Zur Geschichte Kanadas:
Schon seit etwa 10.000 Jahren besiedelten Indianer die Waldgebiete zwischen Neufundland und den Rocky Mountains. Die ersten Bewohner des amerikanischen Kontinents waren über Land- und Eisbrücken aus Asien eingewandert. An den nördlichen Küstenregionen der Arktis siedelten seit etwa 5.000 Jahren Steinzeitmenschen der Dorset-Kultur. Vor rund 1.000 Jahren wurden sie von den aus Alaska einwandernden Thule, den Vorfahren der heutigen Eskimos verdrängt. Um 900 n. Chr. erreichten die ersten Europäer die Küste Neufundlands. Es waren Wikinger aus dem heutigen Norwegen und Dänemark. Noch ist sehr wenig über ihr Wirken auf dem amerikanischen Kontinent bekannt. Berühmte Forscher wie Thor Heyerdahl versuchen zu beweisen, dass es schon lange vor Kolumbus einen regen kulturellen Austausch zwischen der "alten" und der "neuen" Welt gab.
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1497 nahm Giovanni Caboto das "neugefundene Land" für die englische Krone in Besitz. Die Franzosen landeten unter Jacques Cartier vier Jahrzehnte später am St. Lorenz-Strom. Sie gründeten dort Nouvelle France, die heutige Provinz Québec. In Cartiers Berichten tauchte zum ersten mal der Name Kanada auf. Er ist wahrscheinlich der Sprache der Irokesen entnommen, in der "kanata" "Dorf" oder "Siedlung" bedeutet. 1610 entdeckte Henry Hudson die später nach ihm benannte Hudson Bay, wobei er bei dem Versuch scheiterte, die legendäre Nordwestpassage zu finden.
Schon bald traten Engländer und Franzosen in einen erbitterten Konkurrenzkampf im lukrativen Pelzhandel. Vor der europäischen Eroberung war der gesamte Bereich zwischen Sankt-Lorenz-Strom im Norden, Cumberlandriver im Süden, vom Mississippi im Westen und bis zur mittleren atlantischen Küste im Osten von großen Waldgebieten bedeckt. Dies war auch der Lebensraum der nordöstlichen Waldlandstämme. Größtenteils gehörten die Stämme der Sprachfamilie der Algonkin an. Nur einige kleinere Gruppen und die Bewohner im Bereich der großen östlichen Seen gehörten zu den irokesisch sprechenden Indianern. Die Indianer dieser Gebiete betrieben primitive, aber intensive Formen der Landwirtschaft. Sie bauten Mais, Bohnen, Kürbis und die für die Indianer heilige Tabakpflanze an. Sie gingen auf die Jagd und betrieben Fischfang.
Charakteristisch für die Siedlungen der Waldlandindianer waren die mit Rinde gedeckten Langhäuser, in denen bis zu 200 Mitglieder einer Sippe wohnten.
Geprägt wurde die nördliche Zone des Waldlandes durch die zahlreichen Seen und Flüsse, die den Indianern als Verkehrswege dienten. In frühkolonialer Zeit hatten sich mehrere Stämme der Algonkin und auch der Irokesen zu Stammesverbänden zusammengeschlossen. Die meisten Informationen über die Kultur der Irokesen liegen in Berichten von Henry Morgan aus dem 19. Jahrhundert vor. Aus Berichten von jesuitischen Missionaren gibt es bereits aus dem 17. Jahrhundert umfangreiche Informationen über die nördlich der östlichen großen Seen beheimateten Huronen.
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Die Gesellschaftsordnung der Indianer war matrilinear gegliedert, d.h. in Familienverbänden organisiert, die sich auf eine gemeinsame Ahnfrau beriefen. Diese Sippen lebten jeweils in den genannten Langhäusern zusammen, in denen die Frauen das Regiment führten. Trotzdem handelte es sich bei dieser Sozialordnung nicht um ein Matriachat, da die Häuptlinge und meist auch die spirituellen Führer durchweg Männer waren.
