Das Wahlrecht
In einer Demokratie haben alle Bürgerinnen und Bürger die gleichen Rechte und Pflichten. Eines der wichtigsten Rechte ist das Wahlrecht.
Durch Wahlen geben die Bürger einer Partei oder einem Volksvertreter ihre Stimme. Wer die meisten Stimmen bekommt, ist für eine bestimmte Zeit ins Parlament gewählt. Dort versuchen die Abgeordneten ihr Programm und ihre Ideen durchzusetzen – zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Wenn die Wähler mit der Arbeit der Abgeordneten und der Regierung nicht einverstanden sind, können sie bei der nächsten Wahl anders abstimmen.
Die 5 Wahlgrundsätze
Für eine demokratische Wahl gelten fünf Grundsätze: Sie muss allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein. So steht es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 38.
Allgemein bedeutet, dass ab einem bestimmten Alter jeder wählen darf. Geschlecht, Hautfarbe oder Einkommen spielen dabei keine Rolle. Unmittelbar ist eine Wahl dann, wenn jede Stimme eine direkte Auswirkung auf das Wahlergebnis hat. Jede abgegebene Stimme muss gleich viel zählen, unabhängig davon, wer sie abgibt. Es darf zum Beispiel nicht passieren, dass Menschen mit einem hohen Einkommen mehr Stimmen haben als Menschen mit einem niedrigen Gehalt. Die Wahl ist frei, denn niemand darf zu einer Stimmabgabe oder zu einem bestimmten Kandidaten gezwungen werden. Die Wähler müssen ohne Zwang und fremden Einfluss entscheiden können. Auch ist es wichtig, dass eine Wahl geheim ist. Wem man seine Stimme gibt, geht niemanden etwas an. Denn niemandem sollen durch die Wahl Nachteile entstehen. Deshalb muss und darf man auf dem Wahlzettel auch nicht seinen Namen angeben.
Zu einer Demokratie gehört außerdem, dass sich jeder für öffentliche Ämter wählen lassen kann. So kann im Prinzip jeder zum Mitglied im Gemeinderat, zum Abgeordneten im Parlament oder zur Bundeskanzlerin gewählt werden.
Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheidet über den Ausgang einer Wahl. Ob es sich dabei um die Wahl zum Klassensprecher oder zum Bürgermeister handelt, spielt keine Rolle. Die Mehrheit gewinnt, die Minderheit verliert. Das heißt auch: Die Minderheit muss den Wunsch der Mehrheit akzeptieren, obwohl sie selbst anderer Meinung ist.
Bei demokratischen Wahlen unterscheidet man verschiedene Arten von Mehrheiten: Die relative Mehrheit, die einfache oder absolute Mehrheit und die qualifizierte Mehrheit.
Eine relative Mehrheit besitzt, wer mehr Stimmen hat als andere Kandidaten. Wenn zum Beispiel bei der Wahl des Klassenausflugs von 30 Schülern acht für den Zoo, zehn für das Freischwimmbad und zwölf für den Bauernhof stimmen, dann haben diejenigen, die für den Bauernhof gestimmt haben, eine relative oder einfache Mehrheit.
Eine einfache oder absolute Mehrheit dagegen erreicht, wer mehr als die Hälfte aller möglichen Stimmen bekommt. Das wären bei einer Zahl von 30 Schülern mindestens 16 Stimmen.
Noch schwieriger ist es, eine qualifizierte Mehrheit zu erreichen. Für eine qualifizierte Mehrheit muss ein Anteil von Stimmen erreicht werden, der höher als die Hälfte ist. Meist sind es zwei Drittel, manchmal sogar drei Viertel aller möglichen Stimmen. Für eine Zwei-Drittel-Mehrheit würden 20 von 30 Schülern ausreichen. Eine solche Mehrheit zu erringen ist zwar schwieriger, dafür aber eindeutiger: Denn die qualifizierte Mehrheit stellt sicher, dass wirklich ein großer Teil aller Abstimmenden mit dem Ergebnis einverstanden ist. Die Minderheit, die für etwas anderes gestimmt hat, ist in diesem Fall wesentlich kleiner. Daher wird bei sehr wichtigen Entscheidungen eine qualifizierte Mehrheit verlangt. Z.B. erfordert eine Änderung des Grundgesetzes, also eine Änderung der Bestimmungen unserer Verfassung, eine 2/3 Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat.
Eine Wahl geht selten „einstimmig“ aus, d.h. alle Wahlberechtigten sind gemeinsam für oder gegen einen Vorschlag. Einige werde daher immer enttäuscht sein, wenn ihre Vorschlag von der Mehrheit nicht gewählt wurden.
Zur Entscheidungsfindung durch Wahlen gibt es eine Alternative: die Konsens-Entscheidung. Dabei stimmen alle „einstimmig“ einem Vorschlag zu, der in Verhandlungen und Diskussionen von allen Beteiligten ausgehandelt wurde. Die völlige Übereinstimmung in einer Sache nennt man Konsens. Die Indianerstämme der Irokesen z.B. verhandelten so lange, bis man zu einer einmütigen Entscheidung gekommen war. Dabei durfte keinem durch Drohungen oder Gewalt eine Entscheidung aufgezwungen werden. In gemeinsamen Diskussionen mussten die Clan- oder Stammesführer für ihre Vorstellungen werben. Man konnte so eine für möglichst viele Stammesmitglieder tragbare Entscheidung finden. Außerdem war positiv, dass alle an der Diskussion um die Entscheidungsfindung beteiligt waren, man hat nicht einfach nur über etwas „abgestimmt“.
Bei den vielen Dingen, die in unserer heutigen, sehr komplexen Gesellschaft auf den unterschiedlichsten Ebenen entschieden werden müssen, wäre ein solches Verfahren allerdings sehr zeitraubend. Denn eine vollkommene Übereinstimmung in einer Sache zu finden, kann lange dauern und ist meist schwierig. Um politische Entscheidungen nicht zu bremsen, wird in heutigen Demokratien meist abgestimmt.
Findet man für einen Vorschlag, eine Bestimmung ein Gesetz keine stabile Mehrheit, muss auch hier weiterverhandelt werden. Hier ist die Lösung dann oft der Kompromiss. D.h. alle Seiten verzichten auf einige ihrer Forderungen oder Vorstellungen und finden eine Lösung, die dann von möglichst allen getragen werden kann.