Der Storch findet in unserer Landschaft zuwenig Nahrung
colourbox.com
Früher gehörten Storchennester auf den Dächern zum Bild vieler Dörfer. Der liebevolle Umgang der Storcheneltern mit ihren Küken war vielleicht der Ursprung der Legende vom Storch als Kinderbringer.
Dem Storch wurde in modernen Zeiten die Intensivierung der Landwirtschaft zum Verhängnis. Störche profitierten zunächst sehr von den landwirtschaftlichen Nutzflächen des Menschen, boten sie ihm doch den benötigten Freiraum für die Jagd auf Mäuse oder Regenwürmer. Auch Frösche und Eidechsen werden von ihm gern gefressen, deshalb war er ein häufiger Gast auf Feuchtwiesen und Weideflächen.
Wird die Landwirtschaft jedoch zu intensiv betrieben, verkehren sich die Vorteile für den Storch ins Gegenteil. Auf zu intensiv bewirtschafteten Feldern sind auch die Mäuse vertrieben worden, da sie keine Nahrung mehr auf ihnen finden. Viele Feuchtflächen wurden besonders in den 1960er und 1970er Jahren trockengelegt, worunter nicht nur die Frösche litten, sondern eben auch der Storch. Allzu viele Störche starben auch den elektrischen Tod auf unzureichend isolierten Strommasten. In den 1980er Jahren waren die Bestandszahlen der Störche dann auf ihren bis daher niedrigsten Wert gefallen. Glücklicherweise hatte man das Problem zu jenem Zeitpunkt aber erkannt und begann gezielt gegenzusteuern, indem Feuchtgebiete aufgekauft und renaturiert und viele Strommasten besser isoliert wurden. Die Schutzmaßnahmen für Amphibien kamen indirekt auch dem Storch zu Gute, der wieder mehr Nahrung findet. Inzwischen sind die Bestandzahlen in vielen europäischen Ländern wieder ansteigend, auch wenn die Werte vor dem großen Einbruch im 20. Jahrhundert längst noch nicht wieder erreicht wurden.
Details
Nicht umsonst heißen sie auch Klapperstörche , denn die Weißstörche verständigen sich durch Klappern. Dabei biegen sie in höchster Klappererregung die Hälse so weit zurück, daß die Köpfe den Rücken berühren und die Schnäbel in die Luft zeigen. Die Vögel klappern zur Begrüßung, aber auch als Drohung. Dabei wird das Drohklappern durch pumpende Flügelbewegungen unterstützt. Störche sind bei der Auswahl ihrer Nahrung überhaupt nicht wählerisch. Sie fressen Regenwürmer und Insekten, z.B. Heuschrecken oder Maikäfer – in Afrika auch Wanderheuschrecken – Feldmäuse, Maulwürfe, Eidechsen, gelegentlich Schlangen, manchmal Jungvögel von Bodenbrütern, Fische – eher kranke oder auch verendete – und kleinere Wassertiere, die mit der Schnabelspitze ertastet werden. Größere Tiere werden immer mit dem Kopf voran gefressen, nachdem sie zuvor mit dem Schnabel getötet wurden. Übrigens spielen Frösche auf dem Speiseplan des Storchs keineswegs eine so überragende Rolle wie gemeinhin angenommen wird.
Der Horst ist Mittelpunkt im Leben der Störche. Hier findet nach der Rückkehr im Frühjahr die Paarbindung statt. Dann wird gemeinsam am Horst gebaut. Auch während des Brütens ist der Nestbau nicht abgeschlossen. Selbst wenn sie mit Futter für die Jungen zum Nest kommen, bringen die Altvögel gelegentlich Nistmaterial mit. Die Horste, die im Laufe der Jahrzehnte gewaltige Ausmaße von mehreren Metern Höhe und ein Gewicht von zwei Tonnen erreichen können, werden gegen später ankommende Tiere erbittert und notfalls in blutigen Kämpfen verteidigt. Störche brüten einzeln oder in Kolonien (bis zu fünf Horste auf einem Hausdach, mehr als 50 Nester in einem Dorf). Sie beziehen nicht immer dasselbe Nest, und die meisten Storchenehen sind nur von kurzer Dauer. Wenn die Partner des letzten Jahres sich trotzdem wieder am alten Horst einfinden, ist das weniger der Partnertreue zuzuschreiben als vielmehr der Nesttreue.
