Sprechertext Folge 6: Abwehr auf Abwegen
Nachrichtensprecher: "Der Pollenflugbericht, gültig bis Mittwoch Abend. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung kommt es zu einem verstärkten Flug von Gräserpollen. Auch die allergene Belastung durch Beifuß- und Roggenpollen ist hoch."
Wenn es grünt und blüht, würden viele Menschen am liebsten ihrer "reizenden" Umwelt entfliehen. Jeder fünfte Deutsche reagiert überempfindlich auf Pollen. Wer sich dennoch in die "feindliche" Natur wagt, kann sich mit Masken schützen, die den allergiegeplagten Träger mit pollenfreier Luft versorgen. Filter verhindern, dass die mikroskopisch kleinen Peiniger mit den Schleimhäuten der Nase, der Augen oder der Atemwege in Berührung kommen.
Die oft nur wenige Tausendstel Millimeter großen Winzlinge können den meisten Menschen nichts anhaben. Wer dagegen an Heuschnupfen leidet, reagiert auf die Pollen einer oder mehrerer Blütenpflanzen. Die bizarr geformten Gebilde werden vom Immunsystem bekämpft, als wären es krankmachende Parasiten. Eine Vielzahl von Symptomen wie Husten oder Atemnot machen den Allergikern das Leben schwer, außerdem tropfende Nasen, geschwollene Schleimhäute und tränende Augen.
Bei Kontakt mit den Pollen schütten bestimmte Zellen des Immunsystems, die Mastzellen, Histamin aus. Dieser Stoff, der auch in Brennnesseln enthalten ist, bewirkt die Entzündungen mit ihren lästigen Begleiterscheinungen.
Trickfilm "Allergische
Reaktion" starten
(Länge: 1:56 min)
Wenn Allergene, wie Pollen, in den Körper des Menschen gelangen, reagieren manche überempfindlich, andere dagegen nicht. Warum, ist nicht genau bekannt. Dagegen weiß man, wie sich die "Karriere" eines Allergikers entwickelt. Zellen in der Haut oder Schleimhaut, die Allergene aufgenommen haben, zeigen Teile davon an ihrer Oberfläche. Erkennen T-Helferzellen in diesen Steckbriefen vermeintliche Krankheitserreger, kommt es zum Fehlalarm.
Die T-Zellen teilen sich und organisieren die Produktion passender Antikörper. Diese IgE-Antikörper docken an den Mastzellen an und gehen wie Antennen auf Empfang. Jetzt ist der Mensch gegen ein bestimmtes Allergen sensibilisiert. Bei jedem weiteren Kontakt mit dem Allergen begibt sich die Abwehr auf Abwege. Die Mastzellen werden aktiv.
Überbrückt ein Allergen zwei benachbarte Antikörper, setzt die Mastzelle den Botenstoff Histamin frei, um die lästigen Eindringlinge loszuwerden. Die Schleimhaut rötet sich und schwillt an. Eine Therapiemöglichkeit: Antihistaminika blockieren die Botenstoffe, die Beschwerden klingen ab.
Der einfachste Weg, allergischen Reaktionen vorzubeugen, besteht darin, den Kontakt mit den Allergenen zu meiden. Ganz gleich, ob sie natürlichen Ursprungs sind, aus den Abgasen des Verkehrs stammen oder aus der Industrieproduktion.
Etliche stillgelegte Salz- oder Erzbergwerke sind mittlerweile Zufluchtsstätten für Allergiker. Auch die Kurbetriebe des Baden-Württembergischen Städtchens Aalen haben sich auf die überempfindliche Kundschaft eingerichtet. Die bergmännische Unterwelt vergangener Tage bietet ein kostbares Gut: Reine Luft, frei von Allergenen. In den feuchtkühlen Stollen unter Tage findet ein natürlicher Luftaustausch statt, der alle Schwebstoffe rasch nach außen abtransportiert. Ähnlich günstige Bedingungen finden sich sonst nur im Gebirge oder am Meer.
