Lebensräume · Im See

Was passiert bei Überdüngung?

Stand
Autor/in
Gisela Fritz

Die Rolle von Stickstoff und Phosphor

Stickstoff kommt im See hauptsächlich als gelöster, reiner Stoff vor. Leider können die meisten Lebewesen ihn in dieser Form nicht aufnehmen. Es gibt aber Bakterien, die in einem chemischen Prozess den reinen Stickstoff aufnehmen und eingebaut in andere Stoffe wie Ammonium, Nitrat oder Nitrit wieder abgeben. Diese Verbindungen gelangen durch Regen, Bäche oder das Grundwasser in den See, wo sie Pflanzen und Algen als Dünger dienen.

Phosphor ist ebenfalls ein wichtiger Nährstoff für Pflanzen. Aber die größten Konzentrationen des Stoffes findet man am Boden des Sees - also am weitesten entfernt von den lichtdurchfluteten Schichten, in denen Pflanzen wachsen.

Düngung
Beim Düngen

Stickstoff und Phosphor befinden sich also nicht unbedingt dort, wo sie gebraucht werden. Auch im See selbst kommt es durch die Schichtung des Wassers zu großen Konzentrationsunterschieden. Im Herbst und Frühjahr wird das Wasser durchmischt und die Verteilung von Phosphor und Stickstoff damit ausgeglichen. Im Frühjahr stellt diese Durchmischung den Produzenten ausreichend Nährstoffe zur Verfügung, um den Stoffkreislauf in Gang zu bringen. Sie verbrauchen vor allem den nur in geringen Mengen vorkommenden Phosphor in den oberen Wasserschichten. Im Hochsommer wird das Wasser kaum noch durchmischt. Das bedeutet, dass an der Wasseroberfläche viel Sauerstoff durch Fotosynthese gebildet wird, aber nicht mehr in die tieferen Schichten gelangt, wo er verbraucht wird. Umgekehrt gelangen Phosphor und Stickstoff aus der Tiefe nicht mehr nach oben. Es herrscht Sommerstagnation, die Produktivität nimmt im natürlichen Kreislauf ab. Gelangen nun aber zusätzliche Stickstoffe und Phosphate (z. B. aus Düngemitteln und Abwässern) in den See, nimmt das Wachstum weiter zu. Es kommt zur Überdüngung, der Eutrophierung, die oft zu einer Algenblüte führt. Was sich zunächst nach einer positiven Produktivitätssteigerung anhört, schlägt schnell ins Gegenteil um und führt zu einer Verarmung der Artenvielfalt.

Eutrophierung

Ein Flusskrebs in Nahaufnahme

Seen unterscheiden sich oft in ihrem Nährstoffangebot und damit auch in ihrer Produktivität. Hochgelegene Gebirgsseen sind z. B. meist sehr nährstoffarm. Seen im Flachland dagegen sind häufig sehr nährstoffreich, da hier eher durch Abwässer und Landwirtschaft, aber auch auf natürlichem Wege (durch Bäche, Tiere und Pflanzen) Phosphor und Stickstoff eingetragen werden. Die Menge und Vielfalt der Seebewohner hängt direkt von der Konzentration dieser Nährstoffe ab. Manche Arten kommen nur in besonders nährstoffreichen Gewässern vor, andere haben sich auf nährstoffarme spezialisiert (siehe auch Bioindikatoren zur Gewässergütebestimmung). Seen, die nährstoffarm sind, nennt man oligotroph. Man erkennt sie am klaren, blauen Wasser. Seen, deren Wasser grün und trübe ist - aufgrund des hohen Planktonwachstums - sind meist reich an Nährstoffen (eutroph).

