Woran glaubten die Römer? Und vor allem wie? Beteten Sie wie wir heute? Das herauszufinden ist nach 2000 Jahren gar nicht mehr so einfach. Deshalb hat sich der Althistoriker und Religionswissenschaftler Wolfgang Spickermann von der Universität Erfurt zusammen mit einer Gruppe Studenten vorgenommen die antiken Schriftquellen (Cicero, Cato der Ältere, Lukian) nach den religiösen Praktiken der Römer zu durchforsten. Damit aber nicht genug, die Gruppe hat die Zeremonien dann auch real durchgespielt. Ort der Handlung war der rekonstruierte Tempelbezirk von Tawern, der dem Gott der Reisenden und der Händler, dem Merkur, geweiht war. In der Folge erfahren wir, wie wichtig den Römern Götterzeichen und die Verehrung ihrer Götter war. Aber nicht nur ihrer eigenen Götter: sie nahmen auch Götter eroberter Völker in ihren Pantheon auf. Aber mit dieser Toleranz war Schluss, sobald die Anerkennung ihres „göttlichen“ Kaisers und die bestehende Himmelsordnung in Frage gestellt wurden.
Ein wichtiger Bestandteil römischer Kulthandlungen war das Lesen von Götterzeichen. Daher die erste Aufgabe im Experiment: Die göttlichen Vorhersagen in Form der Auspizien zu rekonstruieren. Kein Römer unternahm nicht nur das Geringste, sei es der Antritt einer Reise, der Abschluss eines Geschäfts oder der Befehl zu einem Feldzug, bevor er nicht eine Vorhersage eingeholt hatte. Diese Auspizien wurden von Spezialisten, den sogenannten Auguren, durchgeführt. Meist beobachteten sie den Vogelflug oder lasen in den Eingeweiden geopferter Tiere. Die zu deutenden Erscheinungen galten dann als Zeichen der Götter, ihre Zustimmung oder Ablehnung des menschlichen Vorhabens betreffend. Dazu wird im Experiment ein Feld abgesteckt mit einem hohen Baum genau in der Mitte. Fliegen die in einem Käfig mitgebrachten Tauben rechts vom Baum bedeutet das „ja“, links davon „Nein“. So einfach können Auspizien sein, zumindest im Prinzip.
Wer waren nun diese Götter, die mit den Auspizien befragt wurden? Die Römer hatten viele davon, einen ganzen Pantheon, einen Götterhimmel. Über allen standen Jupiter, der Göttervater und Juno, seine Gattin. In den großen Tempeln der Städte wurde diesen Staatsgöttern gehuldigt. Die Römer machten auch ihre Kaiser zu göttlichen Figuren, die nach ihrem Tod in den Pantheon aufstiegen. Und dort gab es auch Platz für „fremde Götter“, z. B. von eroberten Völkern. Dieser Toleranz verdanken die Römer zum Beispiel die keltische Pferdegöttin Epona. Auch bei den Bauformen der Tempel wurden einheimische Traditionen übernommen. Es war eine bunte Götterwelt damals und jeder konnte seinen bevorzugten Göttern huldigen. Nur wer den Kaiserkult infrage stellte, wie zum Beispiel die Christen, wurde verfolgt.
Die zweite Frage, die im Experiment erkundet wird: Wie wurden die Götter gnädig gestimmt? Die wichtigste Handlung dabei war das Opfer, das sacrificium. Opfer waren in allen Größenordnung möglich: Bei Bedrohung durch Feinde konnte der Kaiser ein Staatsopfer anordnen, dann brannte kostbarer Weihrauch auf allen Altären des Imperiums. Dazu spielten die Doppelflöten der Priester. Wollte ein Bürger in ein hohes Staatsamt gewählt werden wählte er das Hekatomben-Opfer und ließ 100 Stiere töten. Die Bürger freute es, denn das meiste von den Opfertieren wurde später verteilt und aufgegessen. Doch ganz so einfach ging das nicht, wie Spickermanns Studenten herausgefunden haben. Der Ablauf des Opfers war genauestens vorgeschrieben. Ein Versprecher im letzten Gebet der aufwändigen Zeremonie, und alles war umsonst. Da hilft nur volle Konzentration und die römische Erkenntnis: „Menschen sind wir, keine Götter“.
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