Die Katastrophe von Tschernobyl ereignete sich in einem Kernkraftwerk in der Ukraine, mehr als tausend Kilometer von Deutschland entfernt. Unter den Auswirkungen leiden die Menschen und die Natur noch Jahrzehnte danach – und zwar nicht nur vor Ort. Heute werden weltweit rund 450 Atomkraftwerke betrieben. In vielen von ihnen ereigneten sich in der Vergangenheit mehr oder weniger gravierende Störfälle – angeführt vom GAU in Fukushima 2011.
Informationen zu Kernkraft, AKWs und die Lagerung von Atommüll
Auch Deutschland hat lange Jahre einen Teil seines Strombedarfs aus der Atomkraft bezogen. An rund 20 Orten lagert bis heute der bei der Produktion angefallene radioaktive Müll. Einen Überblick über wichtige Themen rund um die Kernkraft vermitteln Texte, Karten und interaktive Simulationen.
Weltweit waren Anfang 2011 insgesamt 443 Kernkraftwerke in Betrieb, 62 weitere im Bau. Doch das Uran reicht schon lange nicht mehr aus, um den derzeitigen Bedarf zu decken. Wie lange kann es die Atomkraft überhaupt noch geben?
Ohne Uran keine Kernspaltung. Uran ist das einzige natürlich vorkommende Schwermetall, das eine Kernspaltungs-Kettenreaktion ermöglicht. Doch wie viel Uran gibt es überhaupt? 200 Jahre, so das deutsche Atomforum, reiche das Uran noch aus. Dem widerspricht der Weltverband der Reaktorbetreiber: Selbst wenn keine neuen Atomkraftwerke gebaut würden, reichten die weltweiten Vorkommen noch für 80 Jahre. Kernkraft-Kritiker gehen sogar von weniger aus.
Grund für die äußerst unterschiedlichen Zahlen sind der Preis für die Förderung, aber auch die Einbeziehung vermuteter Uranvorkommen: Uran, das für einen Kilopreis von unter 80 Dollar gefördert werden kann, steht laut Internationaler Energieagentur und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nur noch bis etwa 2020 zur Verfügung. Bei einem Förderpreis von 80 bis 130 Dollar reichen die bekannten Uranvorkommen bis 2076. Geht man von einem noch höheren Förderpreis aus und bezieht mögliche künftige Funde mit ein, sind es rund 100 Jahre mehr.
Nur die Kernenergie-Organisation (NEA) der OECD hebt sich deutlich ab. Sie setzt auf die Schnellen Brüter. Damit, so die NEA in ihrem „Kernenergieausblick 2008“, könnten die derzeit gesicherten Uranvorkommen „ausreichend sein, um ein deutlich ausgebautes globales Kernenergieprogramm über Jahrtausende mit Brennstoff zu versorgen.“
Schon heute weltweit Mangelware
Sicher ist: Die Uranförderung kann schon seit Anfang der 1990er Jahre nicht mehr den Bedarf der inzwischen 443 Atomkraftwerke decken. 2011 soll die Fördermenge rund 50.000 Tonnen Uran betragen, benötigt werden jedoch 69.000 Tonnen. Gehen alle 62 derzeit in Bau befindlichen Atommeiler in Betrieb, wird die Diskrepanz noch größer. Zusätzlich sind weltweit über 150 weitere AKWs in Planung. Bisher wurde die Lücke zwischen Verbrauch und Bedarf durch zivile und militärische Reserven ausgeglichen. Doch auch diese Vorräte neigen sich dem Ende zu. Die Verknappung schlägt sich auch im Preis nieder: Allein von 2003 bis 2007 stieg der Preis für Uran um 1300 Prozent. Als Preistreiber wirkt unter anderem die Ankündigung Chinas, seine Kernenergie-Kapazitäten versechsfachen zu wollen: Zu den bestehenden 13 Anlagen kommen dort 27 hinzu, die bereits gebaut werden. In Planung sind 50 weitere. Neu entwickelte Kernkraftwerke in aller Welt werden den Uran-Verbrauch enorm erhöhen.
Dass der explodierende Uranpreis sich bisher kaum auf die Stromkosten auswirkt, erklärt das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie mit der Tatsache, dass die reinen Brennstoffkosten bei der Atomkraft nur etwa fünf Prozent des Preises ausmachen. In den nächsten Jahren werden weitere Preissteigerungen erwartet. „Praktisch unbegrenzt“ wäre die Reichweite des Urans nach Meinung des Ministeriums, würden neue Reaktorgenerationen entwickelt, würde Kernbrennstoff gespart, die Brüter-Technologie eingesetzt und die Wiederaufarbeitung berücksichtigt. Allerdings hat Deutschland schon lange die Brüter-Technologie aufgegeben, die Wiederaufarbeitung ebenso. In beiden Fällen spielten Sicherheitserwägungen eine große Rolle, aber auch der erhebliche Widerstand der Bevölkerung.
