Grenzen und Lösungen
Die Natur hat bis zur Entwicklung der Gruben- und Blasenaugen schon eine beachtliche Vielfalt hervorgebracht. Doch weitere Fortschritte bei der Abbildungsqualität ließen sich mit den bisherigen Prinzipien kaum mehr erzielen. Denn ausschlaggebend sind nicht so sehr die einzelnen Sinneszellen.
Entscheidend ist der Besitz eines wirkungsvollen optischen Apparates zum Auffangen des Lichtes. Ohne hochentwickelte Optik ist kein wirkliches Bildsehen möglich.
Ein Quantensprung war daher die Entwicklung einer Linse. Durch deren Brechung der Lichtstrahlen entsteht auf der Netzhaut ein echtes Bild. Damit eröffnete das Linsenauge ungeahnte Möglichkeiten. In Sachen Optik setzt es die Maßstäbe.
Verbesserung der Sehleistung
Das Prinzip Linsenauge bietet zwei mögliche Ansätze.
Die eine Lösung lag in der Vergrößerung der Zahl der Einzelaugen und führte zu den Komplexaugen. Die andere Gruppe setzte bei der Optimierung auf die Vergrößerung des Auges, Vermehrung von Sinneszellen in der Retina und auf zusätzliche Konstruktionen wie etwa Blende und Strukturen zur Scharfeinstellung. Das ist der Weg des Linsenauges.
Das Linsenauge haben zwei Tiergruppen unabhängig voneinander (konvergent) entwickelt: Tintenfische und Wirbeltiere. Von allen Wirbellosen entwickelten nur Kraken, Sepien und Kalmare Hochleistungsaugen, deren Sehleistungen vergleichbar sind mit denen der Wirbeltiere.
Wie in der Technik, kommt auch die Natur oft zu unterschiedlichen Detaillösungen. So sind beim Tintenfischauge die Sehzellen dem Licht zugekehrt. Man nennt das everse Augen, hervorgegangen aus einer Einstülpung der Epidermis. Bei Wirbeltieren sind die lichtaufnehmenden Zellen vom Licht abgewandt (inverse Augen, entstanden als Ausstülpungen des Gehirns).
Das Komplex- oder Facettenauge
Eine Möglichkeit, die Sehleistung deutlich zu verbessern, besteht in der Zusammenfassung von vielen Einzelaugen zu einem dichten Komplex. Das ist das Prinzip der Komplex- oder Facettenaugen der Gliederfüßer, zu denen Insekten und Krebstiere gehören.
Solche Augen setzen sich aus einer mehr oder weniger großen Anzahl von langgestreckten Einzelaugen zusammen, oft sind es bis zu mehrere Tausend. Bei manchen Insekten, z. B. den Libellen, besteht ein Facettenauge sogar aus über 10.000 Einzelaugen.
Die Einzelaugen sind langgestreckt und voneinander optisch isoliert. Der Lichtbrechungsapparat besteht aus einer Linse und einem darunter liegenden Kristallkegel. Randständige Pigmentzellen dienen der optischen Abschirmung zu den benachbarten Einzelaugen.
Unterhalb des Kristallkegels schließen sich langgestreckte Lichtsinneszellen an. Bei Insekten sind es meist acht Stück pro Einzelauge.
Was sieht eine Fliege?
Jedes Einzelauge nimmt nur Licht aus einer bestimmten Richtung beziehungsweise einem bestimmten Winkel wahr. Denn die optischen Achsen selbst unmittelbar benachbarter Einzelaugen weichen leicht voneinander ab. So blickt jedes Einzelauge in eine etwas andere Richtung.
In ihrer Gesamtheit erzeugen die Einzelaugen ein Mosaikbild. Das Auflösungsvermögen eines Facettenauges ist vor allem abhängig von der Zahl der Einzelaugen pro Raumwinkel. Das ist ganz ähnlich wie bei Wirbeltieren, wo hochauflösendes Sehen mit einer hohen Dichte der Sinneszellen in der Retina einhergeht.
