Analphabetismus benachteiligten Ureinwohner und erreichte zeitweilig internationale Aufmerksamkeit. Die Penan möchten erreichen, das ihnen das Landrecht für die traditionell genutzten Regionen zugesprochen wird. Dieser Anspruch wird jetzt zwar seit einigen Jahren vor Gericht verhandelt, doch es sieht nicht gut aus für das letzte Nomadenvolk der Insel Borneo: Bis jetzt siegten hauptsächlich die Interessen der Holzfirmen, und so geht es weiter mit Abholzung - und verzweifelten Blockaden. Übrigens gelten nur 4,5% der Landesfläche als geschütztes Gebiet.


Das zweite große Problem ist die Luftverschmutzung, die durch Industrialisierung, Brandrodungen und den Straßenverkehr vor allem in den Ballungszentren fast unerträglich geworden ist.


Bevölkerung:

Zwei Männer lehnen an einem Auto

In Malaysia leben über 22 Millionen Menschen. Davon sind 58% Malaien, 26% Chinesen und 7% Inder, außerdem Filipinos, Indonesier, Burmesen und Angehörige anderer Völker. Über 50% der Bevölkerung sind Muslime, etwa 17% Buddhisten, 7% Hindus und 7% Christen. Diese Mischung aus verschiedenen ethnischen Gruppen bereichert einerseits die Kultur des Landes mit unzähligen Festen und Bräuchen. Andererseits führt sie auch zu erheblichen gesellschaftlichen und sozialen Problemen.


Jeder ethnische malaiische Bürger ist von Geburts wegen Muslim oder Muslima. Malaien werden per Gesetz bevorzugt behandelt: Einkommen und Stellung sind ungeachtet der Leistung durch die ethnische Zugehörigkeit gesichert.


Es gibt etwa eine Million legale Arbeitsmigranten aus Indonesien, den Philippinnen und Thailand. Wie hoch die Zahl der illegal arbeitenden Menschen ist, ist unbekannt. Wird jedoch ein Arbeiter ohne Arbeitserlaubnis erwischt, blüht ihm die Internierung in einem Abschiebelager. Die Mischung aus verschiedenen ethnischen bzw. religiösen Gruppierungen beinhaltet viel Zündstoff, was sich auch in der Politik Malaysias niederschlägt.


Islamisierung:

Ein betender Muslim

Der Islam ist die vorherrschende Religion in Malaysia. In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts setzte eine große Islamisierungswelle ein und fand vor allem bei der jungen Generation auf dem Land Anklang. Dabei darf man "Islam" nicht nur als Glaubensrichtung verstehen, sondern als Lebensart, die das religiöse, private, wirtschaftliche und politische Leben umfasst. Außerdem ist das Verständnis der islamischen Lebensart durch die Kultur des jeweiligen Landes geprägt: In Malaysia fließen spirituelle Elemente aus Hinduismus, Animismus, Schamanismus oder Buddhismus ein.


Das Wechselspiel zwischen Religion und Politik und die Verflechtung beider Bereiche miteinander ist kompliziert in Malaysia: Die Muslime in der Bevölkerung akzeptieren diese Verflechtung nicht nur, sondern verlangen von Politikern das, was sie als korrekte islamische Lebensführung und Rhetorik erachten. Als Mahatir 1981 an die Regierung kam, nahm er den Wunsch der Bevölkerung nach der Islamisierung des öffentlichen Lebens in seine Politik auf: Die Regierungspartei sorgte für die kulturelle Institutionalisierung des Islam, richtete Koranschulen ein und stärkte die klerikalen Traditionen. Doch auch die größte Oppositionspartei nennt sich die "Islamische Partei Malaysias" (PAS).


Die Forderung nach demokratischen Reformen verbindet sich in diesem Fall also gerade nicht mit "Westlichkeit" - natürlich gibt es auch andere, nicht-islamische Gruppierungen, wie z.B. die multiethnische Reformbewegung "reformasi", für die das weniger zutrifft. Diesen nicht-islamischen Bewegungen wird oft westliche "Verdorbenheit" vorgeworfen - auch von den regierungskritischen Gruppen.


Da die öffentliche Diskussion um politische Themen so gut wie gar nicht in den Massenmedien stattfinden kann - kritische Zeitungen und Magazine werden einfach verboten oder in ihrer Auflage stark eingeschränkt - verlagert sie sich in die Moscheen und Gebetsräume. Die Zweischneidigkeit der Religionsausübung zeigt sich in einem skurrilen Beispiel, dem "Verbot der zwei Imame". Es ist Sitte, dass der Imam vor dem Freitagsgebet eine Ansprache zu allgemeinen Themen hält. Dieses Forum wurde genutzt: In manchen Provinzen predigten nun zwei Imame gleichzeitig verschiedene politische Auffassungen, jeweils eine Schar von Gläubigen der gleichen Meinung um sich versammelnd. Auch wenn diese Praxis nun verboten ist, gibt es noch viele andere Wege, politische Meinungen zu verbreiten. Taxifahrer z.B. nutzen die Popularität dieses Verkehrsmittels und beschallen ihre Fahrgäste während der Fahrt nicht mit Musik, sondern mit politischen Reden. Eine zunehmend wichtige Rolle bei der Suche nach Möglichkeiten zur freien Meinungsäußerung spielt auch das Medium Internet.


Islam steht in Malaysia einerseits für den Ruf nach Demokratisierung und Pluralisierung und andererseits für die Dominanz und die Intoleranz gegen Nicht-Muslime, Frauen und gegen Kritik an traditionellen islamischen Werten.