Importartikel Uran
Deutschland ist – wie die anderen westeuropäischen Staaten und die USA – fast komplett von Uranimporten abhängig. Bis Anfang der 1990er Jahre wurde in Deutschland in der SDAG Wismut Uran gefördert. Heute werden nur noch im Rahmen der Stilllegung kleinere Mengen Uran gewonnen. Ähnlich sieht es beispielsweise in Frankreich aus, das den weltweit zweithöchsten Verbrauch an Uran hat – mit über 10.000 Tonnen pro Jahr rund dreimal so viel wie Deutschland. Die USA gehören zwar zu den Förderländern, doch verbraucht das Land mit den meisten AKWs der Welt weit mehr Uran, als es selbst besitzt. 2008 wurden in den USA knapp 1500 Tonnen gefördert, im gleichen Zeitraum jedoch fast 19.000 Tonnen verbraucht.
Uran wird heute hauptsächlich in Kasachstan, Kanada, Australien, Namibia, Russland, Niger, Usbekistan, den USA, der Ukraine, China und Südafrika gefördert. Insbesondere in den afrikanischen Ländern sorgt der Uranabbau für große Probleme durch radioaktive Verstrahlung der Minenarbeiter und der Umwelt. Woher das Uran stammt, das in deutschen Atomkraftwerken verbraucht wird, gibt die Regierung nicht preis. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie erklärt dazu auf seiner Website lediglich: „Kernenergie ist deshalb quasi einheimische Energie, weil die Veredelung des Urans in Deutschland erfolgt.“ Auch die Versorgungssicherheit sei gegeben, „da die Uranreserven in überwiegend politisch stabilen Regionen (z.B. Kanada, Australien, Südafrika) liegen.“
Bis März 2011 waren in Deutschland 17 Atomkraftwerke in Betrieb. 15 AKWs, darunter drei Versuchs- und Forschungsreaktoren, wurden seit 1971 stillgelegt. Lediglich ein Reaktor, der Schnelle Brüter Kalkar, wurde fertiggestellt, jedoch nie in Betrieb genommen. Nach dem Reaktorunglück von Fukushima beschleunigte die Bundesrepublik den Atomausstieg: Für acht ältere Atomkraftwerke kam kurz darauf das Aus. Alle anderen werden nach und nach bis 2022 stillgelegt.
Der geplante Ausstieg
Nach der Katastrophe von Tschernobyl war in Deutschland kein AKW mehr in Betrieb gegangen. Im Juni 2000 beschloss die damalige rot-grüne Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie. Sie hatte sich mit den Energieversorgungsunternehmen auf Restlaufzeiten für die damals 19 in Betrieb befindlichen Atommeiler geeinigt. Für alle AKWs wurde eine Regellaufzeit von 32 Kalenderjahren zugrunde gelegt. Für jedes einzelne Kraftwerk wurde festgelegt, welche Strommenge es ab Januar 2000 bis zur Stilllegung maximal produzieren durfte. Auf Basis dieses Atomkonsenses wäre 2020 der letzte Meiler stillgelegt worden.
Die Laufzeitverlängerung
2010 beschloss die christlich-liberale Bundesregierung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland zu verlängern. Kraftwerke, die vor 1980 gebaut worden waren, sollten acht Jahre länger produzieren dürfen. AKWs, die nach 1980 in Betrieb gegangen waren, erhielten eine Laufzeitverlängerung um 14 Jahre. Im Oktober 2010 beschloss der Bundestag die entsprechende Änderung des Atomgesetzes. Da das Gesetz ohne Beteiligung des Bundesrates geändert wurde, reichten fünf Bundesländer Verfassungsklage ein.
Das Moratorium
Ein verheerendes Erdbeben in Japan am 11. März 2011 richtete schwere Schäden an mehreren japanischen Atomkraftwerken an. Besonders in den sechs Reaktorblöcken des AKWs Fukushima I kam es wegen der fehlenden Kühlung der Brennstäbe zu einer unkontrollierbaren Situation. Es ereigneten sich mehrere Explosionen, bei drei Reaktoren wurde eine Kernschmelze befürchtet. In der direkten Umgebung des Atomkraftwerks trat Radioaktivität aus.
