Kinderzimmer online – Wie sicher sind die Kids im Netz?
Medienkompetenz im Grundschulalter – das hört sich eigentlich noch ganz übersichtlich an, dachte ich, als ich ein paar Kurzfilme der Planet Schule-Reihe "Elli Online" in meiner 4. Grundschulklasse einsetzen wollte.
Der Branchenverband "Bitkom", der im Frühjahr 2015 eine repräsentative Umfrage unter Schülern durchführte, fand heraus, dass mehr als 50 Prozent der kindlichen und jugendlichen Internet-Nutzer gern mehr Bescheid wüsste über das richtige Verhalten in sozialen Netzwerken und Chats und knapp 50 Prozent hätten gerne Hilfe beim Schutz der Privatsphäre im Netz, und zwar wünschten sie sich hierbei mehr Aufklärung im Rahmen des Schulunterrichts. Da kam mir doch Ellis Mission gerade gelegen.
Die Kurzfilme drehen sich um Elli (im Grundschulalter), die sich gerade von ihrem "Kinderkram" trennt, um sich den wirklich "wichtigen" Dingen im Leben zuzuwenden. Elli macht in den Clips (3-4 Minuten pro Thema) die alterstypischen Fehler beim Surfen und Chatten, damit meine Schulkinder daraus lernen können und diese Fehler – wenn möglich – nicht auch machen. Im Film hilft ihr bei dem Pannenmanagement jeweils die Computermaus Cosmo, die in Sachen Medienkompetenz schon etwas gewiefter ist.
Die Trickfilmchen zeigen mit humorvoller Übertreibung die teilweise nur schwer rückgängig zu machenden Folgen von Unvorsichtigkeit, Blauäugigkeit und Spieltrieb beim Surfen im Netz. Die Absicht der Filme scheint klar: Kinder, passt auf im Netz!
Kinder erklären Kindern
Ich wollte noch ein bisschen mehr: Ist es nicht glaubhafter, wenn Kinder Kindern erklären, wo es langgeht? Vielleicht weil sie bei Belehrungen der Erwachsenen in Sachen Internet mittlerweile schon früh "abschalten"… Daher wollte ich zunächst mit einer etwas kleineren Gruppe etwas enger zusammenarbeiten. Die Ergebnisse hieraus sollten die Kinder dann zu einem späteren Termin der Gesamtklasse präsentieren. Und ich war gespannt, was sie einander zu sagen hatten.
Bei der Vorarbeit mit meiner Schülerauswahl wollte ich zuerst einmal mit der Runde "ins Gespräch kommen", bevor ich sie an den Film und an die Arbeit lassen wollte. Schließlich sind es die Kleingruppengespräche, die einem Lehrer den Zugang zu "sensiblen Schülerdaten", sprich ehrlichem "Userverhalten", Zocken, Hackerwissen (oh ja!) und vielem mehr verschaffen.
Bevor ich also den Film von Elli und ihrem unvorsichtigen Umgang mit Passwörtern zeigte, hörte ich mich erst einmal um in der wundersamen Welt von Stars und Fame, Pferden und Farmen, … später dann auch bei "clash of clans", "god game empire" und anderen Traumwelten, die die Kids nachmittags neben oder anstatt Hausaufgaben am heimischen Computer bewegen. Es handelt sich bei den genannten Spielen ausnahmslos um Gratis-Spiele, die man online spielen kann.
Ich wollte es mit den Kindern an den Schulrechnern ausprobieren, wie weit man ohne Angabe von E-Mail-Adressen, Benutzernamen und Passwörtern kommt. Was für die jungen User ganz normal war, hatten wir dann schwarz auf weiß vor Augen: Sowohl bei "moviestarplanet.com", als auch bei "starstable.com" und auch bei "spielaffe.de" wollten die Seitenbetreiber E-Mail, Spitzname und Passwort.
Moviestarplanet.com gibt netterweise Sicherheitshinweise zum richtigen Umgang mit Passwörtern. Das scheint mir ein guter Einstieg für die Filmsequenz mit Elli bei meinen Kindern.