Wertevorstellungen:

Für Asien stellt sich immer wieder die Frage, ob es möglich und wünschenswert wäre, ein gemeinsames Wertesystem entsprechend den "shared values" der Europäischen Union zu formulieren, das die kulturellen Merkmale berücksichtigt. Mahatir gehört zu den Befürwortern eines solchen Sytems, und er betont dabei besonders die Abgrenzung zu westlichen Werten - ganz im Gegensatz zu seinem Verhalten auf dem wirtschaftlichen Sektor. Es scheint jedoch recht problematisch zu sein, die Interessen und Besonderheiten der so verschiedenen asiatischen Länder unter einen Hut zu bringen. Ein großes Hindernis stellt dabei gerade die Religion dar - islamische und nicht-islamische Länder werden sich schwerlich einigen können. Die islamischen Länder pochen auf die Miteinbeziehung der Religion in alle politischen und kulturellen Überzeugungen, wie es der Islam vorsieht und die nicht-islamischen Länder werden dies nicht akzeptieren.


Ein weiteres großes Problem ist die Frage nach der Einhaltung der Menschenrechte, gegen die auch Malaysia in vielen Fällen verstößt: Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird stark unterbunden, Haft ist in vielen Fällen ohne richterliche Überprüfung möglich und es gibt immer wieder politisch motivierte Urteile und Verfahren - das bekannteste Beispiel ist die Verhaftung und Verurteilung des ehemaligen Mahatir-Stellvertreters Anwar Ibrahim. Während der Haft werden viele Gefangene misshandelt, und die Prügelstrafe wird nach wie vor angewendet.


Stellung der Frau:

Der Bildungsstandard der Frauen ist recht hoch, es gibt viele Studentinnen an den Universitäten und ihre Präsenz in der Politik ist größer geworden. Es gibt mehrere Organisationen, die sich mit den Rechten und der Stellung der Frauen befassen, z.B. die All WomenŽs Action Society. Im Alltag ist für die Frauen eine untergeordnete Rolle vorgesehen.


Eine Verkäuferin auf dem Markt

Obwohl es sicher auch viele Frauen gibt, die sich aus freien Stücken dazu entscheiden, nach islamischen Vorstellungen zu leben und dies mit dem Tragen von Kopftuch und traditioneller Kleidung zum Ausdruck bringen, muss man doch auch sehen, dass es höchstens Frauen aus den höheren gesellschaftlichen Schichten möglich ist, sich aus freien Stücken dagegen zu entscheiden. Es ist anzunehmen, dass z.B. die Frauen in Normanizams Familie, also Frauen, die auf dem Land in einer traditionell organisierten Dorfgemeinschaft leben, ihre Kopftücher nicht nur aus freier Entscheidung tragen. In Malaysia stecken Frauen in einem zusätzlichen Dilemma: Mit traditioneller Kleidung werden sie automatisch der (islamischen) Reformbewegung für mehr Demokratie zugeordnet, mit moderner Kleidung und dem Ruf nach mehr Rechten für Frauen scheinen sie die Regierungspartei zu unterstützen. So sind sie hin- und hergerissen zwischen zwei Zielen, die aus westlicher Sicht eigentlich wie eines erscheinen und in der momentanen politischen Landschaft Malaysias plötzlich gegensätzlich sind. Dennoch versuchen Frauen, Islam und ihre Anliegen zu vereinen, wie z.B. die Gruppe "Sisters in Islam".


Vereinzelt gibt es Frauen, die sich für Sepak Takraw aktiv interessieren und versuchen, in diese Männerdomäne einzubrechen. 1997 gab es zum ersten Mal Frauen-Sepak-Takraw bei den Asien-Spielen. Im Jahr darauf wurde die Durchführung eines Frauenturniers bem Grand Prix in Malaysia jedoch abgesagt, weil die Aufstellung eines vollständigen Teams nicht möglich war.


Was sagt Sepak Takraw über Malaysia aus?

Das Spiel spiegelt viele Erscheinungen der Politik und nationalen Identität Malaysias: Es ist ein Spiel, das auf sehr alte Traditionen zurück geht - diese Traditionen spielen nach wie vor eine große Rolle im Land. Es ist wichtig für die Malaien, dass Sepak Takraw ihr ureigenes Spiel ist, und sie sind stolz darauf, dass sein Bekanntheitsgrad auch in anderen Ländern zunimmt. Gleichzeitig wird um die Urheberschaft mit anderen asiatischen Ländern gestritten: Es scheint nicht möglich zu sein, die Traditionen des Landes als Traditionen einer gesamten Region zu verstehen, ein Aspekt, der sich in der mühsamen Suche nach gemeinsamen asiatischen Werten wiederfindet.


Historisches Foto einer Gruppe Takraw Spieler

Die Kolonialisierung durch verschiedene europäische Völker hat das alte Sepak Raga ebenso verändert wie das Land und seine Spuren hinterlassen. Doch die Vermischung der malaysischen mit europäischer Kultur hat schließlich etwas Neues hervorgebracht, was nun wieder als malaysische Identität verstanden werden kann und will.


Was den Sport betrifft, ist das Land auch bestrebt, sich dem Westen zu öffnen und das Spiel Sepak Takraw zu exportieren - übrigens findet es in den USA, die auch der wichtigste Außenhandelspartner Malaysias sind, den meisten Anklang. Nach dem Wunsch der ISTAF sollte das Spiel möglichst bald olympische Disziplin werden.


Begleittexte von Ingeborg Schuster


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