Nachhaltige Fischerei

Nachhaltige Fischerei

Stand
Autor/in
Susanne Blech

Woher stammt eigentlich der Fisch aus dem Supermarkt? Warum geht es vielen Fischbeständen so schlecht? Und welche Auswirkungen hat das auf die deutschen Küstenfischer in Nord- und Ostsee? Fischfang ist globales big business, bei dem häufig viel mehr Tiere in den Netzen landen, als natürlicherweise „nachwachsen“.
Welche Ansätze gibt es für wirklich nachhaltige Fischerei in Europa? Welchen Fisch kann ich guten Gewissens essen? Ist Aquakultur die Lösung? Wir machen uns auf eine Spurensuche – vom Supermarkt an die deutschen Küsten und darüber hinaus. Wir treffen neben einem direkt betroffenen Fischer auch Wissenschaftler, die die Fischbestände erforschen und Politiker, die über Fangquoten entscheiden.

Verschiedene Arten Frischfisch auf Eis in einer Supermarkttheke.
Reiche Auswahl an der Fischtheke im Supermarkt - was bedeutet das für die Fische im Meer?

Fischer und Fischzüchter

Ein Fischer steht auf seinem Boot und holt Fische aus dem Netz.
Ostseefischer Randy Repenning bei der Arbeit.

Fisch ist ein gesundes, proteinreiches Nahrungsmittel und stellt für Milliarden Menschen weltweit eine wichtige Lebensgrundlage dar. Fisch ist aber nicht gleich Fisch. Bestand ist nicht gleich Bestand. Fischerei ist nicht gleich Fischerei. Das gilt auch für die Fischer entlang von Nord- und Ostseeküste.

Randy Repenning ist ein junger handwerklicher Kutterfischer an der Ostsee und geht damit einem traditionsreichen, aber harten Beruf nach. Die Arbeit als Fischer bedeutet nicht nur bei nahezu jedem Wetter vor Tagesanbruch aufs Meer rauszufahren. Als Fischer hat man es auch mit stark schwankenden Fischbeständen und komplexen Quotenregelungen zu tun. Viele Fischer haben deswegen bereits aufgegeben. Randy ist einer der wenigen selbständigen Erwerbsfischer, die es noch an der Ostseeküste gibt. Er selbst kann sich keinen besseren Beruf vorstellen. Wir begleiten ihn bei der Stellnetzfischerei, sprechen mit ihm über seine Arbeit, welche Fische ihm ins Netz gehen und wie er jeden Fang zu dokumentieren hat.

Die Fangmethoden (siehe Multimedia) der Fischer richten sich nach der Fischart. Man unterscheidet zwischen gezogenem und stationärem Fanggerät, zwischen Plattfischen und Rundfischen, zwischen nah am Boden lebenden Fischarten und Schwarmfischen im offenen Wasser, zwischen Küstenfischerei und Hochseefischerei. Jedem Fischer stehen in seinem Fanggebiet nur begrenzte Fangmengen für bestimmte Arten zur Verfügung. In gemischten Fischereien, wenn sich verschiedene Arten einen Lebensraum teilen, gestaltet sich das für die Fischer oft schwierig. Ist eine Art strenger geschützt als die andere, ihr Beifang aber unvermeidbar, kann das für einen Fischer bedeuten, dass er nicht mehr weiterfischen darf. Keine einfache Situation für die Fischer, deren Vorfahren noch vom einstigen Fischreichtum der Meere profitiert haben.

Der Druck auf die weltweiten Fischbestände ist enorm und führt in vielen Fanggebieten zu einem Zustand der dauerhaften Überfischung. Lässt sich mit der Zucht einiger Arten der Druck auf die wilden Fischbestände reduzieren? Aufgrund der großen Nachfrage nach Meeresfrüchten, gewinnt Aquakultur immer mehr an Bedeutung. Fischzucht ist vergleichbar mit Aussaat und Ernte in der Landwirtschaft. Wird sie umweltverträglich durchgeführt, stellt sie eine sinnvolle Ergänzung zu Wildfischen dar.

Zu einem System mit geschlossenen Kreisläufen weiterentwickelt, wird Aquakultur auch in der Stadt betrieben. Mitten in Brüssel steht Europas größte Aquaponik-Farm. Über den Dächern gedeihen Tomaten und Barsche in getrennten Räumen, mit geteiltem Wasserkreislauf. Wir sprechen mit Steven Beckers, Architekt und Unternehmer mit Visionen für urbane Landwirtschaft und Direktvermarktung in Großstädten. Ein ähnliches Projekt in Berlin zeigt dieser Film aus unserer Reihe "Big Cities": https://www.planet-schule.de/sf/php/sendungen.php?sendung=10333

Fangtechniken

Das Angeln einzelner Fische ist deutlich nachhaltiger, als das Abfischen ganzer Schwärme mit einem Ringwadennetz. Welche Fangmethoden in europäischen Gewässern üblich sind und was es mit ihnen auf sich hat, illustrieren wir in dieser interaktiven Grafik.