Die Atomkatastrophe von Japan löste weltweit eine neue Diskussion um die Sicherheit der Kernkraft aus. In Deutschland führte sie nach wenigen Tagen zu einer zumindest vorläufigen politischen Kehrtwende: Über die sechs Monate zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung wurde für drei Monate ein Moratorium verhängt. Für diese Zeit werden acht der älteren deutschen AKWs vom Netz genommen und einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Das Moratorium bedeutet zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht das Rückgängigmachen der Laufzeitverlängerung. Lediglich für das Atomkraftwerk Neckarwestheim I kam das sofortige Aus – die nötige Nachrüstung hätte den Altmeiler nach Angaben des Betreibers EnBW unrentabel gemacht.
Der Ausstieg
Als erste führende Industrienation beschloss Deutschland am 30. Juni 2011 den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie bis zum Jahr 2022. Die Novelle des Atomgesetzes war eine direkte Folge von Fukushima und der folgenden Sicherheitsüberprüfung der deutschen Akws. Beschlossen wurde die Novellierung mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Die Atomkraftwerke, die bereits während des Moratoriums abgeschaltet worden waren, wurden daraufhin endgültig vom Netz genommen. Für die verbleibenden neun Akws legt das Atomgesetz feste Abschalttermine fest. Als letzte Anlagen sollen 2022 Isar 2, Emsland und Neckarwestheim für immer abgeschaltet werden. Mit der Änderung des Atomgesetzes strich die Regierung die zusätzlichen Elektrizitätsmengen, die sie den Betreibern 2010 noch zugesprochen hatte. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, hat die Bundesnetzagentur die Erlaubnis, eines der sieben ältesten Kraftwerke als Reserve festzulegen, dies aber nur für maximal zwei Jahre. Diese Reserve, stellte die Bundesnetzagentur inzwischen fest, wird nicht mehr benötigt.
Die Klage der Konzerne
Nach dem Moratorium verklagten die Energiekonzerne die entsprechenden Bundesländer sowie die Bundesrepublik. Sie pochten auf Schadensersatz wegen entgangener Umsätze. Zwei Klagen wurden abgewiesen, bei einem weiteren Verfahren die Summe schon vorher stark nach unten korrigiert.
Seit Ende 2015 befasst sich die eigens eingerichtete Atomkommission mit den Fragen nach der Finanzierung des Rückbaus der Atomkraftwerke sowie den Kosten von Zwischen- und Endlagerung.
Infoblatt: Deutsche Atomkraftwerke
Infoblatt mit Eckdaten zu allen deutschen Atomkraftwerken.
Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle
Zwischenlager
Deutschland verfügt derzeit (2016) über kein Endlager für radioaktive Abfälle. Die Einlagerung in der Schachtanlage Asse II wurde gestoppt, da der ehemalige Salzstock instabil ist. Bis das geplante Endlager Schacht Konrad 2022 fertiggestellt ist, müssen entsprechend dem deutschen Atomgesetz alle Atomkraftwerke eigene Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente haben. In diesen sogenannten Standort-Zwischenlagern dürfen die abgebrannten Brennelemente maximal 40 Jahre lang aufbewahrt werden.
Darüber hinaus gibt es Zwischenlager stillgelegter AKWs wie Würgassen und Obrigheim, wobei in Obrigheim bereits Castor-Behälter eingelagert wurden, obwohl die Genehmigung noch nicht vorliegt. Dezentrale Zwischenlager werden an den Standorten Jülich und Greifswald betrieben. Für den Standort Jülich gibt es seit Juli 2014 eine Räumungsanordnung des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums. Verantwortliche Besitzerin der Brennelemente ist die neu gegründete Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen mbH (JEN). Mitte 2016 erteilte das Bundesamt für Strahlenschutz dem Betreiber des Zwischenlager Ahaus, die 152 Castorbehälter aus Jülich einzulagern. Parallel zum Transport nach Ahaus werden zwei weitere Möglichkeiten geprüft: der Neubau eines neuen, sicheren Zwischenlagers oder der Rücktransport der Brennelemente in die USA.
Weitere zentrale Zwischenlager befinden sich in Ahaus (Brennelemente aus Leistungs-, Prototyp- und Forschungsreaktoren) und Gorleben (Brennelemente aus Leistungsreaktoren und verglaste hochradioaktive Abfälle aus der Wiederaufarbeitung).