Die Patienten, die sich gewöhnlich einer dreiwöchigen Kur unterziehen, leiden überwiegend an Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis. Zwei Stunden verbringen sie täglich im Heilstollen. Bei vielen lindern sich die allergischen Symptome schon nach der ersten Woche. Sie klingen bei längerer Therapiedauer oft soweit ab, dass auf Medikamente teilweise verzichtet werden kann. Die Behandlung wirkt noch längere Zeit nach. Aber wenn danach die Belastung mit Allergenen eine bestimmte Schwelle übersteigt, verstärken sich auch wieder die Krankheitszeichen.
Szenen aus dem Mittelalter. Nach heutigen Maßstäben lebten unsere Vorfahren in extrem unhygienischen Verhältnissen. Mensch und Tier teilten sich die schlichten Behausungen. Parasiten, Viren und Bakterien waren allgegenwärtig und forderten die Immunabwehr stets aufs neue heraus. Allergien waren selten.
Mit steigendem Lebensstandard haben Allergien dramatisch zugenommen. Die Ursache sehen einige Wissenschaftler im "sterilen Lifestyle" von heute. Abwehrmechanismen gegen Parasiten sind ständig unterfordert und richten sich statt dessen gegen harmlose Substanzen. Für diese Theorie spricht einiges. Denn in schwach entwickelten Ländern treten Allergien selten auf. Das im Laufe der Evolution entstandene Immunsystem des Menschen hat sich auf ein Leben in der Natur eingestellt. Verschiedene Abwehrstrategien haben sich gebildet, je nachdem, ob Bakterien, Viren oder Parasiten zu bekämpfen sind.
An moderne parasitenarme Industriegesellschaften hat sich das Immunsystem noch nicht angepasst. Eine Hypothese besagt, dass Umweltbelastungen wesentlich zur erhöhten Allergieanfälligkeit beitragen. Im Verdacht stehen Luftschadstoffe, welche die Atemwege schädigen und dadurch Pollen den Zugang zum Immunsystem erleichtern. So plausibel die Erklärung auch klingen mag, harte Fakten stehen noch aus. Im Lichte neuerer Erkenntnisse könnte sich die Theorie sogar mehr oder weniger in Luft auflösen.
Wissenschaftlern kam die Wende zu Hilfe. Die Öffnung der Grenzen im Jahre 1989 brachte nicht nur den Ostdeutschen die Freiheit. Mit dem Fall der Mauer eröffnete sich auch ein neues Feld für die Forschung. Mediziner untersuchten Vorschulkinder, die zu DDR-Zeiten unter deutlich schlechteren Umweltbedingungen aufgewachsen waren. Das überraschende Ergebnis: Bei den Kleinen traten wesentlich weniger Allergien auf, als bei den westlichen Altersgenossen. Anders als diese besuchten die DDR-Kinder wesentlich früher die Kinderkrippe. Infektionen auch mit Würmern trainierten das Immunsystem. So erklären sich manche Forscher die geringere Anfälligkeit für Allergien.
Sprechstunde an der Hautklinik der Universität Freiburg. Gerötete, juckende Stellen in den Armbeugen rühren von einer Neurodermitis her. Patienten mit dieser Form der Allergie reagieren gewöhnlich auf mehrere Stoffe überempfindlich. Fragen nach den häuslichen Wohnverhältnissen und wann die Symptome auftreten, geben Hinweise darauf, welche Substanzen als Auslöser der Allergie in Betracht kommen.
Patientin: "Ja eigentlich hauptsächlich im Frühling, deshalb bin ich auch jetzt hier, also weil das seit März wieder schlimmer wird."Ärztin: "Ist es nur im Frühling oder auch im Sommer oder Hebst?"
Patientin: "Hauptsächlich im Frühling, aber ich merke es auch im Sommer, also es ist nie ganz weg, außer wenn ich am Meer bin."