Wildfischforschung und Fangmengenberechnung

Ein kleines Forschungsboot mit zwei Wissenschaftlern an Bord. Von der Seite hängen zwei schlauchartige Planktonnetze ins Wasser.
Planktonfang für die Forschung - Wissenschaftler des Thünen-Instituts sammeln wichtige Basisdaten über die Fischbestände.

Möchte man wissen, wie viele Fische im Meer schwimmen, kann man nicht einfach reingucken und zählen. Woher weiß man dann, was eine nachhaltige Fangmenge ist?

Wildfisch wächst grundsätzlich „von alleine“ nach und ist eine Ressource, die sich viele Länder teilen, ohne etwas investieren zu müssen. Doch dem Meer kann auch nicht unendlich viel Fisch entnommen werden. Mit dem Zusammenbruch kommerziell wichtiger Fischbestände in den 80-er Jahren, rücken die Zusammenhänge zwischen Bestandsgröße, Fischerei und den sich ständig verändernden Umweltbedingungen in den Fokus von Wissenschaft und Fischereimanagement.

Jemand der sich mit diesen Zusammenhängen sehr gut auskennt und für Deutschland im Internationalen Rat für Meeresforschung sitzt, ist Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei. Er ist nicht nur passionierter Meeresbiologe sondern auch geschätzter Pragmatiker.

Wir sind mit Christopher Zimmermann und seinem Team unterwegs, um uns den Nachwuchs des Ostsee-Herings näher anzuschauen. Die Clupea ist das kleinste der Forschungsschiffe und so konzipiert, dass es auch in flachen Küstenbereichen eingesetzt werden kann. Dort also, wo viele Fischarten laichen und sich ihre Kinderstube befindet. Fische zählen beginnt mit den Larven. Die WissenschaftlerInnen untersuchen, wie viele überleben und berechnen wieviele Tiere in den Bestand hineinwachsen. Anhand der Gehörknöchelchen der ausgewachsenen Tiere lässt sich schließlich feststellen, wie alt ein Fisch ist. Je mehr Daten vorliegen und je besser die Informationen sind, desto aussagekräftiger und belastbarer sind die Vorhersagen über die Entwicklung der Bestände. In welchen Fischbeständen sorgen ausreichend viele Elterntiere für die Vermehrung? Wie groß ist die Menge Fisch tatsächlich, die durch die Fischerei entnommen wird? Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Lebensbedingungen der Bestände? Wissenschaftliche Auswertungen liefern heute die Grundlage für die Fangmengenberechnung der gemeinsamen Fischereipolitik der EU.

Bei der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wildfischen nutzt man aus, dass die Fischbestände besser wachsen, wenn sie befischt werden. Somit gibt es einen Bereich, in dem eine Art Gleichgewicht hergestellt werden kann zwischen der Menge entnommener und der Menge nachwachsender Fische. Wird dieser Bereich um den dauerhaften Maximalertrag deutlich überschritten, befindet sich ein Bestand schnell in einem Zustand der Übernutzung. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, das ideale Gleichgewicht zwischen Entnahmemenge und Nachwuchsproduktion zu bestimmen.

Auch das natürliche Fluchtverhalten von Fischen kann für die nachhaltige Bewirtschaftung der Bestände ausgenutzt werden. Die WissenschaftlerInnen des Thünen-Instituts prüfen Fangtechniken, die gezielt bestimmte Arten entkommen lassen.

Europäische Fischereipolitik und Quotenentscheide

Ein runder, amphitheaterähnlicher Sitzungssaal in dem mehrere Dutzend Politiker zusammensitzen.
Sitzung des Fischereiausschusses im EU-Parlament in Brüssel.

Wie viele Fische den Fischern in welchem Fanggebiet ins Netz gehen dürfen, regelt in Europa ein Quotensystem (siehe Multimedia Fangquoten). Pro Fischbestand wird jährlich vom Ministerrat eine maximale Gesamtfangmenge festgelegt und in Form nationaler Quoten auf die einzelnen Länder aufgeteilt. Das Parlament hat keine direkte Mitbestimmung bei der Quote, gestaltet aber zusammen mit dem Ministerrat die Gesetze der Gemeinsamen Fischereipolitik. Niclas Herbst sitzt für Deutschland im Fischereiausschuss. Wir treffen den EU-Parlamentarier in Brüssel und erleben den geschäftigen Alltag internationaler Politik.

