20.-28.April 2002 - die zweite Woche:
Die Entscheidung ist gefallen: Fritz und Friederike sind das Paar, das
in den kommenden Wochen bei der Brut ihrer Eier via Webcam fotografiert
wird
28.
April. Die Höhle von Mittelspecht Fritz ist kaum 50 Meter von
den Volièren entfernt. Dort haben wir unseren Kabelanschluss für's
Internet. Gewünscht hatte ich mir zwar eine Buntspechthöhle.
Doch wir fanden keine in der Nähe der Volièren. Fritz und sein
Weibchen Friederike brüteten schon. Wir warteten auf die nächste
Ablösung. Friederike kam, und Fritz flog weg. Schnell liefen wir
zum Höhlenbaum. Ich wollte, dass Fritz gar nicht erst in die Höhle
schlüpft. Bis zur Höhle waren es wohl 5 bis 6 Meter. Wir legten
die Leiter an den Baum. Markus stieg nach oben, steckte die kleine Digital-Kamera
ins Höhlenloch. Gespannt schaute ich auf den Bildschirm: da lagen
sie, 7 Eier, 7 Eier schön mattweiß und rundlich. Markus kam
herunter, gab mir die Kamera und stieg wieder nach oben. Dieses Mal nahm
er einen Gurt mit, um sich anzubinden - er wollte die Hände frei
haben. Und er nahm den Bohrer.
Wenn wir bei den Mittelspechten filmen wollten, brauchten wir ja Löcher
für Licht und Kamera. 20 Minuten, sagte ich zu Markus, länger
dürfen wir nicht stören. Markus setzte zum Bohren an. Der Bohrer
fiel ihm aus der Hand - und mir beinah auf den Kopf. Nach zwei Bohrlöchern
mussten wir unterbrechen, gingen zum Unimog, vesperten und tranken Schweizer
Kaffee. Danach setzten wir uns so auf einen Baumstamm, so dass wir die
Höhle gut beobachten konnten. Drei Stunden hatten die Spechte Ruhe
gehabt. Bei der nächsten Ablösung eilte ich zur Höhle.
Markus bohrte noch zwei Löcher. Die 20 Minuten sind rum, rief ich.
Kaum war Markus unten, da flutschte Fritz schon in die Höhle. Heute
wollten wir Fritz und Friederike nicht mehr stören. Morgen wollen
wir die Kamera anbringen.
27.
April. Es klopft um mich herum. Ich möchte wissen, wer da immer
noch so eifrig zimmert. Fritz und Friederieke, die Mittelspechte, brüten.
Pit hat heute Morgen dort angesessen. Der Grünspecht lacht. Kraftvoll
klingt sein "Gück-gück". Unter mir brummelt eine Hummel.
Ein leiser Lufthauch: wie Schnee schweben weiße Kirschblütenblätter.
Ein Amselweibchen hat einen Schnabel voller Moos. Paul, der Buntspecht,
sitzt neben der Höhle. Er ist offenbar mit Paulas Wahl einverstanden.
Was blieb ihm auch anderes übrig. Schließlich hat Paula schon
mit dem Eierlegen begonnen. Die beiden bewohnen übrigens die niedrigste
Höhle im ganzen Park. Paul schlüpft in die Höhle, kommt
nach vier, fünf Minuten wieder heraus. Hinter mir raschelt es. Langsam
drehe ich mich um. Eine Maus mit rötlichem Fell, kurzem Schwanz und
kleinen dunklen Augen kommt unter dem dickem Eichenast hervor, der vom
Sturm abgebrochen wurde. Eine Rötelmaus ist es. Sie stellt sich auf
die Hinterbeine. Putzt ihr Gesicht mit beiden Pfoten, trippelt zurück.
Husch, ist sie auf einem Vorsprung, schaut zu mir. Gerade mal einen Meter
von mit entfernt sitzt die Rötelmaus. Ich möchte sie fotografieren.
stehe vorsichtig auf, renne zu Pit, um die Kamera zu holen. Die Rötelmaus
kommt nicht wieder, den ganzen Tag nicht. Nicht einmal das Apfelstückchen
kann sie locken.
