Video: Wer lebt im Mist?
Kuhfladen und Pferdeäpfel sind der Lebensraum vieler Insekten wie Fliegen und Käfer. Manche – wie der Dungkäfer – ernähren sich friedfertig vom Dung, andere, räuberische Arten, nutzen den Dung als Jagdrevier. Aber alle leisten einen wichtigen Beitrag für den Nährstoffkreislauf und das Ökosystem.
Käfer, Fliegen und ihr Beitrag zum Ökosystem
Für manche Tiere ist der Kot anderer Tiere ein Festmahl. Was Pferde und vor allem Rinder beim Stoffwechsel als unbrauchbar ausscheiden, ist für Insekten und anderes Getier notwendige Lebensgrundlage. Sie nutzen den Dung, bei dessen Zersetzung Wärme entsteht, als Eiablage und finden darin Nährstoffe. In Kuhfladen und Pferdeäpfeln gedeihen zahlreiche Fliegen- und Käfer-Arten, die sich – wie der Stierkopf-Dungkäfer aus der Familie der Blatthornkäfer - im Laufe der Evolution auf die Ausscheidungen großer Haus- und Wildtiere spezialisiert haben. Zusammen mit anderen Dung-Liebhabern sorgen sie dafür, dass Weideflächen nicht im Mist versinken, denn eine Kuh hinterlässt dort täglich etwa zehn Fladen von je zwei Kilogramm Gewicht. Tausende Kuhdung-Besucher helfen mit, einen Fladen binnen 40 Tagen abzubauen und aus dem Kuhmist wertvollen Humus zu machen. Die Biomasse, also das Gesamtgewicht von Insektenlarven und ausgewachsenen Insekten, die sich im Laufe eines Jahres in den Ausscheidungen einer Kuh finden, beläuft sich auf 120 Kilogramm. Indem sie Nährstoffe in den Boden bringen und ihn durchmischen, leisten Dungkäfer und ihre Helfer und Gegenspieler einen wichtigen Beitrag zum Nährstoffkreislauf. Ohne ihr produktives Recycling würde das Ökosystem Weideland nicht funktionieren. Wie geht das im Einzelnen vor sich?
Ein Kuhfladen wird zersetzt...
Die verschiedenen Verfallsstadien eines Kuhfladens locken jeweils unterschiedliche Lebewesen an, die in ihrem Zusammenspiel eine komplexe Leistung vollbringen. Solange der Fladen noch weich ist, deponieren z. B. die Weibchen der Gelben Dungfliegen ihre Eier darin. Nach zwei Tagen tummeln sich unzählige Maden und Larven im Fladen. Dungkäfer verbringen hier ihr ganzes Leben: Sie vertilgen den Kuhdung, machen die darin noch enthaltenen Nährstoffe für Pflanzen verfügbar und geben den Weiden so etwas von dem zurück, was die Kühe abgegrast haben. Einige Dungkäfer-Arten arbeiten den Kot in den Boden ein: Dafür graben sie Gänge, die sie mit Dung füllen, in dem sie wiederum ihre Eier ablegen. Wenn ihre geschlüpften Larven den Dung verzehren, lockern die nun leeren Gänge den Boden auf und versorgen ihn mit Sauerstoff und Nährstoffen. Das kommt dem Wachstum der Pflanzen zugute. Die Dungkäfer bringen Pflanzensamen, die die Weidetiere ausgeschieden haben, unter die Erde; dort können die Samen keimen. So helfen die Käfer, Pflanzenpopulationen zu erhalten. Parasiten, die über den Verdauungstrakt der Weidetiere in deren Dung gelangen, vermehren sich nur begrenzt, weil Dungkäfer den Kot schnell in den Boden bringen. Bliebe der Dung zu lange liegen, würde die Zahl der Parasiten problematisch anwachsen. In dem noch feuchten und von Gängen durchzogenen Kuhfladen entwickeln sich Pilze, Hefen und Bakterien, die ihn weiter abbauen. Das lockt Milben, Hundertfüßer und Regenwürmer an, aber auch Fadenwürmer, Schwingfliegen oder die goldgelb behaarte Mistfliege. Nur ihre Larven sind Dungfresser, die Fliegen selbst leben zum Teil räuberisch und machen Jagd auf andere Kotbewohner. Das tun auch Käfer aus der Familie der Kurzflügler und ihre Larven, während die Hornissen-Raubfliege wiederum Käfer jagt. Nicht zuletzt ernähren sich auch Vögel und Schlangen von den Insekten. Der „alternde“ Fladen wird von verschiedenen Pilzarten besiedelt, die den Dung – u. a. im Zusammenspiel mit dem Zwergkäfer Ptenidium pusillum - weiter abbauen, ehe in der letzten Phase zum Beispiel der Kleine Wiesenwurm seinen Auftritt hat. Täglich verdaut er ein Prozent seines Gewichtes an Dung.
Wenn Kuhfladen fehlen...
Da in Deutschland die Massentierhaltung die Weidehaltung vielerorts abgelöst hat, gibt es immer weniger Kuhfladen auf Wiesen. So schwindet der natürliche Lebensraum von Mistkäfern, Gemeinen Dungkäfern und weiteren Insekten. Ein anschauliches Beispiel geben die Fliegen, deren Weibchen in den Sommermonaten alle drei Tage im Schnitt 150 Eier im Kuhmist ablegen. Bei guten Bedingungen sind bis zu 15 Fliegen-Generationen pro Jahr möglich: 150 Eier in der ersten Generation,10 250 in der zweiten, 843 750 in der dritten und über 63 Millionen in der vierten Generation. So kommt ein Fliegenpärchen theoretisch auf Billionen von Nachkommen mit Millionen Tonnen Biomasse. Diese Fliegen sind ein wichtiges Nahrungsmittel für Schwalben, die früher in jeder Scheune ihre Nistplätze hatten. Mit dem Aussterben der Viehhaltung und dem Verschwinden der damit verbundenen Stallungen, Weiden und Misthaufen bleiben die Fliegen fern und damit auch die Schwalben. In Zeiten des Insektensterbens ist jeder Misthaufen deshalb ein Zeichen der Hoffnung.