Lösungen, die Allergene von Pollen, Milbenexkrementen oder Tierhaaren in möglichst reiner Form enthalten, helfen bei der kriminalistischen Spurensuche. Aus den Angaben der Patientin wird eine Art "Täterprofil" erstellt, das sämtliche allergieverdächtigen Substanzen enthält.
Beim Pricktest werden die ausgewählten Extrakte auf vornumerierte Hautpartien getropft. Die später auf der Haut sichtbaren Immunreaktionen sind zum Teil auch erblich bedingt. Kinder allergiekranker Eltern sind überdurchschnittlich häufig selbst betroffen. Damit die Substanzen auch wirken können, werden sie in die Haut eingeritzt. Es dauert etwa eine halbe Stunde, bis das Ergebnis der Histaminausschüttung erkennbar wird. Schwellungen zeigen, welche Stoffe eine allergische Reaktion bewirkt haben.
Ärztin: "Ihre Histaminkontrolle ist positiv, dann haben Sie eine Reaktion auf Katzenhaare, dann haben sie reagiert auf Lieschgras, sehr stark, auf Roggen und auf Beifuß."
Während die Pollen des Beifuß sich nur in freier Natur finden, stammen andere Allergene aus dem unmittelbaren Wohnumfeld. Viele Menschen denken nicht daran, dass es die Staubmilben in ihrem Schlafzimmer sein könnten, deren Kot besonders häufig Allergien auslöst. Zu den lästigen Untermietern gehören auch Schaben, die sich meist unbemerkt im Haushalt einnisten. Sie suchen Wärme und Nahrung. Ihre Exkremente, mit dem Staubsauger aufgewirbelt oder über die Klimaanlage verteilt, sind nichts für empfindliche Leute.
Haustiere, allen voran Katzen, bilden eine weitere Quelle für Allergene. Eiweißstoffe in Haut und Haaren verursachen die Beschwerden. Seltener bestehen Unverträglichkeiten gegen Urin oder Speichel. Dem allgemeinen Trend folgend, nehmen die berufsbedingten Allergien zu. Bei Landwirten verbreitet, die sogenannte Farmerlunge. Staub, beim Heuen oder Dreschen, kann zu gefährlichen Entzündungen der Lungenbläschen führen. Mancher Bauer musste deshalb seinen Hof aufgeben.
Der Mann mit der Maske ist Bäcker Josef Krieger. Dank der bequem zu tragenden Vorrichtung, die ihn ständig mit staubfreier Luft versorgt, kann er seinen Beruf noch ausüben. Josef Krieger ist gegen Roggenmehl allergisch. Das hätte fast das Aus für den Betrieb bedeutet, der seit Generationen in Familienbesitz ist. Josef Krieger liebt seinen Beruf. Als die Asthmaanfälle immer häufiger auftraten, gaben ihm die Ärzte die übliche Empfehlung:
Bäcker: "Da hieß es also, Umschulung ist der einzige Weg, weg vom Beruf. Da ich das aber auf keinen Fall wollte, habe ich einen Weg gesucht und auch gefunden, durch diese Maske, die ich jetzt also seit sechs Jahren konstant trage. Und die Werte werden also von Untersuchung zu Untersuchung besser, ich habe also heute keine Beschwerden mehr und kann meinen Beruf ausüben, was also für mich sehr wichtig ist, weil das eine Existenzfrage ist."
Natürliche Stoffe, die in der Umgebungsluft schweben, führen zwar die Hitliste der Allergene an. Auf Rang zwei liegen aber schon Substanzen, die sich - meist unerkannt - in Nahrungsmitteln verbergen. Sie können Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Hautreaktionen oder sogar lebensbedrohende Schocks verursachen.
Jedes Lebensmittel setzt sich aus einer Vielzahl einzelner Bausteine zusammen. Oft sind die gleichen Bestandteile in mehreren Nahrungsmitteln vorhanden. Manche Produkte enthalten chemische Zusätze. Das alles erschwert die Enttarnung allergieauslösender Faktoren. Milch kommt in vielen Erzeugnissen vor. Je früher Kinder mit dem Milchtrinken beginnen, desto eher entwickeln sie eine Unverträglichkeit. Babys sollten deshalb so lange wie möglich gestillt werden. Das senkt generell das Allergierisiko.