Filminhalt: Alles sicher? – Passwörter
Elli surft im Netz, wie viele ihrer Altersgenossinnen, und nutzt dabei vor allem soziale Plattformen. Der Zugang zu den Plattformen gelingt – wie im richtigen PC-Leben – über E-Mail und Passwort, was Elli, der Einfachheit halber "eins für alle" wählt und gut sichtbar an den Bildschirm pinnt, damit es immer gut "greifbar" ist...
Ihr mehr oder weniger "öffentliches" Passwort, das wie ein Schlüssel für alle Türen im Internet herumliegt, wird schon bald von Ellis Nachbarn ausgespäht (was im Film durch ein Fernrohr geschieht und damit auf raffiniertere virtuelle Ausspähmethoden verweist). Einmal im Besitz von Ellis Passwort surft der Nachbar weiter in ihrem Namen im Netz – mit ungeahnten Folgen. So organisiert er über ihre Netzwerke eine Party bei ihr zu Hause, wo dann alles etwas aus dem Ruder läuft. Nach diesem Lehrstück beschließt Elli mit Hilfe von Cosmo, ihre Passwort-Strategie zu ändern. Um nicht mehr Ausspähopfer zu sein, wählt sie sichere und geheime Passwörter.
Der Film hat meine Kids ein wenig aufgerüttelt und sie haben auf einmal noch mehr zu erzählen. Plötzlich fällt ihnen noch einiges ein, was mit eigenen und fremden E-Mails oder Passwörtern so alles passieren kann. Irgendwie waren sie alle schon einmal ein bisschen wie Elli.
Erste Kommentare:
Saskia: "Ok, manchmal bin ich auch etwas unvorsichtig…"
David: "Warum hat Elli nicht besser aufgepasst?“ "
Nelly: "Der Konzerttyp der das Passwort geklaut hat, war ja irgendwie cool…"
Karim: "Meine Eltern haben mir das auch schon öfters erklärt, aber ich hab es nie so richtig ernst genommen."
Von Passwörtern und Hackern
Wir beschließen, eine Fehlerliste anzufertigen (Arbeitsblatt 1) und diese später in der Klassenrunde zu präsentieren. Dabei schreiben die Kinder tabellarisch Ellis Fehler aus dem Film, ihre eigenen vergleichbaren Fehler, die ihnen mit Passwörtern schon einmal passiert sind, auf die eine Seite und die Risiken und Folgen auf der anderen Seite der Liste nieder. Bei dieser Übung geht es darum, nicht nur tatsächlich passierte "Katastrophen" zu beschreiben, sondern sich auch Szenarios auszumalen, wie es sein könnte. Den Kindern wurde bei dieser Übung recht schnell klar, dass sie oftmals einfach nur Glück gehabt hatten im Netz. – Weil Nelly besonders gut und gern malt, ist unsere Liste sehr "anschaulich" geworden.
Die Liste sollen unsere Publikumskinder dann später in Kopie bekommen.
In unserer nächsten Stunde bringt David, der sich als sehr IT-versiert herausstellt, ein paar Dinge auf den Punkt, die der Kurzfilm nur andeutet: Was der grummelige Nachbar im Film mit dem Fernrohr geschafft hat, funktioniert in Wirklichkeit natürlich viel subtiler: das Ausspähen von Passwörtern. Dass dies wirklich häufiger passiert, als viele denken, auch wenn wir unsere Passwörter nicht wie Elli an den Bildschirm hängen, verwundert einige Kinder doch. David erklärt uns also, dass und wie Passwörter zu hacken sind, wenn sie mehr oder weniger verschlüsselt – also erkennbar – im Netz hinterlegt sind. Im virtuellen Leben spähen hochsensible Scanner, kombiniert mit Zufallsgeneratoren, Passwörter aus – Programme, hinter denen meistens sehr gescheite Köpfe sitzen, die es jedoch – wie im Film – nicht immer gut mit uns meinen.