[Audio: Klaus
Ruge berichtet von seinen Erlebnissen |
Audio: Klaus
Ruge erzählt, wie er die Buntspechthöhle für die Kameras
präpariert hat]
26.
April. Markus wollte gegen Mittag mit seinem gelben Wohn-Unimog zurück
sein. Anfang der Woche versuchte er, sein Beobachtungszelt auf Stelzen
zu stellen. Er wollte noch näher an die Mittelspechte, wollte sie
aus einem besseren Winkel fotografieren. Aber dann merkte er, die Stangen
waren nicht auf dem Unimog-Dach. Er hatte sie zuhause in Uri, in der Schweiz
vergessen. In der Früh brachte ich Markus' Versteckzelt zu unserem
Mittelspecht Fritz. Ich wartete einfach, was so geschah. Ich sah dem Eichhörnchen
zu, das da herumturnte, in der Erde wühlte, irgendetwas knabberte,
am Boden herumlief. Weit weg von einer Buche hatte ich gestern die Keimblätter
einer Buchecker gesehen. Buchenblättern sind die überhaupt nicht
ähnlich. Vermutlich hat ein Eichhörnchen die Buchecker im letzten
Herbst vergraben. Auf einmal zuckte ich zusammen. Hinter mir hatte es
gekracht, so als brächen Äste ab. Als ich den Schrecken überwunden
hatte, spähte ich aus dem Sehschlitz auf der Seite. Ich
sah, wie zwei kräftige Muffelwidder sich auf die Hinterbeine stellten
und dann mit voller Wucht mit ihren Gehörnen zusammenstießen.
Ein anderer stand hoch über den anderen auf dem Stamm einer umgefallenen
Eiche: ich bin der König. Mufflons sind in Südeuropa zuhause.
Im Favoritepark wurden sie ausgesetzt. Dann entdeckte ich noch dieses
Muffelschaf mit einem Lamm. Es musste noch sehr jung sein, zwei oder drei
Tage vielleicht. Das Kleine war noch etwas langsam, lief noch etwas staksig.
Die Mutter musste immer wider stehen bleiben, damit ihr Kind folgen konnte.
Ja, beim "Spechten" hab ich schon manches erlebt. Schließlich
kam auch Fritz zur Höhle und löste sein Weibchen bei der Höhlenwache
ab. Ob die beiden wohl schon Eier in der Höhle haben?
25.
April. Unser Schweizer Tierfilmer Markus (Foto) arbeitet fast immer
mit High-Tech. Anfang der Woche noch hatte ich eine kleine Glühbirne,
die von einer Batterie gespeist wurde, in Paulas Höhle hinuntergelassen
und mit einem länglichen Spiegel mühsam die Höhle ausgeleuchtet.
Die Höhle war leer. Heute haben wir es mit einer winzigen Digitalkamera
so groß wie eine Zigarre versucht. Beleuchtet hat Markus mit einem
winzigen Lämpchen - und dann sahen wir es auf dem Monitor: am Höhlenboden,
gebettet auf Holzspänen lagen zwei Eier. Paul und Paula trieben sich
irgendwo in den Bäumen herum. Die Zeit nutzten wir und bohrten von
hinten in den Stamm fünf Löcher, etwas mehr als 1 cm im Durchmesser.
Wir
steckten die Kamera hinein und konnten die beiden Eier erkennen. Die Löcher
hat Markus mit kleinen Holzkegeln verschlossen und mit Knetgummi luft-
und lichtdicht verschlossen. Wir setzen uns auf einen Stamm 20 Meter von
der Höhle entfernt. Keine Minute war vergangen, da kam Paul, krallte
unter dem Höhlenloch, schaute auf die Rückseite des Stamms,
fand dort nichts Aufregendes - und schon schlüpfte er wieder in die
Höhle. Nach einer Weile erschien Paul wieder mit einem großen
Holzspan im Schnabel. Der war beim Bohren in die Höhle gefallen.
Paul trug den Span fort, hackte noch ein wenig an einem morschen Ast,
flog zur Höhle und verschwand darin so schnell, dass wir es kaum
bemerkten. Später schaute er noch einmal heraus. Dann wurde es dunkel.
Wir wünschten Paul eine gute Nacht.
24.