In den deutschen Zwischenlagern werden sowohl abgebrannte Brennelemente als auch verglaste hochradioaktive Abfälle eingelagert. Sie befinden sich in dickwandigen, dichten Behältern, die so konzipiert sind, dass sie auch Erdbeben, Flugzeugabstürzen oder Explosionen standhalten. Bis in Deutschland die Nutzung der Kernenergie beendet wird, werden schätzungsweise 290.000 Kubikmeter schwach- und mittelaktive Abfälle anfallen. Dazu kommen laut Bundesumweltministerium 30.000 bis 40.000 Kubikmeter mittel- und hochradioaktive Abfälle mit relevanter Wärmeentwicklung.
Radioaktive Abfälle entstehen jedoch nicht nur durch den Betrieb von Atomkraftwerken, sondern beispielsweise auch in Forschung, Industrie und Medizin. Für diese Abfälle stehen elf Landessammelstellen zur Verfügung. Ein Teil dieser radioaktiven Abfallstoffe wird auch von privaten Firmen abgeholt und zum Teil von ihnen gelagert.
Castorbehälter
Speziell für den Transport und die Zwischenlagerung von hoch radioaktiven Abfällen wurden die sogenannten Castorbehälter entwickelt. Die zylindrischen Behälter sind etwa sechs mal 2,5 Meter groß, bestehen aus Gusseisen mit kugelförmigem Graphit und wiegen über 100 Tonnen. Castoren müssen entsprechend den Empfehlungen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) extremen Belastungen standhalten, beispielsweise einem Fall aus neun Metern Höhe, einem bis zu 30-minütigen Feuer bis 800 Grad oder acht Stunden im Wasser in einer Tiefe von 20 Metern. Castoren sind für die Zwischenlagerung konzipiert und für maximal 40 Jahre zugelassen.
Nachzerfallswärme
Werden verbrauchte Brennelemente aus einem Reaktor entfernt, ist zwar die Kettenreaktion unterbunden, durch den Zerfall der Spaltprodukte entsteht jedoch auch weiter Energie in Form von Wärme. Die abgebrannten Brennstäbe müssen daher ständig gekühlt werden und kommen zunächst in ein wassergefülltes Becken. Das Wasser selbst muss ebenfalls ständig gekühlt werden, damit es nicht verdampft und die heißen Brennstäbe freiliegen. Andernfalls würde es zur Schmelze der Brennstäbe kommen. Das gleiche gilt für einen Reaktor im abgeschalteten Zustand.
Die Nachzerfallswärme ist noch Jahre nach der Abschaltung eines Reaktors oder nach der Entnahme der Brennstäbe vorhanden. Die Brennelemente lagern daher mehrere Jahre in den sogenannten Abklingbecken der jeweiligen AKWs, bevor sie in Zwischenlager gebracht werden.
Infoblatt: Zwischenlager in Deutschland
Infoblatt zu atomaren Zwischenlagern in Deutschland.
Problem Endlagerung
Bisher gibt es weltweit keine Möglichkeit, hoch- und mittelradioaktiven Atommüll sicher endzulagern. Für den geologischen Einschluss, der in vielen Ländern untersucht wird, müssten Lagerorte gefunden werden, in denen hoch radioaktives Material über viele Tausend Jahre sicher eingelagert werden kann. In Deutschland wird der Zeitraum mit einer Million Jahre angenommen, andere Länder gehen von einem kürzeren Zeitraum aus.
Dafür wären Gesteinsformationen nötig, bei denen weder nach Erdbeben noch durch Gebirgsklüfte Radioaktivität entweicht und bei denen kein Kontakt zum Grundwasser entsteht. Dazu kommt das Problem der Lagerbehälter: Sie bestehen aus Edelstahl. Und wie lange sie sich halten werden, kann niemand voraussehen. Auch ob die Verglasung der Abfälle langfristig eine Lösung ist, ist bisher unbekannt. Vieles hängt davon ab, ob die Behälter im Lauf der Jahrtausende mit Wasser in Berührung kommen, das zur Korrosion des Metalls oder zum Zerfall des Glases führen könnte.
In Deutschland werden seit Jahrzehnten Standorte diskutiert und auf ihre Sicherheit überprüft. 2009 wurden neue Sicherheitsanforderungen festgelegt. Dazu gehören unter anderem:
● der sichere Einschluss für mindestens eine Million Jahre
● Kontrollen, die auch nach Stilllegung eines Endlagers vorgenommen werden müssen
● die Möglichkeit, die eingelagerten radioaktiven Abfälle bis zum Verschluss des Endlagers jederzeit zu bergen.