Diese Hintergrundinformation finde ich interessant und ich frage Saskia, ob sie sich eine kleine Geschichte mit leicht "kriminellem Potenzial" ausdenken kann, bei der es um das Hacken oder Klauen eines Passwortes geht, die einen unguten Ausgang nimmt. Damit sie ein grobes Handlungsraster hat, gebe ich ihr ein paar Reizwörter und mache ihr einige Vorschläge, bei welchen Internetplattformen so eine Passwortpanne besonders schlimm wäre. (Arbeitsblatt 2) Ihren Aufsatz soll Saskia natürlich unbedingt bei der Klassenpräsentation zum Besten geben.
Die anderen beschäftige ich in der Zeit mit einem Wortspiel (Arbeitsblatt 3): So wie Elli sollen sie nach originellen Passwörtern suchen, die sie sich vor allem lange merken können. Dabei dürfen sie spinnen, was das Zeug hält. Eine Sammlung von verrückten, aber dadurch "merk"-würdigen Abkürzungen, Wortneuschöpfungen, aber auch Merkübungen für die neuen Wörter wollten wir ausprobieren. Jedenfalls würden die Kinder nie wieder solche Passwörter wie 1234Elli benutzen. Das hatte ihnen David mit seinem Insider-Wissen ausgetrieben.
Wir stimmen zusammen ab, welche Passwörter am besten sind und welche sich die Kinder auch am besten merken können, und die wollten die Kids dann in ihrer Klasse aufzählen. Sie müssen mir allerdings versprechen, diese Passwörter dann später "in echt" nicht zu benutzen, da sie ja schon jetzt nicht mehr wirklich geheim und daher auch nicht mehr ganz sicher sind...
Hier der absolute Favorit:
LOLIDROLLILOLIPOP
Countdown zur Präsentation…
Weil meine Viertklässler schon drei Jahre ans Präsentieren in der Schule gewöhnt sind, muss natürlich irgendeine Art von "Testformat" für die Restgruppe her. Keine Stunde ohne Leistungskontrolle – das haben sie wohl schon von frühauf gelernt. Also entwickeln wir einen Testfragebogen (Arbeitsblatt 4), der Fragen zum Film und zu den von den Kindern weitergeführten Ideen stellt. Karim hat noch die Idee, einen Fragebogen zum Medienverhalten und zur Medienausstattung der Mitschüler zu erstellen. Die Idee finden wir alle gut und nehmen sie gleich in unsere Materialsammlung mit auf (Arbeitsblatt 5).
Die Präsentation
Saskia, Nelli, Karim und David sollen also heute den Ton angeben. Zumindest an diesem Montag in der 2. Stunde. Als erstes macht Saskia die Ansage, in den Medienraum umzuziehen, da wir da den Film zeigen wollen. Ortswechsel also für Klassenlehrer und die gesamte Klasse 4 und anschließende Filmvorführung.
In der Folge moderieren dann "meine Kinder" wie junge Medienprofis von Gefahren und Klippen im Netz, verteilten Fehlerlisten, sprechen davon, wie man es besser machen kann und was man besser gar nicht macht. Das kommt bei den anderen gut an.
Saskia verbreitet dann mit ihrem kleinen Hacker-Krimi ein bisschen Angst, die anderen bringen die Klasse mit ihren Passwortneuschöpfungen zum Lachen und Nachdenken und Karim verteilt am Schluss noch unseren kurzen Test und den Fragebogen.
Ich war stolz auf so viel geballte Medienkompetenz, von der ich hoffe, dass sie nicht nur auf dem Papier existiert… Ich finde am Ende dieser Show, dass David, Nelly, Saskia und Karim an diesem Tag echte Stars waren und vielleicht sogar noch etwas mehr als in moviestarplanet. Wenn nur ein paar der gesamten Schüler nach diesem Vortrag ein wenig vorsichtiger durchs Netz streifen würden und vielleicht sogar ein paar Passwörter änderten (wie es übrigens auch die Verfasserin dieser Zeilen dann am Abend tat…), dann hat Elli schon ein gutes Stück zur Medienerziehung mit beigetragen.