April. Paula schmiedet ein Schneckenhaus. Im Park duftet es frisch
nach Apfelblüten. Einige der Apfelbäume haben noch rötliche
Knospen, andere sind schon rosa Blütenrausch. Ich wollte auf der
Obstwiese nach Grünspechthöhlen suchen. Aber das hohe Gras ist
regenschwer. Ich ging zu den hohen Bäumen, da wo die Buntspechte
Paula und Paul ihre Höhle haben. Paula entdeckte ich schnell - nicht
oben auf den Bäumen, sondern am Boden. Zuerst hackte sie an dünnen
morschen Zweigen, die da herumlagen. Dann flog sie an den Fuß einer
Esche und zupfte Moos - nicht etwas, um daraus ein Nest zu bauen. Das
tun Spechte ja nicht. Paula suchte nach Nahrung - nach Insekten, Spinnen
und anderen kleinen Tieren. Paula flog zum Fuß einer dicken Eiche,
hackte wieder im Moos, nahm etwas weißliches in den Schnabel, so
groß wie eine Haselnuss, klemmte das in einen Spalt der dicken Eichenborke
und klopfte darauf, schmiedete das Beutestück. Ich war neugierig,
was Paula da bearbeitete, pirschte mich näher. Das war Paula zuviel.
Sie flog weg und die Schneckenschale fiel herab. Es war das Gehäuse
einer Schnirkelschnecke. Das hatte ich noch nie beobachtet. Ich möchte
wissen, wer so etwas schon gesehen hat. Es ist einleuchtend. Jetzt kurz
vor dem Eierlegen, braucht Paula Kalk für ihre eigenen Eier.
23.
April. Ich glaube, Paula hat die Entscheidung getroffen. Ich sah,
wie das Buntspechtweibchen in die Höhle schlüpfte und dann fast
eine ganze Stunde darin blieb. Eigentlich hatte ich diese Höhle schon
als unbrauchbar eingestuft. Sie ist alt. Am Eingang konnte ich keine frischen
Hackspuren erkennen. Doch gestern, als ich dem SWR-Redakteur Detlef Clas
die Höhlen zeigen wollte, da lagen frische Späne auf den Brennnesseln,
die unter dem Baum wuchsen. Die Höhle ist für unser Internetprojekt
wie geschaffen. Keine zwei Meter hoch. Der Stamm der faulen Eiche hat
wenig mehr als 30 cm Durchmesser. Paul und Paula hatten noch in der Woche
zuvor an vier verschiedenen Höhlen gebaut. Zwei davon befanden sich
in schwindliger Höhe. Ich hatte mich in gebührlichen Abstand
von Paulas Höhle hingesetzt, um zu sehen was geschieht. Ich sah die
ersten Halsband-Fliegenschnäpper, etwa sperlingsgroße auffallend
schwarzweiße Vögel. Zwei Aurorafalter, kleine Schmetterlinge
mit einem großen orangefarbenen Fleck auf den Vorderflügeln
flatterten umher. Ich fürchtete schon, der Kleiber würde sie
fangen. Zwei Buntspechtpaare trieben sich ganz in der Nähe herum.
Die Männchen verfolgten einander, duldeten den fremden Specht nicht
in der Nähe ihrer Höhle. In Pits Höhle 7 Meter hoch
in einer Esche sitzt ein Buntspechtmännchen. Wir haben es
Anton genannt. Eigentlich gibt es ganz schön viele Buntspechte da
im Park. Ich freue mich, dass es noch so viele bei uns gibt, dass sie
noch nicht zu den bedrohten Vögeln gehören. Wir alle müssen
mithelfen, dass das in 50 Jahren auch noch so ist.
22.
April. Seit heut piept uns Hansi etwas. Kaum 20 Minuten hat Jürgen
bei dem Futterbaum mit der Falle angesessen. Da kam Paul der Mittelspecht
an den Stamm geflogen, pirschte sich zu der Futterdose, schaute schließlich
nur mit dem Schwanz heraus. Dann ließ Jürgen die Falle zuschnappen.
Schnell holten wir Paul aus der Falle. Jürgen hatte schon den kleinen
Sender bereitgelegt. Der wiegt weniger als 1 Gramm. Zuerst wurde Hansi
beringt. Dann kam er in ein kleines Säckchen etwas größer
als ein Waschlappen. Dann legte wir ihn auf den Bauch, schoben ganz sanft
die kleinen Federn, die die starken Schwanzfedern abdeckten, beiseite.