Nur wenige Kinder haben das Glück, in ihrer unmittelbaren Umgebung noch den Klapperstorch auf dem Kirchen-, dem Schulhaus- oder dem Rathausdach zu erleben, und nur selten sieht man den Weißstorch fliegen oder durch Feuchtwiesen schreiten. Kaum ein Kind lernt deshalb im Kindergarten oder in der Schule das alte, früher jedem wohl vertraute Rätsellied: „Auf unserer Wiese gehet was, watet durch die Sümpfe, hat ein schwarzweiß Röckchen an und auch rote Strümpfe, fängt die Frösche schnipp, schnapp, schnapp, klappert lustig, klapperdiklapp. Wer kann es erraten?” Und nur wenige Kinder könnten deshalb auf Anhieb die richtige Antwort geben. Kein anderer Großvogel hat sich dem Menschen als Kulturfolger so eng angeschlossen wie der Weißstorch, und kein anderes Tier ist bei uns Gegenstand so vieler alter Fabeln, Reime, Kinderlieder und Überlieferungen (früher brachte der Klapperstorch die Neugeborenen, nachdem er zuvor die Mütter ins Bein gezwickt hatte) wie er. Nicht von ungefähr ist der Storch Wappenvogel des Deutschen Bundes für Vogelschutz und war „Vogel des Jahres” 1984 und 1994. Damit sollten viele auf seine derzeitige Situation aufmerksam gemacht werden. Offene Landschaften, Feucht-Grünland, die Auenlandschaften der Flussniederungen mit periodischen Überschwemmungen und extensiv genutzte Wiesen und Weiden sind der bevorzugte Lebensraum des Storchs. Die Tiere sind gekennzeichnet durch einen langen (14 bis 19 cm) roten Schnabel und lange rote Beine. Das Gefieder ist weiß, nur die Schwungfedern und Teile der Oberflügel-Decken sind schwarz. Die Männchen wiegen durchschnittlich etwa vier Kilogramm, die Weibchen 3,5 Kilogramm. Störche werden bis zu 25 Jahre alt (für einen männlichen Storch in der Wiederansiedlungs-Station Altreu/Schweiz sind mehr als 32 Jahre verbürgt). Das erwachsene Tier wird etwas mehr als einen Meter groß. Die Flügelspannweite beträgt ca. zwei Meter. Der Weißstorch fliegt mit ausgestrecktem Hals und kann eine Geschwindigkeit von 45 km pro Stunde erreichen.
Verpaarte Störche erkennt man an stundenlangen „Liebkosungen”, am zärtlichen Kraulen mit dem Schnabel – vorwiegend am Kopf. Männchen sind in der Regel etwas größer und haben einen längeren Schnabel als die Weibchen. Erst bei der Paarung lassen sich die Geschlechter einigermaßen sicher unterscheiden. Dabei balanciert das Männchen auf dem Rücken des Weibchens, um zur Spermienübertragung die Kloakenöffnungen aufeinander zu drücken. (Aus Altreu wird berichtet, daß ein kopulierender Storch später die Eier legte und sich damit als das Weibchen entpuppte.), denn wie die meisten Vögel haben auch die Störche keinen Penis. Das Weibchen legt von Mitte April bis Mitte Mai, nachts und im Abstand von zwei Tagen, drei bis sechs weiße Eier , die im Schnitt 110 Gramm wiegen. Kopulationen werden bis zur Vervollständigung des Geleges und darüber hinaus wiederholt. Sechs bis acht Kopulationen am Tag wurden beobachtet. Beide Eltern brüten – am Tag abwechselnd, in der Nacht das Weibchen allein –, bis nach etwa 32 Tagen die Jungen schlüpfen.
Der Altvogel senkt den Schnabel und erbricht das Futter auf den Nestboden.
SWR - Screenshot aus der Sendung
Die Küken brauchen 12 bis 24 Stunden, um sich mit dem Eizahn aus der Schale zu befreien. Störche sind, wenn sie aus dem Ei schlüpfen, blind und fast nackt – also typische Nesthocker . Schon bald nach dem Schlüpfen klappern die Jungen zum ersten Mal. In den ersten Wochen werden die Küken von den Eltern gewärmt und gefüttert. Die Altvögel verlassen abwechselnd das Nest, um Insekten, Würmer oder kleine Fische zu holen. Die Jungen betteln den mit Futter zurückkommenden Vogel mit unterschiedlichsten Lauten an. Erst darauf würgt der Altvogel die Nahrung ins Nest. Wenn es sehr heiß ist, bringen die Eltern auch Wasser, um es den Jungen in die Schnäbel zu träufeln. Einer der Altvögel bleibt immer auf dem Horst, um die Jungen zu sichern und wenn nötig auch zu hudern, um sie gegen Regen, Kälte oder Hitze zu schützen.
