Land & Leute
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Die heutige Region Ostfriesland umfasst die Halbinsel zwischen Emsmündung und Jadebusen; im Norden gehören die Ostfriesischen Inseln dazu und im Süden reicht die Region etwa bis Papenburg. In dem 3850 Quadratkilometer großen Gebiet leben über 600.000 Einwohner in zwei kreisfreien Städten - Wilhelmshaven und Emden- und vier Landkreisen: Aurich, Leer, Wittmund und Friesland.
Das Festland ist ein ausgesprochen flacher Landstrich - die höchste Erhebung liegt bei gerade mal 18,5 Metern. Charakteristisch sind die landwirtschaftlich geprägten Gegenden mit den Milchwirtschaft-Betrieben und natürlich die Küstenregion mit dem Wattenmeer.
Das eigentliche Ostfriesland, und darauf legen viele Bewohner der Region heute noch Wert, ist wesentlich kleiner. Es erstreckt sich über sechs der ostfriesischen Inseln und die westliche Hälfte der Halbinsel, während die andere Hälfte und die Insel Wangerooge zum oldenburgischen Friesland gehörten.
[Bild Vergrößerung] So erklärt sich die paradoxe und für nicht Einheimische so schwer verständliche Situation, dass Wangerooge zwar die östlichste der Ostfriesischen Inseln ist, jedoch keineswegs zu Ostfriesland gerechnet werden will. Durch die Umbildung der Landkreise 1977 und die Auflösung des Regierungsbezirks Aurich gehören nun das alte Ostfriesland, Oldenburg und das Emsland zum Regierungsbezirk Weser-Ems mit Sitz in Oldenburg.
Die Ostfriesen lebten bis ins 20. Jahrhundert traditionell von der Landwirtschaft. Vor allem die Marschgebiete erwiesen sich als hervorragendes Ackerland und die Ostfriesen betrieben regen Handel - vor allem mit Vieh. Emden und Jever entwickelten sich zu wichtigen Handelszentren.
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Als die Ostfriesen sich wieder einmal einen Machtkampf mit fremden Obrigkeiten lieferten, schnitt der Bischof von Münster sie 1271 für fünf Jahre vom Zugang zu ihren Märkten ab. Das hatte erstens eine Hungersnot zur Folge und zweitens die Hinwendung der Ostfriesen zur Seeräuberei. Die Hamburger und Bremer Schiffe, die nun den Handel beherrschten, wurden kurzerhand ausgeraubt. Dieser "Wirtschaftszweig" wurde wieder aufgegeben, als die ostfriesischen Landgemeinden mit den Hansestädten Handelsverträge schlossen.
Noch im 19. Jahrhundert war rund die Hälfte der Ostfriesen in der Landwirtschaft beschäftigt. Seit dem 17. Jahrhundert wurde immer wieder der Torfabbau aufgenommen. So sollte Brennstoff und aus den abgetorften Flächen Land gewonnen werden.
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Das Unterfangen war anstrengend und nicht gerade profitabel, hatte aber einen wichtigen Nebeneffekt: Die Entwässerungsgräben, die auch von den Torfkähnen benutzt wurden, eigneten sich generell für den Gütertransport zu Wasser. So entwickelten sich aus den Fehngemeinden (Moorgemeinden) die ersten Schiffahrtsorte.
Etwa um 1750 setzte die Moorkolonisation wieder ein. Es wurde Torf abgebaut und das Hochmoor sollte besiedelt werden - ein Unterfangen, das schon nach wenigen Jahren wieder scheiterte, weil die Kolonisten die ausgelaugten Böden nicht lange bewirtschaften konnten und schließlich verarmten.
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Auf der sozialen Skala standen die Moorsiedler zu jeder Zeit, in der Torfabbau betrieben wurde, an unterster Stelle. Mitte des 19. Jahrhunderts setzte bei der ärmeren Bevölkerung eine große Auswanderungsbewegung nach Amerika ein. Der Torfabbau wurde allen Widrigkeiten zum Trotz bis ins 20. Jahrhundert fortgesetzt.
Heute gibt das Moormuseum in Moordorf einen anschaulichen Einblick in die harten Arbeits- und Lebensbedingungen der Torfstecher. Die Landwirtschaft hat als Wirtschaftszweig in Ostfriesland viel von ihrer Bedeutung eingebüßt. Auch Industrieansiedlungen gestalten sich wegen der hohen Transportkosten in die Ballungsgebiete der Bundesrepublik schwierig. Wichtig sind natürlich nach wie vor die Häfen. Zum wichtigsten Wirtschaftszweig für die strukturschwache Region hat sich in den vergangenen Jahrzehnten der Tourismus entwickelt. Ostfriesland zählt heute zu den beliebtesten Urlaubsregionen Deutschlands.
Die Ostfriesen sind und bleiben ein "etwas anderes" Völkchen. Mit jeder Faser freiheitsliebend, so manches mal stur, was Anordnungen der Obrigkeit betrifft und für den Rest der Republik eine beliebte Zielscheibe von Witzen. Was die Ostfriesen auszeichnet, sind auch viele gelebte Traditionen und vor allem die Sprache, das Platt. Seit 1998 sind die Ostfriesen gar eine völkerrechtlich geschützte Minderheit, denn das europäische Rahmenabkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (1998) wird auch auf die Volksgruppe der Friesen deutscher Staatsangehörigkeit angewendet.
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