Video: Warum wächst in den Moselweinbergen Lavendel?
Seit 2014 wird der ursprünglich im Mittelmeerraum beheimatete Lavendel in brachliegenden Weinbergen an der Mosel angebaut. Dort findet er infolge des Klimawandels günstige Standortbedingungen. Der Lavendel wertet die Landschaft auf, bietet aber auch eine alternative Einkommensquelle.
Lavendel - Herkunft und Eigenschaften
Der Lavendel – seine korrekte Bezeichnung lautet Echter oder Schmalblättriger Lavendel der Gattung Lavandula aus der Familie der Lippenblütler - ist eine beliebte Zierpflanze, wird aber auch zur Gewinnung von Duftstoffen und als Heilpflanze genutzt. Seine ursprüngliche Heimat sind die Küstenregionen des Mittelmeerraums. Lavendel wächst an trockenen, felsigen und warmen Hängen. In der Provence, deren Lavendelfelder ein beliebtes Reiseziel sind, hat sich die Lavendel-Anbaufläche zwischen 2002 und 2012 etwa halbiert. Als Ursachen gelten Schädlinge und einige Kälteperioden mit wenig Schnee. Schnee schützt den Lavendel vor strengem Frost. Der Echte Lavendel gilt als winterhart und kann den in Mitteleuropa üblichen Winter im Freien gut überstehen. In Deutschland findet man den Echten Lavendel zumeist nur angepflanzt in Gärten vor. Kommerzieller Lavendelanbau ist hierzulande - noch - wenig verbreitet. Aber das könnte sich ändern.
Das Weinbaugebiet Mosel
Die Region um die Mosel in Rheinland-Pfalz ist seit Jahrhunderten ein renommiertes Weinbaugebiet für Qualitätsweine aus besten Lagen. Es umfasst das Tal der Mosel, die Täler von Saar und Ruwer und Städte wie Trier, Traben-Trarbach, Cochem und Koblenz. 2017 produzierten mehr als 5.000 Winzer auf ca. 8.770 Hektar Rebfläche 668.000 Hektoliter Wein. In 91 Prozent der Weinberge wird Weißwein angebaut; mit über 5.393 Hektar ist die Region die größte Riesling-Anbaufläche der Welt. Etwa 40 Prozent der Weinberge befinden sich an Uferlagen mit Steigungen von 30 bis über 60 Prozent. Damit ist die Mosel weltweit das größte Steillagen-Weinbaugebiet.
Klimawandel und Weinbau
Die Prognosen klingen alarmierend: Stiege die Durchschnittstemperatur infolge des Klimawandels um zwei Grad an, könnten weltweit 56 Prozent der Weinbauflächen verloren gehen. Ein Wechsel auf andere Rebsorten könnte den Verlust auf 24 Prozent reduzieren. Allerdings fallen die Vorhersagen regional sehr unterschiedlich aus; die Folgen der globalen Erwärmung müssen für den Weinanbau nicht überall zwangsläufig negativ sein. Klar ist, dass sie Auswirkungen auf die Vegetationsdauer, das Rebsorten-Spektrum, die Ertragsmenge, die Traubenqualität und die Arbeit der Winzer haben wird. In Deutschland könnten steigende Temperaturen zu einem höheren Reifegrad der Trauben führen, was letztlich die Weinqualität verbessert. Denkbar ist, dass neue Weinanbaugebiete in nördlicheren Regionen erschlossen werden und wärmeliebende Trauben (z. B. Merlot), die aktuell kaum angebaut werden, bald eine größere Rolle spielen. Weintrauben reagieren sehr empfindlich auf klimatische Veränderungen, wobei manche Traubensorten widerstandsfähiger sind als andere. Witterungsschwankungen haben sich schon immer auf Menge und Qualität des Weines ausgewirkt, die je nach Jahrgang variieren können. Aber Wetterextreme, Trockenheit, die Gefahr von Spätfrost und neue Schädlinge erschweren den Winzern die Arbeit. Nehmen die Niederschläge zu, steigt die Gefahr von Pflanzenkrankheiten wie dem Falschen Mehltau. Als die Temperaturen im Sommer 2019 teilweise über 40 Grad Celsius kletterten, litten einige Sorten in einem bisher unbekannten Ausmaß unter Sonnenbrand: Die bräunlichen Stellen in der Schale der Trauben führen zur verstärkten Bildung bitterer Gerbstoffe, die den Geschmack des Weins beeinträchtigen. Manche Winzer belassen deshalb weniger Blätter an den Reben, um die Reife der Trauben zu verzögern. Andere verlegen den Weinanbau in höhere oder weniger sonnenreiche Lagen. Milde Winter schaden besonders dem Eiswein, denn die Trauben, aus denen er gekeltert wird, müssen vor der Ernte am Rebstock gefrieren.
Lavendelanbau an der Mosel
Der Klimawandel sorgt an der Mosel für zunehmend heiße Sommer. Manche Rebsorten wie der in der Region dominierende Riesling vertragen den Temperatur-anstieg nur schlecht. Zudem zieht die Hitze bis dato unbekannte Schädlinge an. Das stellt die einheimischen Winzer vor neue Herausforderungen. Während manche auf resistentere Rebsorten setzen, geben andere ihre Weinberge aus wirtschaftlichen Gründen auf. Zurück bleiben unansehnliche Brachen inmitten der imposanten Terrassen-Weinberge, dem Aushängeschild der Region. Das rief die Mitglieder des gemeinnützigen Vereins Lehmer Razejunge auf den Plan. Der Name leitet sich von der „Raz“ ab, einer geflochtenen Kiepe, mit der die jungen Männer aus Lehmen einst im Winter den Stallmist zur Düngung der Reben in die Steillagen trugen. Der Verein, der sich der Heimatpflege und dem Umwelt- und Naturschutz verschrieben hat, setzte 2014 in nicht mehr genutzten Rebflächen über 3.000 Lavendelpflanzen aus, um die Verbuschung der Weinberge zu verhindern und die Landschaft optisch aufzuwerten. Inzwischen ist klar: Der Lavendel, der mit wenig Wasser auskommt, fühlt sich an der Mosel sehr wohl und gedeiht prächtig.
Neue Chancen für alte Weinberge
Heute wachsen auf 14 Felsterrassen in der Lehmener Würzlay, einer Steillage mit 70 Prozent Steigung, neben drei Arten Lavendel, 160 verschiedene Pflanzen, 60 Sorten Kräuter sowie Weinbergpfirsich- und Feigenbäume. Das lockt nicht nur mehr Bienen, Hummeln, Eidechsen und Nattern an denn je, sondern auch 27 Schmetterlingsarten, darunter den sehr seltenen Apollofalter. Umweltschutz- und Naturerfahrungsprojekte für Kinder – darunter ein Weinberg-Lehrpfad – ergänzen das Konzept. Nicht zuletzt haben die Lavendel-Bauern mit der Herstellung von Lavendelöl, Lavendelhonig und anderen Produkten neue Einkommensquellen erschlossen. Ihre von Geldern der EU und des Landes Rheinland-Pfalz unterstützte Initiative zeigt, dass der Klimawandel auch Chancen bietet, wenn man sie denn ergreift.