Dreharbeiten "Präsidium"

Realisierung einer Cross-Cut-Sequenz

Die Szene 28, das Verhör des Verdächtigen Bernhard, wird als Cross-Cut-Sequenz geplant und umgesetzt. Bei  dieser Art der Parallelmontage werden zwei oder mehr Handlungsstränge abwechselnd „über Kreuz“ geschnitten und zusammengeführt. In der Szene 28 wird durch das Cross-cutting die Verhörsituation mit einer Rückblende verbunden. Dadurch wird eine emotionale Verbindung zwischen zwei Handlungssträngen hergestellt, in denen der Verdächtige stark gefordert ist: Zunächst sieht man Bernhard im Verhörraum (Szene A), dann werden Bilder einer Handlung aus seiner Vergangenheit (Szene B und Szene C) gezeigt. Zwischendurch springt man immer wieder „zurück“ in die Verhörraum-Szene: A, B, A, C, A, C

A: Szene 28 (Verhör)
A: Szene 28 (Verhör)
B: Szene 29 (Rückblende)
B: Szene 29 (Rückblende)
A: Szene 28 (Verhör)
A: Szene 28 (Verhör)
C: Szene 30 (Rückblende)
C: Szene 30 (Rückblende)
A: Szene 28 (Verhör)
A: Szene 28 (Verhör)
C: Szene 30 (Rückblende)
C: Szene 30 (Rückblende)
Die Verhörszene im Tatort

Zusätzlich unterstützen Tonbrücken die Verbindung zwischen den beiden Handlungssträngen. Man hört während der Rückblenden teilweise den Off-Ton aus dem Verhörraum.

Der Regisseur Niki Stein erklärt, warum er die Szene dramaturgisch so entwickelt hat.

Dramaturgie der Verhörszene
Probe der Verhörszene

Das Drehen einer Szene als One-Shot (ungeschnittene Einstellung)

Eine Szene kann man auf unterschiedliche Art und Weise in einzelne Bilder/Einstellungen auflösen. Die Übertragung des Drehbuchtextes nennt man „szenische Auflösung“, oder einfach „Auflösung“.

Wenn man eine Szene in einer einzigen ungeschnittenen Einstellung dreht, dann bezeichnet man diesen Vorgang als One-Shot, oder auch als Plansequenz (frz. plan séquence). Und wenn man die Szene dann nicht nur in einer totalen Einstellungsgröße drehen will, in der die gesamte Szene wie auf einer Theaterbühne zu sehen wäre, sondern die Handlung auch in nahen Einstellungen zeigen möchte, dann muss sich die Kamera bewegen. Deshalb werden One-Shot-Aufnahmen oft als Kamerafahrt oder Kameragang gedreht.

In der Verhör-Szene 28 sollen die Kommissare und der Verdächtige in ganz nahen eindringlichen Einstellungen gezeigt werden, um die Bedrängnis des Verdächtigen bildlich zu unterstützen. Daher muss der Kameramann Stefan Sommer zwischen den Darstellern hin und her schwenken. Damit die Einstellung noch dynamischer und unruhiger wirkt, soll er selbst immer in Bewegung bleiben, während er eine 360°-Fahrt um den Verhörtisch macht.

Die endgültige Auflösung wird durch verschiedene Entscheidungen des Regisseurs Niki Stein mit den Schauspielern und dem Kameramann entwickelt. Ursprünglich sollten alle drei Schauspieler am Tisch sitzen. Um die Bedrängnis des Verdächtigen spürbarer zu machen, soll nun ein Kommissar in seinem Rücken sitzen, was der Verdächtige als unangenehm wahrnehmen soll.

Das Lichtkonzept der Verhörszene

Licht spielt im Film eine wichtige Rolle, um bei den Zuschauern Gefühle zu erzeugen. Licht unterstützt die Geschichte, die im Film erzählt wird und ist für die Grundstimmung des Films oder einer Szene mit verantwortlich. Das Licht wird vom Publikum nicht unbedingt bewusst wahrgenommen und kann doch Darsteller und Räume charakterisieren.

Für das Lichtkonzept ist der Kameramann in enger Absprache mit dem Regisseur verantwortlich. Beide analysieren das Drehbuch hinsichtlich der Grundstimmung und der Lichtsituationen in den einzelnen Szenen. Bei den gemeinsamen Vorbesprechungen, zum Beispiel bei der szenischen Auflösung des Drehbuchs, werden die jeweils eigenen Vorstellungen und Ideen ausgetauscht.

Lichtkonzept der Verhörszene
Lichtsetzung bei der Verhörszene

Für die konkrete Umsetzung des Lichtkonzepts nach den Vorgaben des Kameramannes ist dann der Beleuchtungsmeister  verantwortlich, der mit seinem Team aus Beleuchtern die Lichttechnik vorbereitet und die Lichtgestaltung am Set umsetzt. Für die Verhörszene war die Vorgabe, den Raum auszuleuchten ohne dass Scheinwerfer im Raum stehen.

Scheinwerfer werden auf einer Scherenbühne befestigt
Scheinwerfer werden auf einer Scherenbühne befestigt
Licht wird von außen durch das Fenster indirekt auf die Decke des Raumes in den Raum gerichtet
Licht wird von außen durch das Fenster indirekt auf die Decke des Raumes in den Raum gerichtet

Die Verhörszene, Szene 28, muss komplett ohne Schweinwerfer auskommen, die bei dem 360°-Kamerarundgang stören würden. Das Licht soll von einer Raumseite von außen durch einen Lamellenvorhang kommen und von einer Deckenlampe, die über dem Verhörtisch hängt. Durch die große Fensterfront, die nur als weiße, überstrahlte Fläche im Film wahrgenommen wird, entsteht im Raum eine Gegenlichtsituation, wenn Kommissar Lannert um den Tisch herum geht und vor dem Fenster als Silhouette zu sehen ist. 

Kommissar Lannert im Gegenlicht
Kommissar Lannert im Gegenlicht
Lichtsetzung beim Verhör: Fensterfront, Deckenlicht und Licht durch ein Türfenster
Lichtsetzung beim Verhör: Fensterfront, Deckenlicht und Licht durch ein Türfenster

Um die spannende Grundstimmung dieser Szene zu unterstützen, lassen Kamera und Regie die Darsteller teilweise gewollt ins Dunkle, in die Schatten gehen.