Die Periode des ersten Kontaktes zwischen Indianern und Weißen bis etwa 1700 war hauptsächlich durch Handel bestimmt und betraf in erster Linie die Küsten-Algonkin und die Sankt-Lorenz-Strom-Irokesen. Getauscht wurden Eisenwaren, Perlen, Messingkessel und Alkohol gegen die in Europa sehr begehrten Biberpelze. Durch den Vorstoß der Franzosen ab 1535 entlang des St. Lorenz-Stromes ins Binnenland gelangten europäische Waren über die indianischen Verkehrswege auch zu weit von den Küsten entfernt lebenden Stämmen. Es kam bald zu Auseinandersetzungen zwischen den Indianern, da sich alle am lukrativen Pelzhandel beteiligen wollten.
Die Europäer unterstützten ihren Interessen entsprechend den einen oder anderen Stamm durch die Lieferung von Schusswaffen. So konnten beispielsweise die Küsten-Algonkin 1580 die Irokesen aus dem Sankt-Lorenz-Tal vertreiben. Da die Biberbestände an den Küsten allmählich ausgerottet waren, vertrieben die Algonkinstämme die Irokesen. Diese mussten sich immer weiter ins Land zurückziehen und schlossen sich unter dem Druck der mit den Franzosen verbündeten Algonkin und Huronen zur irokesischen Liga zusammen.
Der europäische Einfluss veränderte die indianischen Gesellschaften. Die Europäer lieferten Waffen, die die Machtverhältnisse zwischen den Stämmen aus dem Gleichgewicht brachten. Den Indianern wurde langsam der Wert des Landes bewusst, auf dem sich die Pelztiere befanden. Durch die aus der Rivalität um Handelsvorteile entstandenen Kämpfe und durch Infektionskrankheiten, denen die Ureinwohner keine Abwehrkräfte entgegenzusetzen hatten, wurde die Zahl der Indianer stark dezimiert.
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Ab 1620 folgten den Händlern die Siedler, was das Verhältnis zwischen Indianern und Weißen nachhaltig veränderte. Die Siedler versuchten von den Indianern Land zu erwerben. Zunächst kooperierten die Indianer, verstanden aber nicht, dass die Siedler das Land dauerhaft behalten wollten.
Nach und nach kam es zu Auseinandersetzungen und schließlich zum offenen Kampf. Die Engländer unterstützten die Irokesen und versorgten diese mit Waffen im Kampf gegen die Algonkin und die Franzosen. Im sogenannten König-Philip-Krieg wurde der Widerstand der Küstenindianer endgültig gebrochen. Die Überlebenden zogen sich nach Westen zurück, wo sie sich mit den Irokesen verbündeten. Unterstützung erhielten die Indianer von den Pelzhändlern, die sie mit Waffen und Munition versorgten. Den Indianern gelang es zunächst ein weiteres Vordringen der Weißen zu verhindern. Im Laufe der Zeit wurde der Lebensraum der Indianer jedoch zunehmend beschnitten. Die Auseinandersetzungen waren grausam und die Zahl der Indianer dezimierte sich erheblich. Im Frieden von Paris verlor Frankreich 1763 seine nordamerikanischen Kolonien an England und Louisiana an Spanien. 1776 bis 1783 kämpfen die Amerikaner für ihre Unabhängigkeit von England.
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Während des Unabhängigkeitskrieges schlossen die Amerikaner diverse Verträge mit den neu entstandenen Bündnissen der Indianer und mit einzelnen Indianernationen. Die Amerikaner erkannten die Landrechte der Indianer in bestimmten Gebieten und deren Eigenstaatlichkeit an. Sie wollten dadurch verhindern, dass sich die Indianernationen mit den Engländern und den Loyalisten verbündeten, was aber dennoch einige Stämme wie z.B. die Shawnee, die Delaware oder die Sioux taten. Insgesamt kämpften etwa 3.000 Indianer auf Seiten der Engländer. Im Frieden von Versailles musste England die Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien, mit Ausnahme der kanadischen Provinzen, anerkennen.
