„Ab wann wurde eigentlich mit Beton gebaut?“ fragt Professor Wünsche gerne – und bekommt dann sehr oft zu hören: Seit etwa 100 Jahren, vielleicht auch 150. Falsch! Ein weit verbreiteter Irrtum: Bereits vor 2.000 Jahren entdeckten die Römer, dass eine Mischung aus Sand, gebranntem Kalk und Wasser beim Austrocknen eine knochenharte Masse bildet.
Ein berühmtes Bauwerk, an dem sie dieses Prinzip genial umgesetzt haben, ist das Pantheon in Rom - ein Tempel, den Kaiser Hadrian um 120 n. Chr. errichten ließ. Das Pantheon, heute das am besten erhaltene antike Gebäude in Rom, ist im Kern aus Beton, nur die Oberflächen sind mit Naturstein verkleidet.
Beton erlaubte völlig anderes Bauen. Es wurde jetzt nicht mehr gemauert, sondern die flüssige Masse wurde zwischen zwei Schalen gegossen. Unter der Kassettendecke des Pantheon verbergen sich mehrere Betonringe, die sich nach oben verjüngen und so die Kuppel bilden. Mit einem Durchmesser von mehr als 43 Metern war sie die größte ihrer Zeit – und der Rekord wurde erst 1.800 Jahre später geknackt, als die Jahrhunderthalle in Breslau eine noch größere Kuppel bekam.
Mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs ging dieses Wissen einfach verloren. Über tausend Jahre lang kannte man nur noch den bröseligen Mörtel.
Erst 1755 wurde der Beton wiederentdeckt, als John Smeaton einen Leuchtturm mit Betonfundament mitten in das aufgewühlte Meer vor Englands Südküste stellte.
Der Quantensprung kam aber erst mit einem gartenbegeisterten Franzosen, den es maßlos ärgerte, dass seine Terracottatöpfe immer so schnell zerbrachen. Als er die Blumenkübel aus Beton goss, war das auch erst die halbe Miete, weil sich die Wurzeln der Pflanzen drinnen ziemlich schnell nach außen durch die Betonhülle bohrten. Joseph Monier, so hieß der Mann, verstärkte den Beton mit einem Netz aus Stahlstangen – und hatte von nun an Ruhe. Er begriff sofort das Potential dessen, was er da entdeckt hatte, und meldete den haltbaren Supermix aus Stahl und Beton 1867 als Patent an – der Stahlbeton war erfunden.
Da Stahlbeton in nassem Zustand gegossen wird, kann man mit ihm auch sehr extravagante Gebäude erstellen. 1956 wurde sogar eine ganze Stadt aus Stahlbeton in den Dschungel hineingebaut - für 2,5 Millionen Menschen: Brasilia, die Hauptstadt von Brasilien.
Erst mit dem Stahlbeton – und mit der Erfindung des Aufzugs – wurde es möglich, Häuser immer noch höher nach oben zu ziehen. Ab Ende des 19. Jahrhunderts begannen die Rekorde zu purzeln. Der jüngste stammt aus dem Jahr 2010: Der Burj Khalifa in Dubai ist zurzeit mit 828 Metern das höchste Gebäude der Welt.