Wespen sind normalerweise harmlose Störenfriede. Einigen Menschen können sie aber gefährlich werden, lebensgefährlich. Die folgende Szene, sie spielt in der Schweiz, vermittelt einen Eindruck davon, wie heftig allergische Reaktionen ausfallen können. Unmittelbar nach dem Stich setzt die Immunreaktion ein. Histamin aus den Mastzellen und weitere Botenstoffe durchfluten den Körper. Erst ein Kribbeln in den Händen, dann massivere Kreislaufstörungen.
Im Körper bricht Chaos aus. Die Gefäße erweitern sich so rasch, dass der Blutdruck bedrohlich abfällt. Es ist nur eine Frage von Sekunden, bis dem Mann schwarz vor Augen wird. Er zeigt alle Symptome eines anaphylaktischen Schocks, der unbehandelt zum Tod führen kann. In einem so schweren Fall kommt es auf Minuten an. Am besten ist es, unverzüglich den Notarzt zu rufen. Jedes Jahr kommt für einige Patienten jegliche Hilfe zu spät.
Als erstes muss der Kreislauf wieder in Gang gebracht und die extreme Histaminproduktion gestoppt werden. Dafür gibt es bewährte Wirkstoffe, die Rettungsteams bei sich führen. Prinzipiell kann jedes Allergen einen Schock hervorrufen. Das betrifft vor allem Nahrungs- und Arzneimittelallergiker.
Klopfen und Saugen, das sind die typischen Handbewegungen einer seltenen Berufsgruppe. Die Insektenjäger haben es auf Wespen abgesehen, genauer auf deren wichtigste Waffe. Im Labor werden den Tieren Stachel und Giftblase entfernt. Der Lohn dieser mühsamen Tätigkeit kommt jenen Menschen zugute, die auf Wespenstiche extrem empfindlich reagieren. Die Masken schützen vor dem Einatmen des Giftes und verhindern, dass die Beschäftigten selbst zu Allergikern werden.
Aus dem Wespengift gewinnt man das Allergen, das zur Hyposensibilisierung eingesetzt wird. Mit kleinen Dosen beginnend, die sich allmählich steigern, wird der Patient über Jahre an das Gift gewöhnt. Dabei findet eine Umprogrammierung statt. Andere Zweige des Immunsystems, die weniger heftig auf das Allergen reagieren, übernehmen nach und nach die Abwehr. Ob die Therapie geglückt ist, wird der Test mit einer lebenden Wespe zeigen. Ihr Stich bleibt ohne Folgen. Die Wirkungsweise der Hyposensibilisierung ist noch nicht völlig geklärt, aber bei vielen Allergieformen erfolgreich.
Prof. Schöpf: "Es ist sehr sinnvoll, bei schweren Pollenallergien zum Beispiel, schon im relativ frühen Kindesalter diese Hyposensibilisierung durchzuführen, weil man damit verhindern kann, dass die Pollenallergie einen sogenannten Etagenwechsel vollzieht, d. h. es nicht nur einen Hauschnupfen macht, der ja vergleichsweise harmlos, wenn auch unangenehm ist, sondern auf die tieferen Etagen der Bronchien sich ausweitet, in Form eines Pollenasthmas. Und dann wird es natürlich gefährlich. Und das kann man durch eine Hyposensibilisierung in vielen Fällen verhindern."
In diesen Schubfächern lagert ein kleiner Teil menschlichen Erfindungsreichtums: Substanzen, die unseren Alltag bereichern, denen wir aber auch manch "reizende" Begleiterscheinung verdanken. Wenn Kosmetika, Waschpulver, Farben oder Lösungsmittel mit der Haut in Berührung kommen, dann schlägt bei manchen Menschen das Immunsystem Alarm. Besteht Verdacht auf eine Kontaktallergie, kann wiederum nur ein Test klären, welche Stoffe nicht vertragen werden.