Man schätzt den Futterbedarf einer 5- bis 6-köpfigen Storchenfamilie auf etwa 3 Kilogramm. Das Nesthäkchen wird oft von den größeren und kräftigeren Geschwistern abgedrängt und hat so kaum Überlebenschancen. Es kommt aber auch Kronismus (nach der griechischen Sage verschlang Kronos seine eigenen Kinder) vor, oder Jungstörche werden von den Altvögeln lebendig aus dem Nest geworfen. Dies mag vor allem bei erstbrütenden Elternvögeln vorkommen, deren Brutpflege-Instinkt noch nicht ausgereift ist. Einige Tage nach dem Schlüpfen sind den Jungen grauweiße Daunen gewachsen. Mitarbeiter der Vogelwarten Helgoland bzw. Radolfzell beringen alljährlich die jungen Störche. Ihre Arbeit wird dadurch erleichtert, daß sich die Jungen beim Herannahen der ehrenamtlichen Helfer totstellen. Nach sechs Wochen sehen die Jungstörche ihren Eltern bereits sehr ähnlich: An den Flügeln kann man schon die schwarzen Schwungfedern erkennen. Nach acht Wochen fangen die Jungen an, ihre Flugmuskeln zu trainieren. Mit zehn Wochen können sie selbst fliegen und nach Nahrung suchen. Sie unterscheiden sich jetzt von ihren Eltern nur noch durch den schwarzgrauen Schnabel und die dunkleren Beine.
Ende August sammeln sich die Störche in großen Gruppen auf Wiesen . Der auslösende Faktor dafür dürfte ein innerer, hormonell gesteuerter Trieb sein. Sicher spielen aber auch die Witterung und das Nahrungsangebot eine Rolle. Dann machen sie gemeinsam die weite Reise nach Afrika . Die Weststörche – westlich einer Linie, die von Holland über den Harz zum Lech führt – fliegen über Gibraltar, die Oststörche über den Bosporus nach Afrika. Als ausgesprochene Segelflieger nutzen die Störche die Aufwinde der Landmassen und umfliegen das Mittelmeer. Die alten Störche kommen bereits im nächsten Frühjahr, ab Mitte März, meist jedoch Anfang April wieder, die Jungstörche bleiben vier oder fünf Jahre, bis sie erwachsen sind, dann kehren auch sie zurück – in den ersten Jahren oft nur bis in den Mittelmeerraum – , um hier zu brüten.
Innerhalb der letzten knapp 60 Jahre ging der Storchenbestand bundesweit von über 9000 Horstpaaren (1934) auf etwa ein Drittel zurück. Für die alten Bundesländer allein ergibt sich sogar ein Rückgang um 85% auf nur noch 585 Brutpaare (1991). Seither hat sich die Situation durch Wiederansiedlungs-Versuche leicht entspannt. Ursachen dafür sind der Verlust von Nahrungsflächen (Beseitigung von Kleingewässern, Trockenlegen von Feuchtgebieten und Flussauen, Regulierung von Flussläufen, intensive Grünland-Nutzung und Umbruch von Grünland, Versiegelung von Flächen), die Gefährdung während des Zuges (Verfolgung durch Abschuß und Schlingenfang, Nahrungsmangel durch Trockenheit, Zerstörung von Lebensräumen, Pestizideinsatz gegen Heuschrecken), die Verdrahtung der Landschaft (Leitungsanflug und Stromtod), die Belastung mit Chemikalien (Biozideinsatz und Überdüngung), der zunehmende Plastikmüll (durch Eintrag mit der Nahrung: Verluste von Jungstörchen im Nest) und das Fehlen geeigneter Nistmöglichkeiten .
Auf einer Postkarte aus dem Elsaß, die für die Zweisprachigkeit wirbt, „N’ABIMONS PAS L’ALSACE! ZWEISPRACHIGKEIT UNSERE ZUKUNFT – LEHRE D’KINDER ELSÄSSISCH”, wird eine andere Ursache für den Rückgang der Störche ausgemacht:„GRAND-PÈRE; POURQUOI N’Y A-T-IL PLUS DE CIGOGNES EN ALSACE?”, fragt ein kleiner Junge vor der Kulisse eines elsässischen Dorfes mit seinen typischen Fachwerkhäusern und leerem Storchenhorst seinen Großvater, der ihm antwortet: „WEISCH BUE, WENN D’STOERICK UEWERS ELSASS FLIEJE, HEERE SE UEWERALL FRANZEESCH REEDE, DANN MEINE SE, SIE WÄRE NOCH NIT ANKUMME UN FLIEJE WIDDERSCH”.
Hilfen für den Weißstorch durch Lebensraum-Schutz (Sicherung und Wiederherstellen geeigneter Biotope, Verringerung der eingesetzten Chemikalienmengen), Verhinderung von Verlusten an Freileitungen (Erdverkabelung, Vogelschutz-Abdeckungen, geänderte Isolatoren), Schaffung geeigneter Nistmöglichkeiten (Horstunterlagen auf Gebäuden usw.), Schutz auf dem Flug zum und im Winterquartier (Entwicklung und Durchsetzung internationaler Vereinbarungen, finanzielle Unterstützung von geeigneten Vorhaben in Afrika), Sympathiewerbung für den Weißstorch (Informationszentren, Schulen, Zusammenarbeit mit Landwirten) und naturschutzorientierte Storchenforschung .