Bei Fotokameras findet man Vergleichbares in der Filmkörnung beziehungsweise der Pixelzahl. Facettenaugen besitzen etwa die Sehschärfe kleiner Wirbeltieraugen.
Mit zunehmender Augengröße ist jedoch das Wirbeltierauge dem Facettenauge in puncto Bildschärfe überlegen. Komplexaugen haben ein schlechteres Auflösungsvermögen als die häufig größeren Wirbeltieraugen. Dafür können Facettenaugen eine deutlich bessere Bewegungswahrnehmung erzielen.
Linsenauge
Evolutionär lassen sich unsere Linsenaugen ableiten von den Grubenaugen. Dabei fanden im Laufe der Zeit Verbesserungen auf allen Ebenen statt. Beispielsweise eine Vergrößerung des Auges, eine größere Dichte von Sinneszellen in der Netzhaut (Retina), die Entwicklung eines leistungsstarken optischen Apparates mit einer Linse, der Fähigkeit zur Entfernungseinstellung und eine veränderliche Blende.
Der Aufbau des Auges
Außen ist der Augapfel umgeben von einem festen, weißen Bindegewebe, der Lederhaut (Sklera). Sie bildet das sichtbare Weiße unserer Augen. Der Lederhaut nach außen aufgelagert ist noch die Bindehaut (Conjunctiva) und eine zarte Schleimschicht, die das Auge feucht hält. Innenseits der Lederhaut schließen sich die dünne Aderhaut (Chorioidea) und eine schwarze Pigmentschicht an.
An der Augenvorderseite ist ein Bereich der Lederhaut durchsichtig und nicht von Bindehaut bedeckt. Dieser Bereich wird Hornhaut (Cornea) genannt.
Auch die Aderhaut ist im vorderen Bereich modifiziert und bildet hier die Regenbogenhaut oder Iris. Diese umschließt ein kreisrundes Sehloch: die Pupille. Die Iris fungiert als Blende und reguliert die einfallende Lichtmenge durch eine veränderliche Pupillenweite: Starker Lichteinfall lässt die Pupille enger werden, bei abnehmender Lichtintensität weitet sich die Pupille. Hinter der Iris schließt sich die Linse an. Sie ist aufgehängt an dem Ciliarkörper und kein starres Gebilde. Vielmehr kann ihre Form abflachen oder rundlicher werden. Dies geschieht durch Kontraktion beziehungsweise Entspannung der Ciliarmuskeln. Hornhaut, Linse und die zwischen diesen beiden gelegene, flüssigkeitsgefüllte vordere Augenkammer bilden das lichtbrechende System des Auges.
Im Augenhintergrund, der Innenseite der Aderhaut aufgelagert, befindet sich die Netzhaut (Retina).
Der Raum zwischen Linsenrückseite und Retina wird als Glaskörper bezeichnet. Dieser gallertartige Körper hat den mit Abstand größten Anteil am Volumen des Augapfels. In der Retina eingebettet liegen zahlreiche Nervenzellen sowie die Sinneszellen, von denen es zwei Typen gibt, die Stäbchen und die Zapfen.
Bemerkenswert in der Retina sind zwei Bereiche: der gelbe Fleck (Fovea centralis), in der optischen Achse der Linse gelegen, ist ein Bereich besonders dicht gepackter Sinneszellen und damit die Stelle des schärfsten Sehens. Der gelbe Fleck heißt gelb, weil er tatsächlich ein gelbes Aussehen hat - wie Biologen schon vor langer Zeit bei der Untersuchung von Augen feststellten. Der blinde Fleck bezeichnet die Austrittsstelle des Sehnervs. In diesem Bereich gibt es keine Sinneszellen, Lichtreize können hier also nicht wahrgenommen werden.