Im Juli 2013 trat das Standortauswahlgesetz in Kraft. In ihm ist geregelt, wie in Deutschland nach einem Standort gesucht werden soll. Dies betrifft nicht nur den wissenschaftlichen Teil, eine sichere Lagerstätte für die nächste Million Jahre zu finden, sondern auch die Informationspolitik. Die Suche soll transparent, glaubwürdig und möglichst von einer breiten gesellschaftlichen Basis gestützt sein. Ebenso ist die Beteiligung der Öffentlichkeit in den verschiedenen Phasen der Suche geregelt.
Am 30. Juli 2016 trat das „Gesetz zur Neuordung der Organisationsstruktur im Bereich des Strahlenschutzes und der Endlagerung“ in Kraft. Kern des Ganzen: Eine neue Behörde entsteht. Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) wird ab sofort für Genehmigungen im Bereich der Kerntechnik, für Zwischen- und Endlager zuständig sein.
Doch wohin nun mit dem strahlenden Müll? Sowohl in der Schachtanlage Morsleben als auch im Salzbergwerk Asse befinden sich radioaktive Abfälle. Morsleben wird verfüllt; der strahlende Atommüll aus der Asse muss aufwändig wieder zurückgeholt werden. Der Standort Gorleben wurde 2013 endgültig aufgegeben. Bleibt Deutschland bislang ein Standort als Endlager für radioaktive Abfälle: der Schacht Konrad in Niedersachsen.
Schacht Konrad
Bei Schacht Konrad handelt es sich um ein stillgelegtes Erzbergwerk in der Nähe von Salzgitter in Niedersachsen. 1982 beantragte die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das Planfeststellungsverfahren für ein Endlager. Gegen das Vorhaben gab es massiven Widerstand von Kommunen, Verbänden, Bürgerinitiativen. Rund 30 Jahre nach den ersten Erkundungen begann 2007 die Umrüstung der Schachtanlage. Das künftige Endlager soll laut Bundesamt für Strahlenschutz über 90 Prozent aller radioaktiven Abfälle Deutschlands aufnehmen können. Platz ist für bis zu 303.000 Kubikmeter radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung vorhanden.
Die Kosten bis zur Inbetriebnahme werden derzeit (2016) auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt. Die ursprünglich veranschlagte Summe von unter einer Milliarde musste bereits stark nach oben korrigiert werden. Wie viel die Errichtung des Endlagers bis zur geplanten Fertigstellung im Jahr 2022 tatsächlich kosten wird, ist jedoch völlig unsicher. Etwa zwei Drittel der Kosten sollen von den Energieversorgern übernommen werden, ein Drittel wird aus Steuern finanziert.
Morsleben
Die DDR baute die ehemalige Schachtanlage bei Morsleben in Sachsen-Anhalt nach dem Ende der Steinsalz- und Kaligewinnung zum atomaren Endlagerstätte um. 1971 wurde das Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben (ERAM) in Betrieb genommen. Die Abfälle stammten bis 1991 vor allem aus den Atomkraftwerken Greifswald und Rheinsberg. Von 1994 bis 1998 wurden auch radioaktive Abfälle aus den alten Bundesländern eingelagert – über 22.000 Kubikmeter und damit gut ein Drittel mehr als zu DDR-Zeiten. 1998 wurde die Einlagerung gestoppt. Seit 2003 wird der ehemalige Salzstock mit Salzbeton verfüllt und auf diese Weise stabilisiert, da das Bergwerk teilweise einsturzgefährdet ist. Bei einem sogenannten Löserfall war eine 5000 Tonnen schwere Salzsteinplatte von einer Decke gefallen. Weitere Einstürze werden befürchtet. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat die atomrechtliche Stilllegung des Endlagers Morsleben beantragt.
Gorleben
Neben dem Zwischenlager Gorleben im niedersächsischen Wendland soll in dem ehemaligen Salzstock eine Endlagerstätte entstehen. Die Entscheidung, den Standort zu untersuchen, fiel bereits 1977. Die 1979 gestarteten Erkundungsarbeiten wurden im Jahr 2000 durch ein Moratorium der rot-grünen Bundesregierung unterbrochen. Gegen das Endlager Gorleben gab es immer wieder heftige Proteste. Erneute Erkundungsarbeiten gab es zwischen 2010 und 2013. Mit dem Inkrafttreten des Standortauswahlgesetzes wurden die Arbeiten beendet.