Während die bisher betrachteten Allergene - Pollen oder Wespengift - eine Sofortreaktion auslösen, erfolgt die Immunantwort auf Kontaktallergene mit Verzögerung. Erst Wochen nach der Einwirkung bilden sich bei Überempfindlichen juckende Ekzeme. Die Patienten würden am liebsten aus der Haut fahren.
Die Haut, die der moderne Homo sapiens gerne mit allerlei Modischem schmückt, ist mehr als eine einfache Schutzhülle. Sie bildet ein fantastisches Frühwarnsystem, das allerdings bei Allergikern häufig Fehlalarm auslöst. Schmuck, Parfüms, Kosmetika oder Kleider, alles was direkt mit der Haut in Berührung kommt, kann Entzündungen hervorrufen. Wer auf diese Krankheitszeichen achtet und Kontaktallergene konsequent meidet, wird sich in seiner Haut bald wieder wohl fühlen.
Neurodermitis. Immer mehr Kleinkinder sind davon betroffen. Neben erblichen Faktoren trägt eine zu kurze Stillzeit sowie übertriebene Hygiene zu dieser Form der Allergie bei. Auch Silja Beckmann leidet seit frühester Kindheit an Neurodermitis. Typisch für die chronische Erkrankung: Sie tritt in Schüben auf, oft ohne eindeutig erkennbare Ursache. Bei der Neurodermitis wirken seelische Belastungen und äußere Einflüsse zusammen, denen man sich häufig nicht entziehen kann. Stress, Wärme, Wasser oder der eigene Schweiß können die Entzündung der Haut verstärken. Wie bei Silja Beckmann bestehen meist Unverträglichkeiten gegenüber mehreren Allergenen.
Trickfilm "Neurodermitis" starten
(Länge: 1:38 min)
In der Haut jedes Menschen befinden sich sternförmige Langerhanszellen. Diese Wächter des Immunsystems identifizieren fremde Eindringlinge mit ihren antennenartigen Antikörpern. Durch Hautuntersuchungen lässt sich nachweisen, dass Neurodermitiker extrem viele Andockstellen für IgE-Antikörper haben. Diese große Zahl von Empfängern machen die Langerhanszellen äußerst sensibel. Sie entdecken noch geringste Spuren eines Stoffes.
Wenige Allergene genügen, um die Langerhanszellen zu aktivieren. Sie feuern entzündungsfördernde Botenstoffe ab. Zusätzlich werden Steckbriefe des Allergens präsentiert. Erkennt eine T-Helferzelle ein solches Allergenbruchstück, dockt sie an und wird scharfgemacht. Die Zelle teilt sich, sendet Botenstoffe aus und alarmiert weitere Elemente der Immunabwehr. Diese Überreaktion verstärkt die Entzündung und schädigt die Haut.
Pollen, Nahrungsmittel- oder Kontaktallergene lösen bei Neurodermitikern immer wieder starke Krankheitsschübe aus, auch bei Silja Beckmann.
Patientin: "Was mich am meisten belastet, ist auf jeden Fall der Juckreiz, der eben dann besonders stark ist, ja, wenn ich ihn überhaupt nicht brauchen kann, wenn ich eh schon eine Stress-Situation habe oder so. Was dann weiter eine Belastung ist, sind auf jeden Fall Einschränkungen, Situationen, die man einfach meidet. Also, Sachen wie dass man nicht ins Schwimmbad geht, weil Wasser die Haut wieder reizt und das wieder anfängt zu jucken, oder dass man im Sommer beim Schwitzen merkt, das wird schlimmer und versucht, eher im Haus zu bleiben, wo es kühler ist. Und dann, was eben bei der Neurodermitis dazukommt, einfach weil's 'ne Krankheit ist, die man nicht verstecken kann, ist, dass man immer wieder gezwungen ist, sich damit auseinander zusetzen, weil's was Sichtbares ist."
Neurodermitiker sind gefangen in einer schwer aufzubrechenden Leidensspirale. Ständig juckende Ekzeme erhöhen den Stress, und der Stress verstärkt die Symptome.
