Das
Gewitter, ca. 1505-1510, Giorgione (Giorgio da Castelfranco),
Accademia Venedig © AKG
Der
Dichter Gustav Benjamin Schwab (1792- 1850)
schildert "Das Gewitter" folgendermaßen:
Das
Gewitter
Urahne,
Großmutter, Mutter und Kind
In dumpfer Stube beisammen sind;
Es spielet das Kind, die Mutter sich schmückt,
Großmutter spinnet, Urahne gebückt
Sitzt hinter dem Ofen im Pfühl -
Wie wehen die Lüfte so schwül!
Das
Kind spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Wie will ich spielen im grünen Hag,
Wie will ich springen durch Tal und Höhn,
Wie will ich pflücken viel Blumen schön;
Dem Anger, dem bin ich hold!" -
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Die
Mutter spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Da halten wir alle fröhlich Gelag,
Ich selber, ich rüste mein Feierkleid;
Das Leben, es hat auch Lust nach Leid,
Dann scheint die Sonne wie Gold!" -
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Großmutter
spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Großmutter hat keinen Feiertag,
Sie kochet das Mahl, sie spinnet das Kleid,
Das Leben ist Sorg und viel Arbeit;
Wohl dem, der tat, was er sollt!" -
Hört ihr's, wie der Donner grollt?
Urahne
spricht: "Morgen ist's Feiertag,
Am liebsten morgen ich sterben mag:
Ich kann nicht singen und scherzen mehr,
Ich kann nicht sorgen und schaffen schwer,
Was tu ich noch auf der Welt?" -
Seht ihr, wie der Blitz dort fällt?
Sie
hören's nicht, sie sehen's nicht,
Es flammet die Stube wie lauter Licht:
Urahne, Großmutter, Mutter und Kind
Vom Strahl miteinander getroffen sind,
Vier Leben endet ein Schlag -
Und morgen ist's Feiertag.
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