Das Renaissance-Experiment

Die Rolle der Frauen in der Reformationszeit

Stand
Autor/in
Sandra Kampmann

Schlechte Quellenlage

Bildnis der Katharina Luther (um 1529, Cranach)
Bildnis der Katharina Luther (um 1529, Cranach)

Die meisten verbinden die Reformation mit männlichen Protagonisten wie Martin Luther, Philipp Melanchthon oder Johannes Calvin. Die Rolle der Frauen hingegen gilt als Randthema der Reformation. Einem größeren Publikum ist allenfalls noch die Gattin des Reformators, Katharina von Bora, bekannt. Namen wie Wibrandis Rosenblatt, Katharina Zell oder Elisabeth von Calenberg sind den wenigsten ein Begriff, obwohl diese Frauen tragende Rollen während der Reformation, auch im Südwesten Deutschlands und in den umliegenden Regionen, innehatten.

Die Quellen geben meist nur spärliche Auskunft. Selten sind Briefe, Flugblätter oder Schriften von Frauen erhalten. Doch eines ist heute unumstritten: Die reformatorische Kirche setzt insbesondere auf die Beteiligung der Frauen: Heute ist dies sichtbar in der Tatsache, dass Frauen gleichberechtigt zu allen Ämtern der Kirche zugelassen sind, dass sie das Ritual der Taufe ausüben können, dass sie das gleiche Recht auf Teilhabe an Bildung haben und die Ehe im Vergleich zum Lebensentwurf des Mönches oder der Nonne aufgewertet wurde.

Katharina von Bora

Hinweistafel am Sterbehaus von Katharina Luther in der Katharinenstraße in Torgau in, Sachsen.
Hinweistafel am Sterbehaus von Katharina Luther in der Katharinenstraße in Torgau in, Sachsen.

Wissenschaftlichen Forschungen verdanken wir, dass mittlerweile viele Lebenswege von Frauen, die sich in der Reformationsbewegung engagiert haben, bekannt sind. Darunter fällt die Gruppe der Pfarrfrauen. Diese heirateten meist einen ehemaligen Mönch oder lebten vor der Eheschließung als Nonne in einem Kloster. Bestes Beispiel dafür ist Katharina von Bora, die Gattin Luthers. Sie war gebildet, konnte lesen und schreiben. Nach der Heirat gebar sie nicht nur sechs Kinder und kümmerte sich um Haus und Hof, sondern koordinierte auch ein Anwesen, in dem zeitweise 40 Personen lebten. Darüber hinaus verwaltete sie die Finanzen, beteiligte sie sich an den berühmten Tischreden und beaufsichtigte die Drucklegung der Lutherschriften. Da viele Pfarrfrauen von den Altgläubigen angefeindet wurden, mussten diese Frauen mutig gegen Vorbehalte angehen und Glaubensstärke demonstrieren. So glaubte man beispielsweise, dass Kinder aus einer solchen Ehe missgebildet seien.

Hand mit Flugblatt
Luthers Thesen verbreiten sich durch die neuen Druckmöglichkeiten im ganzen Land.

Frauen der Reformation

Die Zentren der Reformation am Oberrhein waren Straßburg, Zürich und Basel. Zu Beginn der 1520er Jahre setzte eine wahre Heiratswelle unter den Reformatoren ein und eine Frau schaffte es, mit drei Reformatoren, der Reihe nach, verheiratet zu sein. Wibrandis Rosenblatt ehelichte zunächst den wichtigsten Reformator Basels, Professor Johannes Oecolampad, der 22 Jahre älter war als sie. Die Ehe währte nur kurz, aber in dieser Zeit übernahm Wibrandis das Regiment über Kinder und Küche und einen großen Haushalt. Als der Professor nach drei Jahren starb, heiratete die tatkräftige Frau einen weiteren Reformator, Wolfgang Capitos, und zog mit ihm nach Straßburg. Doch nach zehn Jahren Ehe verstarb auch dieser und sie vermählte sich ein letztes Mal mit dem Reformator Martin Bucer, dem sie ins Exil nach Cambridge folgte. Insgesamt gebar sie elf Kinder und starb 1564 an den Folgen der Pest in Basel.

Andere Frauen, die sich am reformatorischen Aufbruch beteiligten, haben schriftliche Zeugnisse hinterlassen. Dazu zählt unter anderen Elisabeth von Rochlitz – sie hat über zweitausend Briefe hinterlassen! – ebenso wie die aus altbayrischem Adel stammende Argula von Grumbach, deren Schriften und Sendbriefe noch erhalten sind oder auch Katharina Zell. Letztere stammte aus einem Patrizierhaushalt in Straßburg und heiratete 1523 den Priester Matthäus Zell. Sie predigte als Laientheologin und veröffentlichte ein Dutzend Schriften mit reformatorischem Gedankengut. Katharina Zell setzte sich zudem beherzt für caritative und soziale Belange ein. Sie engagierte sich in Armenhäusern, Bildungseinrichtungen und in der Gefängnisseelsorge. Die Ehe blieb kinderlos und sie bezeichnete sich selbst als „Kirchenmutter“.

Entscheidend unterstützten die Reformation auch Frauen, die eine hohe gesellschaftliche Stellung und einen besonderen Einfluss hatten. Dazu zählt Elisabeth von Calenberg. Sie war mit dem Grafen von Henneberg verheiratet und trieb nach dem Tod ihres Mannes die Reformation in Südniedersachsen voran. Durch ihre politische Macht hielt sie ihre Hand schüt-zend über Damenstifte und Frauenklöster und ist auch unter dem Namen „Reformationsfürstin“ bekannt. Die Umgestaltung der Klöster nach evangelischer Glaubenslehre barg so manchen Konflikt: Besonders bekannt ist der Streitfall um die Auflösung des Klarissenklosters in Nürnberg. Die dort amtierende, humanistisch gebildete Äbtissin Caritas Pirckheimer stritt sich vehement mit den Nürnberger Ratsherren und den Reformatoren Philipp Melanchthon und Andreas Osiander um den Erhalt den Klosters und ergriff gegenreformatorische Maßnahmen . Die Reihe von Frauen, die sich aktiv auf der einen oder anderen Seite in die politischen und theologischen Auseinandersetzungen der Reformationszeit einmischten, ist nicht ausufernd, aber für die damalige Zeit doch beachtlich.

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Sandra Kampmann