Wie bereits im Nährstoffkreislauf beschrieben, gibt es im See Organismen, die Nahrung produzieren und solche, die sie konsumieren. Letztlich brauchen aber auch die Produzenten, die Algen und Pflanzen, Nährstoffe, die sie nicht selbst herstellen können. Zu diesen Nährstoffen gehören u.a. Phosphor und Stickstoff. Im Gegensatz zu den Pflanzen- oder Fleischfressern können die Pflanzen diese Stoffe nicht mit ihrer Nahrung aufnehmen. Sie sind darauf angewiesen, diese Stoffe im Wasser oder im Boden vorzufinden und sie über ihre Wurzeln oder ihre Oberfläche aufzunehmen.

Die Nährstoffe sind meist ungleichmäßig im See verteilt - abhängig vor allem von der Wassertemperatur. Durch zunehmende Erwärmung wachsen mehr Pflanzen und Algen und als Folge auch mehr Tiere, die sich von ihnen ernähren. Phosphor wird dabei dem Wasser oder dem Boden entzogen und von den Pflanzen gebunden. Später, im Herbst, nimmt die Stickstoff-Konzentration zu. Dafür ist die Zersetzung von totem Pflanzen- oder Tiermaterial verantwortlich.

Dieser natürliche Kreislauf wird gestört, sobald von außen zusätzlicher „Dünger“ zugeführt wird. Aus der Landwirtschaft, durch Industrie- und Haushaltsabwässer und über verschmutzte Luft gelangen zusätzliche Nährstoffe ins Wasser. Es kommt zu einer Überdüngung, der Eutrophierung. Auch die vermehrte Nutzung von Seen spielt dabei eine Rolle: Sedimente, in denen Phosphor lagert, werden aufgewirbelt und der Phosphor im Wasser gelöst (siehe auch Flashanimation Überdüngung).

Phosphormangel ist der entscheidende, begrenzende Faktmor beim Wachstum von Algen. Sie können nur solange wachsen und sich vermehren, solange ausreichend Phosphor vorhanden ist. Wird jetzt, z. B. durch Phosphate aus Waschmitteln, immer weiter Phosphor zugeführt, können auch die Algen immer weiter wachsen. Das löst eine verheerende Kettenreaktion aus:

Am Anfang profitieren auch die Wasserpflanzen von den zusätzlichen Nährstoffen, genauso wie sämtliche Tiere, die sich von den verstärkt wachsenden Pflanzen und Algen ernähren. Bald wird der Algenteppich in der obersten Wasserschicht aber so dicht, dass immer weniger Licht nach unten dringt. Die Pflanzen der Tauchblattzone können keine Fotosynthese mehr betreiben; sie sterben ab. Nun findet am Seeboden die Zersetzung der abgestorbenen Pflanzenteile statt. Bei diesem Abbauprozess werden große Mengen Sauerstoff verbraucht. Der Seeboden wird aufgrund des Sauerstoffmangels für viele Tiere zunehmend unbewohnbar. Ist es zudem sehr warm, kann auch der Sauerstoff aus der Luft nicht mehr im Wasser gelöst werden. Selbst die oberen Schichten enthalten dann immer weniger Sauerstoff. Auch die Algen an der Oberfläche leben nicht ewig. Wenn sie im Hochsommer ebenfalls absterben, wird bei ihrer Zersetzung noch mehr Sauerstoff verbraucht - im Extremfall so viel, dass der ganze See „umkippt“. Das heißt, das Wasser ist dann so arm an Sauerstoff, dass die Seebewohner regelrecht ersticken. Es kommt zu einem Massensterben.

Selbst wenn es soweit nicht kommt, führt die Zufuhr von zusätzlichen Nährstoffen zu starken Veränderungen im See. Tiere und Pflanzen, wie zum Beispiel der Gelbrandkäfer und die Armleuchteralgen, die klare, sauerstoffreiche Lebensräume bevorzugen, können in eutrophen Seen nicht überleben. Die Artengemeinschaft verändert sich. Plötzlich dominieren Arten, die sich an den „überdüngten“ Lebensraum angepasst haben - z. B. Egel und Wimpertierchen. Diejenigen, die nährstoffärmeres Wasser bevorzugen, z. B. Forellen und Steinkrebse, sind in ihrem Bestand zunehmend bedroht.

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Gisela Fritz
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