Die Loyalisten wanderten zu einem großen Teil nach Kanada aus, vorwiegend nach Nova Scotia und New Brunswick. 1791 wurde die Provinz Québec durch den Constitutional Act in Ober- und Unter-Kanada geteilt. Durch die mit der Trennung verbundene Selbstverwaltung wollte man Anglo- und Frankokanadiern gleichermaßen gerecht werden. In der Provinz Québec lebten zu diesem Zeitpunkt etwa 160.000 Menschen, von denen nur rund 21.000 englischsprachig waren. Zwischen 1812 und 1814 tobte der britisch-amerikanische Krieg. Im Frieden von Gent einigten sich die USA und Großbritannien im Wesentlichen auf den 49. Breitengrad als Grenze. 1841 wurden Ober- und Unter-Kanada unter dem Protest der Frankokanadier wieder vereinigt. Durch den British North America Act wurden Ontario, Québec, Nova Scotia und New Brunswick am 1. Juli 1867 als Provinzen des Dominion of Canada zusammengeschlossen.
Das Dominion Kanada war nun eine parlamentarische Monarchie mit der britischen Königin als Staatsoberhaupt. Bis 1873 kamen noch die Provinzen Manitoba, British Columbia, Prince Edward Island und das riesige Gebiet der Hudson Bay Company hinzu. 1905 traten Alberta und Saskatchewan der Föderation bei.
Kanada beteiligte sich seit 1914 am Ersten Weltkrieg. 1931 wurde Kanada durch das Westminster Statut souverän. Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Kanada auf der Seite der Alliierten, 1949 trat das Land der NATO bei. In den 60er Jahren kam es zu neuen Spannungen zwischen den Anglo- und den Frankokandiern, die ein "freies Québec" forderten. Diese Spannungen wurden durch den Besuch des französischen Staatspräsidenten de Gaulle 1967 noch verstärkt. 1968 gründete René Lévesques die radikale Unabhängigkeitspartei Parti Québécois. Durch Terroranschläge der Front de Libération du Québec (FLQ) spitzte sich die Lage 1969 soweit zu, dass Präsident Trudeau 1970 das Land unter Kriegsrecht stellte. 1980 scheiterte eine von Lévesques und seiner Partei initiierte Volksabstimmung in Québec. Die Bürger entschieden sich für den Verbleib der Provinz in der Föderation.
In den 80er Jahren änderte sich auch die Politik gegenüber den Ureinwohnern. Vertreter vom Stamme der Dene und Métis bekamen 1988 Landrechte in den Northwest Territories zugesagt, ebenso wie 500 Millionen Dollar Abfindung. Zu Beginn der 90er Jahre scheiterten Verhandlungen, die die besondere kulturelle Identität der Provinz Québec in der kandischen Verfassung verankern sollten. Bei den Bundeswahlen 1993 wurde die Parti Québécois zur stärksten Oppositionspartei. 1995 fanden in Québec Wahlen statt und erneut wurde ein Referendum durchgeführt. Die Bevölkerung entschied sich mit einer knappen Mehrheit von weniger als einem Prozent für den Verbleib in der Föderation. Bei den Provinzwahlen 1998 musste die Parti Québécois starke Verlust hinnehmen, blieb jedoch an der Regierung.
1992 sprach die Bundesregierung den Inuit formale Besitzrechte über 350.000 km² im Osten der Northwest Territories und 580 Millionen Dollar zu. Der Lebensraum der Indianer war in den vergangenen Jahrhunderten vehement beschnitten worden und ihre Zahl hatte sich drastisch verringert. Die Nachfahren der Indianer lebten zum größten Teil in Reservaten und tun dies auch heute noch. Durch Steigerung der Wirtschaftskraft und durch verbesserte Ausbildung wurde die Lage der Indianer verbessert und dies soll auch in Zukunft so fortgeführt werden.
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Die Indianer schöpfen mittlerweile ein neues Selbstbewusstsein aus ihren kulturellen Wurzeln. Eine Entwicklung, die in den 70er Jahren begonnen hatte und die man unter dem Begriff "Der Rote Weg" zusammenfasst. Die Ureinwohner machen Rechtsansprüche geltend und erzielen zum Teil beachtliche Erfolge. Dass eines der populärsten kanadischen Sportspiele auf eine lange indianische Tradition zurückblicken kann, bestärkt sie dabei auf ihrem Weg. "Lacrosse" oder besser "Baggataway", wie das Spiel in ihrer Sprache heißt, hilft ihnen bei der Wiederentdeckung ihrer kulturellen Identität.
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