Regeln für Naginata - die verschiedenen Stile
An den traditionellen Schulen wurde außer dem Umgang mit der Naginata auch der Kampf mit einer großen Anzahl weiterer Waffen gelehrt. Der Trainer war bei allen Kampfformen mit einem kurzen Schwert bewaffnet.
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Das Wort kata bedeutet "Zweikampf", gleichzeitig ist es aber auch die Bezeichnung für die ursprünglich vielfältigen, fest vorgeschriebenen Bewegungen.
Zuerst trainierte die Schülerin alleine die kata, später kämpfte sie dann mit einem Partner. Die spiraligen Bewegungen, die beim Kampf ausgeführt werden, dienten ursprünglich dazu, Pfeile abzuwehren. Sie zielen auf das Handgelenk oder den Unterarm.
Während des Trainings sollte die Schülerin stets daran denken, dass sie sich in einem Kampf befand, in dem sie ihrem Gegner das Leben nehmen oder umgekehrt von ihm getötet werden konnte. Auf diese Weise wurde ihr einerseits ihre Stärke und andererseits ihre Verletzlichkeit, letztendlich auch ihre Sterblichkeit bewusst - und die damit verbundene Verantwortung für sich und andere.
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Zu ihrem Schutz hielten die Kämpferinnen so viel Abstand voneinander, dass sie die Bewegungen der Naginata mit vollem Schwung ausführen konnten, ohne einander zu verletzen.
Die Bewegungen werden auch heute noch durch spezielle Rufe, die kiai unterstützt, mit denen die Kämpferin die Kraft der Atmung nutzt, um bei sich oder ihrer Gegnerin bestimmte Gefühle oder Reaktionen hervorzurufen. Eine junge Sportlerin beschreibt das so: "Die Gefühle der Kämpferin sind hektisch ... sie hört die Stimmen der Leute außenrum und um sich wieder in den Griff zu kriegen, sind die Schreie da."
Schon vor der Edo-Periode bildeten sich viele verschiedene Naginata-Schulen heraus, die alle ihre eigene kata hatten. Sie wurden überliefert und immer weiter entwickelt. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Kampf mit der Naginata stark verändert: Naginata war jetzt Bestandteil der schulischen Lehrpläne.
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Jetzt wurden statt einzelner Schülerinnen große Gruppen unterrichtet, die in langer Reihe dem Trainer gegenüberstanden. Sie führten die vielen komplizierten Bewegungen nun sozusagen stundenlang gegen die Luft aus - das schien vielen Lehrern sinnlos und langweilig. Die kata wurde stark vereinfacht, aus verschiedenen Naginata-Schulen wurden dafür die wichtigsten kata herausgenommen.
Im Zuge dieser Neuerungen entstand atarashii naginata, ein Zweikampf mit Schutzkleidung, in dem die ursprünglichen Bewegungen keine große Rolle mehr spielen. Die Kämpferinnen tragen Helm und Schutzkleidung, und sie berühren sich wirklich mit ihren Waffen. Es gibt acht Körperflächen, an denen ein Treffer einen Punkt bringt: Auf dem Kopf und an seinen Seiten, an der Kehle, an den Seiten des Rumpfes und an den Schienbeinen. Andere Treffer - auch wenn sie potentiell tödlich wären - zählen nicht.
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Der atarashii-Kampf hat nichts Getragenes, Tänzerisches mehr. Er ist schnell und aggressiv, gut mit dem europäischen Fechten zu vergleichen. Die Kämpferinnen stehen auf den Fußballen, um schnell zuzustoßen und sich zurückziehen zu können. Auf Turnieren werden beide Formen, kata und atarashii naginata praktiziert.
Bei der kata treten zwei Paare gegeneinander an. Dabei tragen sie die traditionelle Kleidung, weiße Blusen und lange dunkle Röcke. Sie halten soviel Abstand, dass sie sich nicht verletzen können. Die Punkte werden von Kampfrichtern für die korrekte Ausführung der kata vergeben.
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Es gibt auch vereinzelte Schulen, die versuchen, die traditionellen katas am Leben zu erhalten und damit auch das Bewustsein dessen, was Naginata ursprünglich war: Eine Verteidigungsskunst mit spirituellem Hintergrund.
Doch für viele Sportlerinnen ist Naginata ohnehin auch ein Training des Geistes und der Psyche. Die Büroangestellte Maeda sagt z. B.: "Mir gefällt an Naginata, dass man sehr gut psychische Kräfte sammeln kann, weil man das Alltagsleben vergisst und völlig darin aufgeht."
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