Asse II
Im ehemaligen Salzbergwerk Asse im Landkreis Wolfenbüttel wurden von 1967 bis 1978 rund 125.000 Fässer mit schwach- bis mittelradioaktivem Müll eingelagert. 1988 wurde festgestellt, dass jeden Tag kubikmeterweise Wasser in den Salzstock eindringt, zehn Jahre später war eine der Kammern mit radioaktivem Abfall einsturzgefährdet. Inzwischen wurde die Stilllegung der Asse beschlossen. Da sich der vermeintlich sichere Salzstock aber als höchst instabil erwiesen hat, sprach sich der heutige Betreiber, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), im Jahr 2010 dafür aus, die eingelagerten radioaktiven Abfälle wieder aus dem Salzstock zurückzuholen.
Die Rückholung der Abfälle ist weltweit einmalig. Auf Erfahrungen kann das BfS nicht zurückgreifen. Dafür gibt es neben der Einsturzgefahr weitere Probleme: Karten zum Bergwerk haben sich, ebenso wie Angaben zum Untergrund, als nicht zutreffend erwiesen. Neben der Rückholung müssen so auch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen für die Mitarbeiter getroffen werden. Ebenso arbeitet das BfS an Plänen für den Fall dass die Anlage „absäuft“ (Zitat BfS), bevor der radioaktive Müll geborgen werden kann.
Das erste Erholungs- und Bildungszentrum, das speziell für Tschernobyl-Kinder errichtet wurde, bekam den Namen "Nadeshda", auf Deutsch: Hoffnung. Es liegt rund 100 Kilometer vom weißrussischen Minsk entfernt in einer nicht-verstrahlten Zone. 1994 wurde es vom Frankfurter Verein "Leben nach Tschernobyl e.V." eröffnet, der den Kindern aus den verstrahlten Gebieten im eigenen Land helfen will.
In den Anfangsjahren kamen etwa 1800 Kinder jährlich für zwei Monate nach Nadeshda. Der Aufenthalt in der besonders strahlungsarmen Umgebung sowie gesunde, vitaminreiche Kost sollten ihnen helfen, Strahlenbelastung abzubauen. Die Ernährung war besonders wichtig, da ein Großteil der Strahlung über Nahrungsmittel aufgenommen wird. Zu den typischen Krankheitsbildern der Kinder aus der Region um Tschernobyl zählten Schilddrüsenkrebs, Kreislauferkrankungen, Tumore, Störungen der Nervensystems und der Sinnesorgane.
Bis 2011 wurden in Nadeshda über 42.000 Kinder und Jugendliche aufgenommen, pro Jahr verzeichnet das Zentrum rund 100.000 Übernachtungen. Die Kinder, die heute dort von Sozialpädagogen, Psychologen, Lehrern und Ärzten betreut werden, wurden lange nach der Katastrophe von Tschernobyl geboren. Doch auch sie leiden unter den gesundheitlichen Folgen der Strahlenbelastung. Hauptsächliche Erkrankungen betreffen die Atemwege, den Nasen-Rachen-Raum, den Blutkreislauf, das Endokrine System und das Muskelsystem. In Nadeshda werden sie medizinisch untersucht und erhalten Reha-Maßnahmen und psychologische Betreuung. Außerdem stehen für sie Freizeit-, Kultur- und Bildungsangebote auf dem Programm.
Der Bau des Zentrums Nadeshda wurde durch Spendenmittel des Vereins "Leben nach Tschernobyl e.V." finanziert. Dazu kamen Fördergelder des Landes Hessen und des Staates Belarus. Weitere Mittel stammten vom Wohltätigkeitsfonds "Leben nach Tschernobyl-Republik Belarus"; von der Männerarbeit der evangelischen Kirche und vom Sozialdienst Evangelischer Männer. Vieles wurde in ehrenamtlicher Arbeit geleistet, unter anderem von Helfern aus Deutschland. Die erste Ausbaustufe des Heims kostete fünf Millionen Mark.
Nadeshda wurde im Lauf der Jahre immer wieder vergrößert und ist heute zu einem großen Dorf geworden. Das Zentrum ist frei von staatlicher Einflussnahme und wird von Stiftungen, kirchlichen Organisationen und anderen Tschernobyl-Initiativen unterstützt. Einen Teil der Kosten erwirtschaftet das Zentrum selbst durch Bildungs- und Tourismusangebote.
Kontakt:
Leben nach Tschernobyl e.V.
Ludolfusstraße 2-4
60487 Frankfurt am Main
Telefon 069/707603-17
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