Prof. Schöpf: "Seit langem wissen wir, dass allergische Reaktionen gerade bei Neurodermitis, aber auch vom allergischen Asthma wissen wir das, durch psychische Stresssituationen verstärkt werden. Inzwischen kennt man einige Substanzen, die freigesetzt werden bei psychischen Stresssituationen, sogenannte Neuropeptide, die zu einem Teil die Immunzellen, die bei der allergischen Reaktion die Hauptrolle spielen, aktivieren und damit eine allergische Reaktion verstärken. Es gibt andererseits bei Stresssituationen die Freisetzung von Neurotransmittern, wie zum Beispiel Adrenalin, die allergische Reaktionen eher bremsen. Das ist immer eine Frage des Gleichgewichtes im Organismus."
Das salzhaltige Wasser des Toten Meeres verspricht Linderung bei einer Reihe von Hautkrankheiten. Im Falle der Neurodermitis ist der Erfolg eher fraglich. Wärme verstärkt meist die Symptome und das pure Sonnenlicht erhöht das Krebsrisko.
Bei etlichen Patienten hat sich die Kaltlicht-Therapie bewährt. Dabei wird ein Teil des Sonnenspektrums, nämlich langwellige UV-A-Strahlen, künstlich erzeugt. Das Licht dämpft die überaktiven Langerhanszellen in der Haut und hemmt die unerwünschten Abwehrreaktionen. Entzündungen und Juckreiz, der vielen Patienten den Schlaf raubt, lassen nach. Filter halten nicht nur die Wärmestrahlen zurück, sie blockieren auch den Teil des UV-A-Lichts, der als krebserzeugend gilt.
Arzt: "Man sieht jetzt hier schon, die Haut ist sehr viel glatter, kaum mehr Kratzspuren, insgesamt viel weicher als vor sechs, acht Wochen."Patientin: "Durch Zufall bin ich an die Kaltlicht-Therapie gekommen und es ist eigentlich sehr erfolgreich. Die Haut regeneriert sich wieder, der Juckreiz lässt nach. Man fühlt sich einfach ganz anders, man ist ein anderer Mensch, wenn die Haut wieder gut ist. Man traut sich wieder was Kurzärmeliges anzuziehen, also ich bin sehr zufrieden."
Die Allergieforschung bietet noch viel Raum für neue Erkenntnisse. Manche Prozesse, die im Immunsystem ablaufen, sind nur unzureichend aufgeklärt. Oft bleibt den Ärzten nur das Behandeln der Symptome mit Stoffen, die Entzündungen generell unterdrücken.
Wie an der Universitätsklinik Freiburg arbeiten Wissenschaftler weltweit daran, das fehlgeleitete Immunsystem von Allergikern gezielter als bisher zu beeinflussen. Mit gentechnischen Methoden könnte es gelingen, das Abwehrsystem von seinen Abwegen abzubringen.
Prof. Schöpf: "Eine Hauptstoßrichtung ist die bessere Identifizierung der chemischen Struktur der Allergene, die verantwortlich ist für die Auslösung der Allergien. Dies hat auch große Konsequenzen für die Hyposensibilisierungs-Therapie, weil man damit Impfstoffe herstellen kann, die ganz spezifisch und ganz sauber sozusagen das auslösende Allergen in seiner chemischen Struktur enthält. Die zweite Hauptstoßrichtung geht in die Manipulation der Immunglobulin-E-Produktion in unserem Körper. Unsere genetische Disposition als Allergiker führt ja dazu, dass wir überschießend, zuviel Immunglobulin E produzieren, bei Kontakt mit Allergenen nach entsprechender Sensibilisierung. Und diese überschießende IgE-Produktion kann man heute schon in bestimmten Tiermodellen unterdrücken und bremsen durch Substanzen, die man in der Hand hat. Und ich denke, dass in den nächsten Jahren auch für den Menschen hier therapeutische Entwicklungen zu erwarten sind."