Seit Inkrafttreten der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik im Jahr 2014 orientiert sich die zulässige Gesamtfangmenge am maximalen Dauerertrag. Es zeichnet sich bereits der positive Trend ab, dass weniger Bestände im Bereich der Überfischung liegen. Der konfliktreiche Prozess des Staatenverbund die marinen Ressourcen gemeinschaftlich zu nutzen verdeutlicht, wie notwendig die enge internationale Abstimmung ist. Einen entscheidenden Wendepunkt stellt die seit 2019 in vollem Umfang geltende Anlandeverpflichtung dar. Das sogenannte Upgrading bzw. der Rückwurf von Fischen soll damit vermieden werden.

Im Fischereiausschuss kommen nationale Interessen auf den Tisch, aber auch die Sorge um die marinen Ressourcen und die langfristige Existenzsicherung der handwerklichen Fischerei. Die ParlamentarierInnen beschäftigen sich über die EU Grenzen hinaus mit der Nachhaltigkeit von Fangaktivitäten der europäischen Flotte in Nicht-EU Gewässern und wie Importe aus illegaler oder unregulierter Fischerei vermieden werden können. Mehr als die Hälfte der in der EU konsumierten Fischereiprodukte ist importiert. Die EU ist damit weltweit der größte Importeur von Fisch und Meeresfrüchten.

Fangquoten

Eine Fangquote - also die Obergrenze für die Fangmenge einer bestimmten Fischart - entsteht in einem komplizierten Zusammenspiel zwischen Wissenschaft, Politik und Fischerei. Welche Stationen beim Werdegang von Fangquoten eine Rolle spielen, haben wir hier in einer interaktiven Grafik veranschaulicht.

Rückverfolgbarkeit und Verbraucherinformation

Supermarktkunde hält zwei verschiedene Dosen Fisch in den Händen - eine mit und eine ohne MSC-Siegel.
Für welches Produkt soll man sich als Verbraucher entscheiden? Nachhaltigkeitssiegel geben eine Orientierung.

Innerhalb der EU besteht für Fischereibetriebe die Pflicht zur lückenlosen Nachverfolgung ihrer Aktivitäten an Bord und in den Häfen. Per Satellit wird die Position des Schiffes bestimmt und an die nationale Aufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, gesendet. Kommt ein Fang an Bord ist nachweisbar, wo genau sich das Schiff zu dem Zeitpunkt aufgehalten hat und welcher Bestand befischt wurde. Diese Informationen werden bei den Verarbeitungsprozessen weitergereicht und finden sich schließlich im Verpackungsaufdruck wieder. Zum Beispiel in Form eines QR-Codes.

Wie die Rückverfolgbarkeit bei Kutterfisch gehandhabt wird, erklärt uns Michael Seidel, zum Zeitpunkt des Drehs in der Geschäftsführung des Unternehmens. Kutterfisch war der erste deutsche Fischereibetrieb, der im Jahr 2008 das Siegel des Marine Stewardship Council für Seelachs erhalten hat. Das MSC Siegel ist das bekannteste Ökosiegel für Wildfisch und garantiert dem Konsumenten einen nachhaltigen Mindeststandard. Beurteilt wird nicht nur die Bestandsgröße, sondern auch die Auswirkungen der Fischerei auf das marine Ökosystem.

Auch der Handel in Deutschland unterstützt die Bestrebungen nachhaltige Fischerei zu fördern und verpflichtet sich zu freiwilligen Einkaufsvereinbarungen. So stammt eine Vielzahl an Fischereierzeugnissen, die in Deutschland in den Verkauf gelangen, bereits aus nachhaltig bewirtschafteten Beständen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Tiefkühlware oder Frischfisch handelt. Auch Konsumenten können mitsteuern: Indem sie auf besonders kritische Fischarten ganz verzichten, auf Ökosiegel achten oder sich nach der Herkunft des Fisches erkundigen. Umweltverbände veröffentlichen Fischratgeber und auch im Restaurant oder im Laden kann man getrost mal nachfragen. Die Verkäufer wissen in der Regel genau woher ihre Ware stammt.

Mehr Hilfestellung beim Fischkauf auf unser Serviceseite.

Stand
Autor/in
Susanne Blech
Online bis