(Die Schwanzfedern sind bei Spechten besonders stark, weil der Stützschwanz
ja wie ein drittes Bein benutzt wird). Dort, wo diese kräftigen Federn
aus dem Körper wuchsen, klebte Jürgen den Sender fest. Die Senderantenne
guckte etwas über den Schwanz hinaus. Der Schnellkleber war schon
nach einer halben Minute so fest, dass wir Hansi freilassen konnten. Ich
legte ihn auf meine flache Hand uns schon stob er davon, flog in die Große
Eiche beim Forsthaus, ordnete sein Gefieder. Jürgen verfolgte Hansi
mit der Handantenne und dem Empfangsgerät. Deutlich war das Tick-tick
von Pauls Sender zu hören. Von heute an wird uns der Sender verraten,
wo sich Hansi aufhält - und ich hoffe, er zeigt uns auch seine Bruthöhle.
[
Audio: Ein
Sender verrät, wo sich Hansi aufhält.
21.
April. Pirschgang durch den Favoritepark wir hören eine
Amsel. Der erste Waldlaubsänger ist angekommen, man nennt ihn auch
Waldschwirrvogel, weil er an seinen Gesang so eine schwirrende Lautfolge
hängt. Auf der Waldwiese lagern Damhirsche und ruhen sich aus, Männchen-
und Weibchengruppen immer schön getrennt. Bei den Männchen wachsen
die Geweihe. Noch sind sie von einer samtenen Haut umgeben. Bast heißt
diese Haut in der Jägersprache. Ich suchte mit dem Fernglas die Bäume
ab, und dabei entdeckte ich den großen, blutroten Fleck an einer
Hainbuche. Als ich vor dem Baum stand, erkannte ich, was da geschehen
war. Ein Buntspecht hatte Löcher in die Rinde geschlagen. Daraus
war Saft geflossen. Der Buntspecht hatte von dem Saft getrunken. Doch
es waren Saftströme, die da herausquollen. Selbst wenn Meisen, Eichhörnchen
und Hirsche von diesem Ringelsaft leckten, es blieb Saft übrig. Und
auf diesem Saft hatten sich bunte Schleimpilze angesiedelt. Ringeln nennt
man es, weil die Löcher, aus denen Saft fließt, ringförmig
um den Stamm angelegt werden. Birken, Linden, Hainbuchen und junge Roteichen
sind die häufigsten Ringelbäume. Es wird behauptet, dass russische
Buntspechte im Frühjahr zweidrittel ihrer Nahrung durch süßen
Ringelsaft decken.
20. April. Der Mittelspecht baut. Gewünscht hatten wir uns
eine Buntspechthöhle ganz dicht bei der alten Volière. Tatsächlich
fanden wir dort einen Mittelspecht. Mittelspechte sind schwarz-weiß-rot
wie Buntspechte. Sie sind noch schöner gefärbt, haben
eine leuchtend rote Kopfplatte. Sie sind kleiner und viel seltener. Sie
kommen nur da vor, wo uralte Bäume stehen. Im Favoritepark sind es
die riesigen Eichen. Aus den Ritzen und Fugen der Borke klauben sie ihre
Nahrung: Spinnen, Falter, Käfer. Das Mittelspechtmännchen baute
in der morschen Kastanie. Vor zwei Tagen war die Höhle so weit, dass
er bis zum Bauch im Höhlenloch verschwand. Jetzt passt er schon ganz
hinein. Oft ist es nicht zu sehen, aber in der Höhle pocht es und
dann plötzlich erscheint ein Schnabel, ein Kopf im Höhlenloch
und schwupp fliegt eine Ladung Holzspäne hinaus. Das Männchen
ist nicht allein. Hin und wieder löst das Weibchen ihn beim Bauen
ab. Lang kann es nicht mehr dauern, bis die Höhle fertig ist. Markus
hat sein Tarnzelt an die Mittelspechthöhle getragen. Bald kann man
seine seltenen Spechtaufnahmen im Fernsehen anschauen.